Reise Urlaub 2021: nicht ohne meinen Travel Designer

Fregate Island, Seychellen
Fregate Island, Seychellen
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Irgendwann verliert auch das schönste Homeoffice seinen Charme, verlangen die Sinne nach Abwechslung. Ein Ferienziel muss her. Leichter gesagt als gebucht mitten in einer Pandemie. Capital hat vier Reise-Experten nach ihren Profitipps gefragt.

Mal eben kurz den Sommerurlaub buchen, rasch individuell im Internet zusammenklicken, das kann man seit Beginn der Pandemie eigentlich vergessen. Es sei denn, man hat genug (Kurzarbeits-)Zeit, um in separaten Browserfenstern die jeweiligen Einreisebestimmungen, Quarantäneregeln und auch die Auflagen für die Wiedereinreise nach Deutschland geöffnet zu haben. Plus: die Stornobedindungen für Flüge, Shuttle-Transporte, Ferienhäuser, Bootscharter und Hotel-Übernachtungen ...

Klingt wie ein zweiter Job, nicht nach Erholung. Was macht man, wenn die Dinge einen Grad an Komplexität erreicht haben, in dem sich nur ein ausgewiesener Profi noch zurechtfindet? Man bucht sich Kompetenz, was beim Thema Urlaub bedeutet, dass Begriffe wie Reisebüro und die individuellere Variante, das Travel Design, plötzlich weder spießig noch elitär, sondern vor allem hocheffizient klingen. Für ein Stimmungsbild und reichlich Tipps für Fernweh-Betroffene und Erholungssucher hat Capital bei einigen ausgewiesenen Experten um Rat und Inspiration gebeten.

Nancy Mehnert, Gründerin und Inhaberin von BarefootTravelDesign
Nancy Mehnert, Gründerin und Inhaberin von BarefootTravelDesign
© Barefoot Travel Design

NANCY MEHNERT, Gründerin und Inhaberin von Barefoot Travel Design

Worauf haben Ihre Kunden gerade am meisten Reiselust, wo zieht es die Lockdown-Geplagten im Sommer 2021 hin?

Der Wunsch zur Hochzeitsreise ist viel gehegt und ganz intensiv. Entweder aus Vorfreude auf diesen Sommer oder weil bereits im letzten Jahr der Honeymoon ausfallen musste und Paare das endlich nachholen wollen. Und da soll es bei den meisten keine Notlösung sein, lieber warten meine Kunden noch ein paar Monate oder, falls nötig, bis 2022. Einige haben auch ihre Trauung verschoben, die im Ausland und mit Familie sowie Freunden stattfinden sollte. Außerdem gibt es Anfragen zu längeren Auszeiten, als Trost für den ausgefallenen Urlaub 2020. Drei Monate, beispielsweise in Asien, und zwar komplett durchgeplant mit täglichem Sightseeing- oder Erlebnis-Programm. Kurz: Der Nachholbedarf wird immer größer!

Welche Regionen und Ziele liegen besonders im Trend, egal ob bereits buchbar oder eher was für die Wunschliste?

Im Aufwind sind ganz klar die europäischen Ziele. Das waren besonders im letzten Herbst die Kanaren, Madeira und Kroatien mit seinen herrlichen Stränden und unglaublich guter Wasserqualität. Überhaupt bisher noch etwas stiefmütterlich bekannte Regionen wie Mazedonien, Georgien und Armenien. Beliebt sind zudem entlegene Orte in der Toskana oder Südfrankreich, teils auch für Hochzeiten in alten Schlössern oder Burgen.

Bei den Fernzielen konnte ich recht gut Aufenthalte in Namibia und auf den Seychellen organisieren, und sofern Covid-Tests oder Quarantäne verlangt wurden, gibt es dort jeweils 5-Sterne-Lösungen und Privatärzte, um diese Regularien so angenehm wie möglich zu erfüllen. Mein Tipp, wenn es wieder möglich ist: Manches Ziel lässt sich wunderbar auch in eigentlichen Nicht- oder Nebensaisons erkunden, beispielsweise Costa Rica, das ich nahezu als Ganzjahresdestination klassifizieren würde.

Christian K. Rath, Hotel-Experte und Keynote-Speaker
Carsten K. Rath, Hotel-Experte und Keynote-Speaker
© Andor Schlegel Fotografie

CARSTEN K. RATH, Service-Experte, Management-Berater und Keynote-Speaker

Sie haben Ende letzten Jahres in Hamburg die besten 101 Hotels ausgezeichnet. Wie ist gerade die Stimmung in der Branche?

Bei der Preisverleihung hatten die Anwesenden ja bereits einige Monate Erfahrung mit dieser Ausnahmesituation und viel Zeit zur Reflexion gehabt. Für manchen Hotelkonzern ist das jetzt eine gute Gelegenheit, die eigene Position im Markt durch Zukäufe von Häusern zu stärken, die wirtschaftlich ins Straucheln gerieten. Für andere geht es ums blanke Überleben. Den meisten ist zwar klar, dass Hotellerie und Gastronomie nicht systemrelevant sind, wohl aber sozialrelevant, wenn Zwangsschließungen zu Stellenabbau führen.

Was für Veränderungen im Urlaubsgeschmack beobachten Sie?

Die große Frage ist natürlich, ob das die Stunde der Nahziele ist – und bleibt. Ich bin definitiv davon überzeugt, dass die touristische Globalisierung einen Dämpfer bekommt. Nicht nur durch die aktuelle Pandemie, sondern auch weil viele Nationen beginnen, sich selbst die Nächsten zu sein und die Kooperationsbereitschaft deutlich nachlässt. Das wird auch auf das Reiseverhalten abfärben. Das ist nicht nur politisch bedenklich, sondern hat auch positive Aspekte. So ist längst nicht mehr alles, was exotisch und reizvoll galt auch weiterhin besonders beliebt und besser.

Ein ganz konkretes Beispiel finden Sie auf vielen Frühstücksbuffets. Da muss es nicht mehr die Mango im Dezember und die Erdbeere im ganzen Jahr sein, inmitten von 18 anderen Obstsorten. Nein, es reicht auch einfach mal die Birne aus der Eifel und der Apfel vom Bodensee. Lokal, regional, nachhaltig, diese Schlagworte erhalten unter Corona weiteren Auftrieb. Ebenso profitiert sicher die DACH-Region und ländliche Hotels mehr als früher angesagte Innenstadtlagen.

Was kann man als Urlauber tun, um beim nächsten Urlaub die angeschlagene Branche sinnvoll zu unterstützen?

Eins ist ganz klar: Die Vielfalt stirbt, wenn wir sie nicht unterstützen – oder eben buchen. Und Luxus ist in seiner Grundbedeutung nie institutionell, sondern immer individuell. Wenn Sie die persönliche Note suchen, gelebte Qualität und Achtsamkeit, wenn Sie emotional berührt werden wollen, dann wählen Sie unabhängige Häuser oder kleinere, im Geist der Gründer geführtes Portfolio wie Oetker oder Althoff. In der Ferne, so mache ich es auch, vielleicht doch eher die Dependance einer globalen Kette, zu deren Konsistenz im Service man Vertrauen hat. Wir reden ja immer alle vom modernen Menschen, der sich aus der Masse absetzen will, vom Outfit bis zum Auto. Genau diese Individualität wünsche ich mir verstärkt im Reisebereich.

Norbert Pokorny, Gründer von Art of Travel
Norbert Pokorny, Gründer und Inhaber von Art of Travel
© Art f Travel

NORBERT POKORNY, Gründer und Inhaber von Art of Travel

Wo zieht es Ihre Kunden am ehesten hin, wenn die Beschränkungen wieder das Kofferpacken und Ticketbuchen erlauben?

Momentan gilt bei den meisten die Devise: Egal wohin, Hauptsache irgendwann wieder mal weg. Etwas Neues sehen, erleben, den Horizont über Zoom Calls hinaus erweitern … Das kann eine Lodge in Kenia sein, wo man mit 20 anderen Urlaubern auf einem Gebiet von der Größe des Saarlandes extrem sicher entspannt, ein kleines Resort auf den Malediven oder ein Hotel auf Sylt. Stark ist die Nachfrage nach Privathäusern und auch Mehrgenerationen-Ferien mit der eigenen Familie.

Was deutlich ist: Die Kunden schätzen gerade jetzt die Beratung durch Profis, die Reisebeschränkungen, Quarantäneregeln sowie die Möglichkeiten für PCR-Tests und dergleichen für sie beobachten und alles Wichtige organisieren. Außerdem wird echte Nachhaltigkeit mehr und mehr zum Thema, also Anbieter und Unterkünfte, die das Wohl der lokalen Gemeinschaft und der Umwelt über dem Shareholder-Value verorten. Selbst im Luxusbereich wurde in der Vergangenheit hier und da versteckt gespart, manchmal auch greenwashing betrieben. Für sowas haben vor allem anspruchsvolle Kunden wie meine heute ein sehr feines Gespür und eine niedrige Toleranzschwelle.

Stephanie Elingshausen, Gründerin von C&M Travel Design
Stephanie Elingshausen, Gründerin und Inhaberin von C&M Travel Design
© C&M Travel Design

STEPHANIE ELINGSHAUSEN, Gründerin und Inhaberin von C&M Travel Design

Wie wird aus Ihrer Sicht das aktuelle Urlaubsjahr?

Das Fernweh erwacht, 2021 wird aber vermutlich wieder ein Europajahr. Hoch im Kurs stehen einsame, naturverbundene Ziele: viel Platz, viel Luft, wenig Leute. Das gilt für klassische Sommerziele wie Island, Norwegen, Finnland, Irland und Schottland ebenso wie für Fernziele wie die Seychellen oder die Malediven.

Welche „Geheimtipps“ können Sie unseren Lesern ans Herz legen?

Wenn die Grenze nach Indien wieder geöffnet werden, dann ist Ladakh ein Traumziel. Die Region, im Norden Indiens wird nicht umsonst „Little Tibet“ genannt. Hier am Fuße des Himalajas leben die Menschen noch wie vor Hunderten von Jahren. Ich organisiere dort für meine Kunden individuelle Rundreisen durch verschiedene Dörfer mit Übernachtungen in Privathäusern voller Geschichte. Der eigene Guide plant von dort Ausflüge in die atemberaubende Berglandschaft, die Klöster und zum Rafting.

Der afrikanische Kontinent ist bislang recht gut durch die Pandemie gekommen, viele Länder haben schon jetzt ihre Grenzen geöffnet und können bereist werden. Uganda ist einer dieser Geheimtipps, salopp ausgedrückt ein Wahnsinnsland! Dort besuchen meine Kunden etwa die seltenen Berggorillas im Bwindi- oder im Mgahinga-Nationalpark. Den Silberrücken ganz nahezukommen, das ist ein echtes Herzschlagerlebnis! Danach geht es weiter zu den quirligen Schimpansen im Kibale-Forest oder in den Queen Elizabeth National Park, wo man auf Safari dann Zebras, Antilopen und Leoparden beobachten kann.

Wen es in den Norden zieht, dem empfehle ich Octola in Lappland, eine Lodge der Extraklasse, die tief im Wald verborgen liegt, umgeben von subarktischer Wildnis. Da fühlt man die große Freiheit!

Die Krise muss Ihre Arbeit deutlich verkompliziert haben, oder?

Das stimmt! Der Job ist sehr viel beratungsintensiver geworden. Wir brauchen heute mehr denn je tagesaktuelle Informationen über Einreise und Quarantänebestimmungen, und müssen auch was die rechtliche Lage angeht, immer top informiert sein. Natürlich auch bei den Stornobedingungen. Da ist Transparenz ganz wichtig, also den Kunden klar die Risiken und tatsächlichen Möglichkeiten aufzuzeigen.

Wie blicken Sie in die nächsten Urlaubssaisons?

Grundsätzlich werden in den kommenden ein bis zwei Jahren Massenziele wohl eher gemieden. Private Häuser, Villen, kleine Boote und Yachten dürften großen Hotels vorgezogen werden. Doch so schlimm die Krise war und teils noch ist, die positive Entwicklung ist sicherlich, das Kunden eine persönliche Beratung und Betreuung wieder zu schätzen wissen und erkennen, dass ein Internet-Schnäppchen all das eben vermissen lässt.

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