Nach dem Rat ist vor dem Trilog – wohl selten war diese EU-Binse so richtig wie nach dem gestrigen Treffen der Energieminister in Luxemburg zur Strommarktreform. Im Streit um die Förderung der französischen Atomkraftwerke gab es im Wesentlichen ein Patt zwischen Berlin und Paris. Die entscheidenden Streitpunkte werden wohl erst im Trilog mit dem Parlament geklärt, schon morgen soll es ein erstes Treffen geben.
Mit einem Kniff wurde gestern in der allgemeinen Ausrichtung der nach wie vor schwelende Streit um Differenzverträge (CfDs) für bestehende Kraftwerke verschleiert. Im nun geeinten Artikel 19b gilt zwar nur für Neuanlagen eine Pflicht, eine direkte Preisstützung nur über CfDs zu organisieren, die Abschnitte zur Laufzeitverlängerung von Altanlagen wurden dort gestrichen.
Der Trick mit dem Erwägungsgrund
„Diese Sonderbehandlung, die ausschließlich Frankreich genutzt hätte, konnte nun komplett aus dem Entwurf der EU-Kommission gestrichen werden. Viele Mitgliedstaaten haben die deutsche Position unterstützt“, frohlockten Verhandlungskreise nach dem Beschluss. Doch die Bundesregierung hat ihre Ziele mitnichten erreicht.
Im neu gefassten Erwägungsgrund 30 erhalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, auch das Repowering, die Kapazitätserhöhung und die Laufzeitverlängerung von Bestandskraftwerken über Differenzverträge zu fördern. Damit wäre für Paris auch ein subventionierter Industriestrompreis oder eine Umverteilung an Unternehmen grundsätzlich möglich.
Habeck wollte klare Grenzen
Das Bundeswirtschaftsministerium hatte sich zuvor für klare Kriterien eingesetzt, nach denen die Subventionen begrenzt werden sollten – etwa durch eine Förderquote nach einem EU-Durchschnitt. Stattdessen wurde ein Zusatz aufgenommen, nach dem die EU-Kommission nun nach den üblichen Wettbewerbsregeln entscheiden soll – als ob die nicht ohnehin gelten würden. „Die Regelung ist unklar und es wird noch Streit geben“, sagt Michael Bloss voraus, der im Trilog für die Grünen-Abgeordneten verhandeln wird.
Auch so mancher Mitgliedstaat setzt insgeheim darauf, dass Frankreich in den Verhandlungen mit dem Parlament stärker eingehegt wird. Im Trilog würden Safeguards und Kontrollen sicher noch einmal verstärkt, sagte gestern ein EU-Diplomat nach der Einigung.
Grüne möchten Mindestpreis für Industriestrom
Bloss schwebt nun eine Art Mindestpreis für die Industrie vor. „Die Franzosen können Laufzeitverlängerungen von AKWs durch CfDs finanzieren, aber sie dürfen den Preis nicht so weit runtersetzen, dass es den deutschen Industriestrompreis toppt“, sagt der Parteigenosse von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Atomstrom müsse sich außerdem dem Kostenwettbewerb mit Erneuerbaren stellen.
Die Befürchtung der Gegenseite im Rat formulierte am klarsten der Vertreter der ungarischen Regierung. Die Regelungen für die Atomenergie dürften nicht so komplex sein, dass Investoren in der Praxis abgeschreckt würden. Deutschlands Verbündete wie Luxemburg hatten dagegen versucht klarzumachen, dass es nicht gegen die Atomenergie an sich gehe. Vielmehr verfüge kein anderes Land außer Frankreich über einen so großen AKW-Park und damit so große Möglichkeiten zur Preisstützung.
Polen kann Kohlekraftwerke weiter fördern
Auf Widerstand wird im Parlament auch die weitere Subventionierung polnischer Kohleverstromung treffen. Kapazitätszahlungen für besonders CO2-intensive Kraftwerke waren eigentlich bereits 2019 EU-weit ausgelaufen. Polen war jedoch eine Verlängerung bis Mitte 2025 eingeräumt worden.
Die Regierung in Warschau versäumte es trotzdem, für ausreichend neue Kraftwerke zu sorgen und sah deshalb die Versorgung gefährdet. Der Rat will nun eine weitere Ausnahme bis Ende 2028 gewähren. Man werde die Schlupflöcher für „Polens dreckige Kohleschleudern“ nicht hinnehmen, kündigte Bloss aber an.