In der Pandemie saßen viele Menschen zu Hause, und Babbel erlebte eine Menge Zulauf. Wie sieht es jetzt aus?
MARKUS WITTE: Nach der Pandemie kam erst der richtige Ansturm. Die Leute haben gemerkt, dass sie wieder reisen können. Und andere Länder haben mit anderen Sprachen zu tun. Und dadurch ist der Bedarf, andere Sprachen zu lernen, noch einmal gestiegen. Die Zahl der Kunden und der Umsatz nehmen zu.
Die Wirtschaft in Deutschland stagniert eher, zugleich belastet Inflation die Menschen. Verzichten sie da nicht gerade am ehesten auf das Erlernen einer Sprache?
Das gibt es natürlich. Aber es gibt auch einen gegenläufigen Trend: Immer dann, wenn eine Lage als Krise wahrgenommen wird, dann orientieren wir Menschen uns oft um. Dann werden alle Formen von Lernen stärker genutzt. Wir sehen das bei uns, aber das ist auch ein allgemeiner Trend. Wenn es wirtschaftlich schwieriger wird, dann wird es für uns eher besser. Das haben wir auch in anderen Ländern gesehen.
Welche Sprachen werden denn in einer solchen Lage besonders stark nachgefragt?
Englisch ist natürlich wie überall die Nummer eins, bei uns fällt die Kurve danach allerdings nicht so stark ab, wenn dann Französisch oder Spanisch folgen. Aber es ist nicht so überraschend, was da gelernt wird.
Babbel arbeitet mit verschiedenen Arten des Online-Lernens – textbasierte Kurse und Video-Lehrstunden zum Beispiel. Gibt es einen Trend, in welche Richtung sich das entwickelt?
Der Trend wird nicht so stark durch die Nachfrage geprägt, sondern durch die Angebote. Das fächert sich insgesamt ein bisschen auf. Für uns bei Babbel ist gar nicht so wichtig, wie oft jemand die App nutzt, sondern ob sich nach vier Monaten ein tatsächlicher Lernerfolg einstellt. Bei anderen Produkten spielt die tägliche Nutzung eine viel größere Rolle, die sind spielerischer angelegt. Der Markt differenziert sich und wird reifer.
In welche Richtung investiert Babbel denn? In Technologie oder in mehr Sprachlehrerinnen und Sprachlehrer?
Derzeit auf jeden Fall in Technologie. Es hat einen riesigen Technologiesprung gegeben, durch das neue, von Künstlicher Intelligenz getriebene Produkte im Sprachbereich möglich geworden sind. Die Richtung ist ziemlich klar: Wir müssen den Menschen jeweils die Lernmethode anbieten, die sie gerade brauchen. Wenn man selbst zurückschaut, weiß man ja, dass man immer auf sehr unterschiedliche Arten lernt. Unsere Aufgabe ist es, die Leute dadurch zu leiten.
Machen ChatGPT und andere KI-Software das eigenständige Lernen von Sprachen nicht bald überflüssig?
Wenn wir ehrlich sind, wissen wir alle noch nicht, was das für uns bedeutet. Eins ist klar: Bis ChatGPT konnte man sagen, dass Computer vielleicht gut rechnen, aber Menschen natürliche Sprachen besser beherrschen. Das ist vorbei. Inzwischen gehen Computer damit ähnlich gut um wie Menschen. Sie können Texte nicht nur korrigieren, sondern auch generieren. Auch live übersetzen, auch per Video. Wenn ich also im Hongkong im Taxi sitze, kann ich mein Handy benutzen, um dem Taxifahrer zu sagen, in welches Hotel ich will.
Dann brauche ich ja keine fremde Sprache mehr.
Ja, aber wenn ich in Süditalien in einer Bar sitze und mit jemandem in ein Gespräch komme, dann ist es total hinderlich, die ganze Zeit in mein Handy zu sprechen. Und wenn Menschen Sprachen lernen, geht es relativ wenig darum, einfach nur Informationen zu vermitteln. Für die Frage, wie ich zum Bahnhof komme, brauche ich gar keine Sprache mehr, das sagt mir die App direkt. Wichtiger ist der menschliche Kontakt und die Erweiterung des eigenen Denkens. Der Business-Kontext ist dafür ein schönes Beispiel.
Inwiefern?
In einem Business-Meeting können zum Beispiel zwei Menschen sich verständigen, die beide Englisch nicht als Muttersprache nutzen. Aber wenn ich einen italienischen Geschäftspartner treffe, ist es total schön, wenn ich mich mit ihm außerhalb der Verhandlungen ein bisschen auf Italienisch unterhalten kann. Das hat eine andere Note. Da geht es nicht um Informationen, sondern um ein anderes Verhältnis.
Hören Sie in der neuen Folge von „Die Stunde Null“,
- welche Techniken das Sprachenlernen verändern,
- weshalb Menschen noch Latein lernen,
- wie stark Russisch noch nachgefragt wird.
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