Bei einem Spitzentreffen von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Regierung soll heute in Berlin nach einem Ausweg aus der Inflationsfalle gesucht werden. In einer Videobotschaft sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Wochenende, „wenn wir uns unterhaken und zusammenhalten, sind wir stark“. Die Runde im Kanzleramt erinnert an die „Konzertierte Aktion“ in den 60er- und 70er-Jahren, mit der versucht wurde, durch ein abgestimmtes Vorgehen Wirtschaftseinbrüche und Preisschocks zu überwinden.
Bereits im Vorfeld des Treffens wurde aber klar, wie gegensätzlich die Interessen und Positionen sind. So wehrt sich der Chef der Chemie-Gewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, dagegen, niedrige Lohnabschüsse ins Zentrum des Kampfes gegen die Inflation zu stellen. Im Interview mit Capital sagte er, verantwortlich für die Preissteigerungen seien die hohen Kosten für Energie sowie „Konzerne, die ihre Kostensteigerungen noch mit Gewinnaufschlag weitergeben“.
Umstritten ist auch der Vorschlag einer steuerfreien Einmalzahlung als Anreiz für moderate Lohnabschlüsse. So soll vermieden werden, dass höhere Kosten der Unternehmen die Preise zusätzlich anheizen. Die Gewerkschaften sind aber nicht bereit, auf dauerhafte Verbesserungen wegen einer einmaligen Leistung zu verzichten.
Konkrete Ergebnisse werden von der ersten Gesprächsrunde im Kanzleramt noch nicht erwartet. Auch Scholz sieht die Bemühungen als längeren Prozess. Der Name „Konzertierte Aktion“ geht auf die Zeit der ersten Großen Koalition im Jahr 1967 zurück, als die Bundesrepublik nach den langen Wirtschaftswunderjahren in eine Krise geriet. Der damalige Wirtschaftsminister Karl Schiller von der SPD wollte an einem „Tisch der gesellschaftlichen Vernunft“ Wachstum, Beschäftigung und Preisstabilität sichern. Ein Hauptinstrument hierfür waren moderate Tarifabschlüsse. Diese Politik hatte jedoch bestenfalls zeitweise Erfolg.