Nein, dies ist keine letzte Warnung, möglichst schnell vor dem Papiergeld-Tsunami zu fliehen. In Betongold, Tresorgold oder Goldhamster.
Die Inflation ist derzeit gut unter Kontrolle, und es gibt auch keine Indizien dafür, dass sie morgen oder übermorgen plötzlich ins Galoppieren geraen könnte.
Wenn die Notenbanken nur wollen, dann können sie ihre monetären Zügel jederzeit wieder anziehen. Es bleibt allerdings die Frage, was die Notenbanken denn auf lange Sicht wohl so wollen werden? Die Debatte darüber wird gerade erst so richtig eröffnet.
Die Inflation mag an den Märkten und in den Geschäften kein besonders großes Thema sein - in der Welt der ökonomischen Ideen feiert sie ein spektakuläres Comeback.
Schon längst ist es nicht mehr so, dass die Geldentwertung unter allen seriösen Wissenschaftlern und Wirtschaftspolitikern striktes Hausverbot hat. Dass sie dort bloß als die miese Schlampe gilt, die dem Volk in alten Zeiten mal die Kaufkraft raubte. Die Inflation, die vor 30 Jahren mit enormem Aufwand vertrieben wurde, wird gerade wieder respektabel. Kluge Köpfe in aller Welt holen sie heraus aus der Schmuddelecke und schreiben gegen ihr übles Image an.
Das jüngste und bislang drastischste Beispiel ist ein Blogbeitrag des einflussreichen Nobelpreisträgers Paul Krugman aus der vergangenen Woche. Klartext-Überschrift: „Die Vier-Prozent-Lösung“ (http://krugman.blogs.nytimes.com/2013/05/24/the-four-percent-solution/)
Das übliche Inflationsziel von zwei Prozent, das auch die EZB sich gesetzt hat, sei nichts weiter als „ein Vorurteil“, ätzt der Topökonom Krugman. Es handele sich dabei nur um eine völlig beliebige Konvention, die sich in den „ehrenwerten Kreisen“ halt mal irgendwie festgesetzt habe. Für die fällige Kulturrevolution hat er gleich auch die Aktivistenlosung parat: „Was wollen wir? Vier Prozent! Wann wollen wir sie? Jetzt!“
Notenbanker, hört die Signale!
Für seine theoretische Argumentation zitiert Krugman den US-Ökonomen Lawrence Ball und die schon älteren Vorschläge des IWF-Chefvolkswirts Olivier Blanchard: Eine höhere Inflation hätte zur Folge, dass auch das nominale Zinsniveau höher wäre; damit bekäme die Notenbank gleichsam mehr Wasser unter ihren Kiel.
Droht nämlich eine schwere Rezession, dann könnte sie die Zinsen deutlich senken, und würde dabei nicht durch eine technische Untergrenze behindert. Wie schwierig es ist, bei einem Leitzins von Null die Wirtschaft noch weiter zu stimulieren, hat die jüngste Krise ja in der Tat gezeigt.
Und die beschleunigte Geldentwertung? Krugman & Co. sehen darin letztlich nur eine Art Versicherungsprämie. Ein vertretbares Opfer, dass die Gesellschaft eben bringen muss, wenn sie tiefe Dauerrezessionen besser verhindern will. Gemessen an den gigantischen Kosten einer jahrelangen Wirtschaftskrise sei das bisschen Teuerung doch nun wirklich nur ein Klacks.
Letztlich läuft das Argument also auf eine Abwägungsentscheidung hinaus. Welche Linie sich dabei irgendwann einmal in der internationalen Wirtschaftspolitik durchsetzen wird, ist natürlich offen. Mit einer ganz anderen Begründung hat auch ein deutscher Bundeskanzler schon vor vielen Jahren einmal verkündet, ihm seien fünf Prozent Inflation lieber als fünf Prozent Arbeitslosigkeit. Dummerweise bekam das Land am Ende dann beides und seine Theorie verschwand für immer in der Versenkung.
Klar ist allerdings eines: Selbst wenn vier Prozent Inflation noch kein volkswirtschaftlicher Weltuntergang sind, ist der Unterschied zu dem bisherigen Ziel nicht trivial. Eine „Stabilität des Preisniveaus“, wie sie bislang etwa im Mandat der EZB gefordert wird, ist bei einer solchen Teuerungsrate nur noch schwerlich zu behaupten. Entsprechende Regeländerungen wären wohl nötig.
Die Kaufkraft einer Währungseinheit würde planmäßig doppelt so schnell schwinden wie bisher. Wer dann sein Verhalten änderte, wäre kein Hysteriker, sondern nur rational.