Götz Rehn ist ein Unternehmer, der sich in seinen Botschaften von anderen Firmen und Gründern ganz klar unterscheidet – und zwar seit Jahrzehnten. Rehn stellt den Sinn seiner Arbeit vor den Profit, der Mensch steht im Mittelpunkt und weniger ist mehr. Er fordert seit Jahren „Wirtschaft neu zu denken” und im Hinblick auf Nachhaltigkeit umzusteuern.
Gleichzeitig hat er mit Alnatura gezeigt, dass man mit Nachhaltigkeitsprinzipien erfolgreich sein kann. Im Bio-Segment hat Rehn einen Hidden Champion aufgebaut, der zuletzt um 20 Prozent gewachsen ist und die Umsatzmilliarde geknackt hat. 142 Märkte in 67 Städten hat Alnatura, 1300 eigene Produkte, dazu Handelspartner in 14 Ländern und 12.800 Filialen.
Auf die bisherigen Verhandlungen des COP26-Klimagipfels in Glasgow schaut er verhalten. Die Ergebnisse „halten sich in Grenzen“, sagte er im Podcast „Die Stunde Null“. „Wir machen einfach den großen Fehler, dass wir die Erde überlasten.“ Seine Botschaft: mehr Tempo.
Einen oft unterschätzten Hebel sieht er in der Landwirtschaft. „50 Prozent der Biokapazitäten der Erde werden heute nur für Ernährung benötigt“, sagte Rehn. Ein Großteil falle auf den „überzogenen Fleischkonsum“. „Ich bin nicht der Freund davon, dass wir kein Fleisch mehr essen, sondern es ist immer die Frage des Maßes“, sagte Rehn.
Mehr ökologische Landwirtschaft würde Humus aufbauen, der wiederum CO2 bindet. „Und Sie haben sauberes Grundwasser.“ Bisher würden aber zu wenig Landwirte umstellen, 2019 waren es in Deutschland 90.000 Hektar.
Mensch statt Erfolg im Fokus
Beim Wachstum geht es Rehn nicht um Profit, da reichten 1,5 bis zwei Prozent. „Wir geben das Geld lieber in günstigen Preisen an die Kunden weiter.“ Alnatura hatte die Preise in den vergangenen Jahren immer wieder gesenkt und zahlt allen Mitarbeitern 13 Euro. Nun erwartet allerdings auch Rehn Preiserhöhungen wegen der gestiegenen Transport- und Rohstoffkosten.
Als Rehn Alnatura 1984 gründete, hielten ihn viele für einen Idealisten. „Als ich die Ideen vorgestellt habe, haben alle gesagt: Das wird nie funktionieren“, erinnert sich der Unternehmer. Er hat das Gegenteil bewiesen. Dennoch fühlt sich Rehn manchmal wie „eine kleine grüne Ameise zwischen den Pflastersteinen“, die ständig aufpassen muss, nicht von „den großen Tieren“ zerdrückt zu werden. Denn der deutsche Lebensmittelmarkt ist „hart und umkämpft“.
Für ihn sei es „Aufgabe der Wirtschaft, die Entwicklung des Menschen zu fördern“. Er beschrieb sich in dem Podcast als „Wirtschaftsarzt“, der zeigt, dass anderes Wirtschaften möglich sei. Nicht der Erfolg, sondern der Mensch sei das Maß aller Dinge.
Vor einigen Jahren hat Alnatura in Darmstadt auf einem ehemaligen Gelände des US-Militärs eine neue Zentrale gebaut, die mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet wurde. Die Wände des Campus sind aus Stampflehm mit geothermischer Wandheizung, die Frischluft wird aus dem angrenzenden Wald angesaugt, das Wasser kommt aus einer 1000 Kubikmeter großen Regenwasser-Zisterne. Daneben gibt es Kräutergärten, ein Fahrradparkhaus, Ladestellen für E-Bikes und -Autos, einen Waldorfkindergarten – und ein Freilufttheater, wo die Lehrlinge Theater spielen.