Sprachkenntnisse sind nicht nur für Arbeitnehmer eine wertvolle Ressource. Auch für Länder können sie zum wichtigen Standortvorteil werden, wenn beispielsweise ein ausländischer Konzern bei der Suche nach einer neuen Firmenzentrale auf das lokale Angebot an multilingualen Fachkräften schaut. Auf dem Papier scheint Deutschland da ganz gut dazustehen.
Die europäische Statistikbehörde Eurostat hat 2016 untersucht, wie es in dieser Frage in den Mitgliedstaaten aussieht. In Deutschland beherrschten demnach rund 79 Prozent der Einwohner mindestens eine Fremdsprache. Der EU-Mittelwert lag nur bei 65 Prozent. Schaut man jedoch auf die Qualität der Kenntnisse, bietet sich ein etwas anderes Bild.
So viele Deutsche sprechen eine Fremdsprache
Nur knapp 28 Prozent der Deutschen mit Fremdsprachenkenntnissen konnten laut Eurostat von sich behaupten, eine Frmdsprache fließend zu beherrschen. Das waren sogar zwei Prozentpunkte weniger als noch 2013. Im europäischen Vergleich fiel das Ergebnis für Deutschland unterdurchschnittlich aus. Die Sprach-Champions der EU kamen auf Werte jenseits der 50-Prozent-Marke. Aber wie sind solche gravierenden Unterschieden innerhalb Europas zu erklären? Die digitale Lernplattform Preply hat untersucht, welche EU-Länder grundsätzlich die besten Bedingungen bieten, damit ihre Bürger möglichst früh und einfach Fremdsprachen lernen.
Preply hat die 27 Mitgliedsstaaten auf sieben Kriterien hin untersucht. Die Länder erhielten jeweils null bis 100 Punkte. Diese Kategorien trugen zu gleichen Teilen zum Ergebnis bei:
- Zahl der Amtssprachen
- Mehrsprachigkeit: Anteile der Bevölkerung, die keine Fremdsprache oder mindestens eine Fremdsprache beherrschen
- Fremdsprachenunterricht: Der Anteil der Kinder, die bereits in der Grundschule eine Fremdsprache lernen
- Sprachniveau der am besten beherrschten Fremdsprache
- Sprachenlernen mithilfe von Technik: Unkomplizierter Zugang beispielsweise zu schnellem Internet, was die Nutzung digitaler Angebote erleichtert
- Untertitelung, Synchronisation und Voiceover in Film und Fernsehen
- Sprachenvielfalt: Ein Blick auf die allgemeine Bevölkerungsvielfalt, die Gesamtzahl an gesprochenen Sprachen und das Fremdsprachenangebot auf den Online-Präsenzen der Regierungen
Die Daten für die Analyse stammen laut Preply unter anderem von Eurostat, Statista oder Analysediensten wie Speedtest.
Diese EU-Länder bieten laut der Untersuchung die besten Voraussetzungen, um Fremdsprachen zu lernen.
Die besten europäischen Länder zum Sprachenlernen

In den meisten EU-Ländern gibt es nur eine Amtssprache. Estland kam in dieser Kategorie ebenfalls auf null Punkte. Dafür konnte es mit den Fremdsprachenkenntnissen seiner Einwohner punkten. 91 Prozent der Esten sprechen laut Eurostat mindestens eine andere Sprache. Preply vergab auch viele Punkte für den Fremdsprachenunterricht in Estland. Am Ende kam das Land auf 45,4 Punkte und damit auf Rang zehn im EU-Vergleich.

Belgien war im Preply-Ranking nur eines von zwei Ländern, die in der Kategorie „Amtssprachen“ die volle Punktzahl erhielten. In Belgien sind Niederländisch, Deutsch und Französisch Amtssprachen. Beim Fremdsprachenunterricht wurde Belgien hingegen mit der zweitschlechtesten Note in der EU abgestraft. Gute Werte bei Sprachenvielfalt, Fremdsprachenkenntnissen und Zugang zu Technik sorgten am Ende für 45,9 Punkte und Platz neun.

Slowenien belegte mit 52,8 Punkten im Preply-Ranking Platz acht. Dass ausländische Serien und Filme im Fernsehen mit Untertiteln gezeigt werden, brachte dem Land in dieser Kategorie 100 Punkte ein. Gute Noten gab es zudem für die Fremdsprachenkenntnisse und den Sprachunterricht.

Fünf der EU-Mitgliedsstaaten haben zwei Amtssprachen. Malta kam als einer dieser Vertreter in der entsprechenden Kategorie auf 50 Punkte. Folgerichtig gab es für Fremdsprachenkenntnisse und -unterricht ebenfalls überdurchschnittliche Noten. Malta kam hier fast auf die volle Punktzahl. Am Ende wurden es aber nur 61,4 Punkte und Platz sieben. Das lag vor allem am schlechten Wert in der Kategorie „Untertitel/Synchronisation“. Hier stellt sich allerdings die Frage, wie sehr dieser Faktor überhaupt eine Rolle spielen sollte. Angesichts der vielen englischsprachigen Filme und Serien sind Länder mit dieser Amtssprache im Nachteil.

In den Niederlanden sind Filme im Originalton mit Untertiteln hingegen weit verbreitet. Dies fördert laut Preply die Fremdsprachenkompetenzen, weshalb es in dieser Kategorie für die Niederlande die volle Punktzahl gab. Die erreichte unser Nachbar auch beim Zugang zu Technik. 62,8 Punkte bedeuteten am Ende Platz sechs im Sprachen-Ranking.

Zypern war eines von zwei Ländern, die von Preply für den Fremdsprachenunterricht hundert Punkte erhielten. Beim Technikzugang und der Sprachenvielfalt in der Bevölkerung hapert es laut den Experten hingegen. Sie vergaben am Ende 63 Punkte und Platz fünf.

„Europameister im Fremdsprachenlernen“, lobte Preply Finnland. Demnach beherrscht mehr als jeder zweite Finne mindestens drei Fremdsprachen. Die mit 41 Punkten schlechteste Note erhielt das skandinavische Land für die Sprachenvielfalt. 65 Punkte bedeuteten Platz vier.

96 Prozent der Dänen können laut Eurostat mindestens eine Fremdsprache sprechen. Exzellente Bewertungen für das Unterrichtsniveau, den Zugang zu schnellem Internet und Synchronisation verhalfen Dänemark zu 67,2 Punkten und Platz drei.

In keinem EU-Land sprechen mehr Menschen Fremdsprachen als in Schweden. Der Anteil von 97 Prozent brachte dem Land im Preply-Ranking in der entsprechenden Kategorie fast die volle Punktzahl ein. Dass es mit 75,5 Punkten trotzdem „nur“ für Platz zwei in der EU gereicht hat, lag an zwei Kategorien: Sprachenvielfalt (32,2 Punkte) und Amtssprachen (null Punkte).

Luxemburg ist laut dem Ranking das Land in der EU, das seinen Einwohnern eindeutig die besten Bedingungen zum Sprachenlernen bietet. Es „punktet mit einem Bildungssystem, das alle Schulkinder bereits in der Grundschule an eine Fremdsprache heranführt“, urteilte Preply. Zudem trage „die natürliche Sprachdiversität“ in Luxemburg zur Spitzenposition bei. Das Großherzogtum erhielt als einziges Land in drei Kategorien hundert Punkte: Amtssprachen, Fremdsprachenunterricht und Sprachniveau der am besten beherrschten Fremdsprache. Deutschland landete in der Rangliste auf Platz elf. „Fremdsprachige Filme werden in Deutschland fast ausnahmslos synchronisiert gezeigt“, kritisierten die Autoren. Lobend hoben sie hervor: „In keinem Land werden so viele Sprachen gesprochen wie in Deutschland. Hierzulande leben Menschen mit 95 verschiedenen Muttersprachen.“