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Kommentar Abes Volltreffer

Der dritte Pfeil der Abenomics wird die Wachstumsbarrieren für die japanische Wirtschaft beseitigen. Von Koichi Hamada
Shinzo Abe: Japans Regierungschef will mit weitreichenden Reformen die langanhaltende Stagnation überwinden
Shinzo Abe: Japans Regierungschef will mit weitreichenden Reformen die langanhaltende Stagnation überwinden
© Getty Images

Der japanische Premierminister Shinzo Abe hat seine lang erwartete Wachstumsstrategie vorgestellt – der sogenannte dritte Pfeil seiner als „Abenomics“ bekannten Politik. Eine erste Version des Plans für das japanische Parlament aus dem letzten Jahr wurde von den internationalen Finanzmärkten mit Enttäuschung aufgenommen. Sie hatten eine mutigere Vorgehensweise erwartet. Die neue Version des Plans ist wesentlich robuster – und stieß weltweit auf eine positivere Resonanz.

Im Verlauf der letzten 18 Monate haben der erste und zweite Pfeil der Abenomics – bestehend aus einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik – erfolgreich die Erholung der japanischen Wirtschaft angeschoben. Zunächst haben sie das Preiswachstum angeheizt, wobei der BIP-Deflator für die Inlandsnachfrage von drei Prozent auf fast null zurückging.

Koichi Hamada ist wirtschaftlicher Sonderberater des japanischen Premierministers Shinzo Abe, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Yale sowie Professor Emeritus für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Tokio
Koichi Hamada ist ökonomischer Sonderberater des japanischen Premierministers Shinzo Abe sowie Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Yale University
© Project Syndicate

Darüber hinaus nähert sich das Verhältnis von offenen Stellen zu Bewerbern, das unter Japans letzter Regierung von der Demokratischen Partei auf 0,4 gefallen war, jetzt dem Wert 1,1. Tatsächlich zeigen sich in Japan erste Anzeichen eines Arbeitskräftemangels.

Aber die Möglichkeiten der ersten beiden Abenomics-Pfeile werden bald ausgeschöpft sein. Wenn sich bei wachsender Beschäftigung die japanische Wirtschaft ihrem Produktionspotenzial nähert, werden monetäre Impulse einen Inflationsdruck erzeugen und öffentliche Ausgaben zu einem starken Rückgang der Erträge führen. An diesem Punkt können signifikante Wachstumsraten nur durch die Erhöhung der realen Produktionskapazitäten der Wirtschaft erreicht werden. Genau darauf zielt die neue Wachstumsstrategie ab.

Deregulierung steht im Zentrum

Kernpunkt der Strategie ist die Beseitigung von Wachstumshindernissen für die Wirtschaft, vor allem die Abschaffung oder Vereinfachung von Regulierungsschranken. Deregulierung kann die Innovations- und globale Wettbewerbsfähigkeit des privaten Sektors verbessern, wobei die japanische High-Tech-Industrie ohnehin schon Spitze ist. Einige Bürokraten, die von der Regulierung profitieren, werden wohl Widerstand gegen die Initiative leisten. Doch die ökonomischen Vorteile und Abes Entschlossenheit sind stärker.

Gleichzeitig wird Japan weitreichende Arbeitsmarktreformen umsetzen, ausgewiesene Industrien für ausländische Arbeitnehmer öffnen und „Sonderwirtschaftszonen“ einrichten, wo die Behörden über Befugnisse zum Abbau von Bürokratie in Bereichen wie etwa der Verwaltung landwirtschaftlicher Flächen verfügen. Nach Abschluss der Verhandlungen wird auch die Trans-Pazifische-Partnerschaft – ein regionales Freihandelsabkommen zwischen zwölf Staaten – der japanischen Wirtschaft einen Schub verleihen.

Die womöglich vielversprechendste Reform ist die Senkung der Unternehmenssteuern zur Ankurbelung aus- und inländischer Investitionen. Durch die Förderung der wirtschaftlichen Aktivitäten werden die Einnahmen aus der Unternehmenssteuer steigen.

Investoren anlocken

Im weltweiten Vergleich ist der japanische Körperschaftssteuersatz von 35 Prozent relativ hoch. Allerdings liegt er niedriger als in einigen US-Bundesstaaten (in Kalifornien beispielsweise liegt der Satz bei 40 Prozent), übertrifft aber die Sätze in Deutschland (25 Prozent), China (24 Prozent), Südkorea (24 Prozent), Großbritannien (24 Prozent) und Singapur (17 Prozent).

Vor einem Vierteljahrhundert hatten Großbritannien und Deutschland noch höhere Unternehmenssteuersätze. Aber sie haben seitdem den Wert niedrigerer Steuern erkannt. Großbritannien hat einen regelrechten Steuerkrieg gegen andere Länder geführt, um Investitionen anzulocken. Die Erfahrungen beider Länder zeigen, dass eine substanzielle Verringerung binnen kurzer Zeit mehr bringt als ein allmählicher Abschmelz-Prozess.

Die Auswirkungen dieser Vorgehensweise dürften in Japan, wo nur ein kleiner Teil der Firmen Körperschaftsteuer bezahlt, noch deutlicher zu spüren sein. Ein Grund dafür ist die sparsame Geldpolitik der Bank of Japan unter ihrem ehemaligen Gouverneur Masaaki Shirakawa. Sie hat dazu geführt, dass Japan für mehr als 15 Jahre sein Wachstumspotenzial nicht erreicht hat, bis Haruhiko Kuroda an die Stelle Shirakawas trat.

Japans sogenannte Sondermaßnahmen für die Unternehmenssteuer – Ad-hoc-Bestimmungen, die zu bestimmten Zeiten zur Senkung oder zum Erlass bestimmter Steuern führte – haben ebenfalls zum Erhalt der Unterauslastung der Wirtschaft beigetragen. Diese Regelungen verzerren nicht nur die Ressourcenzuteilung; sie führen auch zu geheimen Absprachen zwischen Managern und Regierungsmitarbeitern, die nach ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst in den privaten Sektor wechseln wollen. Die Abschaffung der Sondermaßnahmen würde zu einem langsamen Anstieg der Einnahmen aus der Unternehmenssteuer führen, ohne das Wachstum zu beeinträchtigen.

Japan kann von Abes Wachstumsstrategie massiv profitieren. Aber sie erfordert auch Opfer. Die Erhöhung der Verbrauchssteuern müssen die Konsumenten tragen; das TTP wird die Landwirtschaft vor neue Herausforderungen stellen und die Deregulierung wird den Interessen einiger Bürokraten zuwiderlaufen. In diesem Kontext ist es zumutbar, dass die Unternehmen auf einen Teil ihrer Steuererleichterungen verzichten.

Die Abe-Regierung hat eine Reihe zukunftsgerichteter Reformen vorgestellt – und scheint entschlossen sie auch umzusetzen, auch wenn das bedeutet, jene mit Eigeninteressen an ihr Versagen zu erinnern. Wenn der dritte Pfeil erfolgreich die ökonomische Wiederbelebung Japans unterstützt, gibt es keinen Grund mehr für Zweifel am Nutzen der Abenomics.

Copyright: Project Syndicate, 2014.

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