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Luxusuhren Sturm im Schampusglas: Patek Philippes Uhrenneuheit „Cubitus“

Das Zifferblatt der „Cubitus“ (Ref. 5822P) zitiert bewusst die horizontalen Reliefstreifen der „Nautilus“
Das Zifferblatt der „Cubitus“ (Ref. 5822P) zitiert bewusst die horizontalen Reliefstreifen der „Nautilus“
© Patek Philippe
Ein Leak in den USA und Verrisse noch vor der Weltpremiere in München: Dieses Uhren-Debüt hatte sich Patek-Chef Thierry Stern wohl anders gedacht. Doch wozu eigentlich die ganze Aufregung?

„Jetzt werden Sie die Neue ja gleich sehen“, lacht Thierry Stern am Ende der Presserunde. Er grinst breit und seine Augen blitzen wie die eines Kindes vor der Bescherung. Zuvor hat der Präsident von Patek Philippe im mit lilafarbenen und weißen Hortensien dekorierten Besprechungsraum der deutschen Zentrale nahe dem Odeonsplatz geduldig Fragen beantwortet. Ein Coup übrigens für die von Yannick Michot geführte Dependance, eigentlich würde man so ein Event eher am Stammsitz in Genf oder in boomenden Metropolen wie Schanghai, Tokio, New York oder Dubai erwarten. Doch diesmal entschied sich Patek Philippe für München.

Stern referierte an diesem Tag ausführlich, wie und warum er neue Uhren kreiert. Wie er Patek in die Zukunft führen will, und weshalb die neue Modellfamilie „Cubitus“ perfekt zu Strategie, Philosophie und Historie des Unternehmens passt. Die Produktlancierung hatte derweil schon vor dem Eintreffen der über 600 Journalisten und Handelspartner aus Europa, den USA und Asien in der bayerischen Landeshauptstadt manches Gemüt erhitzt. Online.

Auslöser war ein im amerikanischen Magazin „Fortune“ platziertes Anzeigenmotiv der sportlichen Uhr, das bereits vor Ablauf der medialen „Schweigepflicht“ auf sozialen Plattformen und in Diskussionsforen die Runde machte. Ehe ein Mensch außerhalb des Unternehmens die markante „Cubitus“ in Augenschein oder in die Hand nehmen konnte, schien das Urteil gefällt: Dieser Newcomer war nicht sonderlich willkommen – zu nah am Design der Schwester-Linien „Nautilus“ und „Aquanaut“. Ähnlich gar konkurrierenden Zeitmessern von Cartier oder Gerald Charles. Und dann der kryptische Name, der nach „einer Krankheit klinge“, nach „Exitus“. 

Laut Patek-Chef Thierry Stern werden auf dieses „Cubitus“-Trio weitere Modell-Varianten folgen
Laut Patek-Chef Thierry Stern werden auf dieses „Cubitus“-Trio weitere Modell-Varianten folgen
© Patek Philippe

Bei genauerer Betrachtung der „Biester“, während einer „Touch & Feel“-Session, lässt sich die Entrüstung der Web-Diskutanten nur schwer nachvollziehen. Stimmt, alle drei „Cubitus“-Modelle (Durchmesser: 45 mm) sind annähernd quadratisch, durch die abgeschrägten Kanten zudem quasi auch achteckig. Aber ist das frevelhaft bei geschätzt 85 Prozent runder Uhren im Markt? Wohl kaum. 

Das Flagschiff trägt die Ref. 5822P, hat ein Platingehäuse und ein blaues Zifferblatt (86.910 Euro). Die Modellnummer 5821/1AR ist aus Stahl und Roségold (60.260 Euro), und das Einsteigermodell, wenn man das bei 40.560 Euro so formulieren möchte, ist mit einem olivgrünen Gesicht ausgestattet und komplett aus Edelstahl gefertigt. 

Das quer gestreifte Relief sei dabei ein bewusster Verweis auf die legendäre „Nautilus“, erklärt Stern: „Ich muss nicht ständig das Rad neu erfinden, aber ich wollte auch keine ‚Tank’ [von Cartier] kopieren. Stattdessen haben wir auf die ,Nautilus' geschaut und auf die ,Aquanaut', auf Uhren, die unsere Kunden bereits lieben. Von den besten Aspekten haben wir uns inspirieren lassen und etwas ganz Neues daraus kreiert. Mit unserem Design, unserer technischen Expertise, unseren Farben, unserer finissage.“

Wie bei jeder Uhr von Patek Philippe zählt und bezahlt man gleichermaßen für die vollendete Optik wie für das, was unter der Haube steckt. In diesem Fall das Werk Kaliber 240 PS CI J LU, das auf dem flachen Kaliber 240 basiert, jedoch 104 zusätzliche Teile umfasst – und trotzdem mit 4,76 Millimetern nur geringfügig höher ist. Es besitzt je ein Hilfszifferblatt für den Wochentag, die Sekunden sowie die Mondphasen. Und ein besonders gut ablesbares Großdatum: „Mein Vater hat bei jeder Uhr mit Kalender, deren Entwurf ich ihm präsentierte, immer eine Anmerkung gehabt: ,Mach das Datum größer, mach das Datum größer'.“

Sechs Patente meldete die Manufaktur an, darunter für die Energieversorgung der augenblicklich springenden Anzeigen für Kalender-, Wochentag und Mondphase – und für deren komfortable Korrektur über drei Drücker. Ein Schnellschuss, um auf irgendwelchen Trendwellen mitzureiten, sieht definitiv anders aus. Vor allem bei sechs Jahren Entwicklungszeit für das Werk und vier Jahre davon gleichzeitiger Arbeit an der Uhr.

Das Werk der „Cubitus“ ist aus 353 Einzelteilen konstruiert und dennoch nur 4,76 mm hoch
Das Werk der „Cubitus“ ist aus 353 Einzelteilen konstruiert und dennoch nur 4,76 mm hoch
© Patek Philippe

Im Gespräch äußert sich Thierry Stern gut gelaunt und sehr entspannt zu sämtlichen Themen rund um „Cubitus“. Hier einige Höhepunkte seiner Ausführungen:

Über den Entwicklungsstart der „Cubitus“: „Ich liebe es, mein Team und den Markt zu überraschen. Es gab keinen konkreten Moment, keine Marktforschung, dafür den lange gehegten Wunsch nach einer quadratischen, betont sportiven Uhr. Nur dauert es einfach, bis man die Muße findet, den Zeitgeist als stimmig wahrnimmt – und als Chef des Unternehmens aus tiefster Überzeugung sagen kann: ,Jetzt bin ich bereit und entschlossen, diese Uhr zu machen.' Und jetzt macht es mir großen Spaß!“

Über den Namen des neuen Modells: „Den hatte ich schon im Kopf, ehe wir den ersten Entwurf zu Papier gebracht hatten. Ich habe keine Ahnung, warum. Cube ist der Würfel, also ein Quadrat, und ,Cubitus' ähnelt ,Nautilus'. Niemand im Markt benutzte das Wort, es lässt sich weltweit aussprechen und man kann es sich gut merken. C’est ça.“

Über die Präsentation einer neuen Produktlinie: „Wir müssen die Marke immer wieder mit Leben füllen und auf Kundenwünsche eingehen. Ja, wir stellen 15 bis 20 Neuheiten pro Jahr vor. Die letzte neue Kollektion aber eben anno 1999. Die ,Twenty-4' durfte ich entwerfen, damals war ich in der Designabteilung tätig. Wie sie wird auch die ,Cubitus'-Familie weiteren Zuwachs bekommen, ganz sicher.“

Über Edelstahl und Edelmetall: „Wenn wir uns auf Stahluhren konzentrieren würden, könnten wir nicht überleben, weil wir deren Anteil bei 40 Prozent deckeln. Wir wollen auch nicht im Image darauf reduziert werden. Zur Patek-DNA gehören Uhren aus Gold und Platin, dazu Werke der Kategorie ‚Grandes Complications‘.“

Über zu mutiges Vorpreschen: „Bei Patek pflegen wir kein Ego, das verleitet nämlich dazu, irgendwelchen Sensationen nachzujagen und möglicherweise den Kunden wie dem Markt unüberbrückbar voraus zu sein. Manchmal sind Innovationen eine Nummer kleiner, mit gesunder Erdung versehen – und trotzdem ungemein spannend.“

Über technische Zukunftspläne: „Oft beginnt die Reise einer neuen Uhr ja mit einem Werk, ohne dass man schon weiß, in welches Gehäusedesign es einmal verschalt werden wird. Aktuell wissen unsere Uhrmacher und Ingenieure bis ungefähr ins Jahr 2039 hinein, an welchen Werken, Werksteilen und Komplikationen sie arbeiten müssen.“

***

Wer nach der Präsentation der „Cubitus“ noch einmal in Ruhe über den Sturm im Champagnerglas nachdachte, den der Leak ausgelöst hatte, der fühlte sich ins Jahr 2019 zurückversetzt. Auf die Fachmesse SIHH in Genf, die heute Watches & Wonders heißt. Dort wagte es François-Henry Bennahmias, damals noch CEO von Audemars Piguet, eine runde Uhrenneuheit vorzustellen. Rund! Die Uhrenbranche reagierte empört: Welch ein Verrat am achteckigen Bestseller „Royal Oak“. Ein Management-Fauxpas sondergleichen. Noch dazu der alberne Name: „Code 11:59“. Bei Audemars sei es ja nun wohl eher fünf vor zwölf. Hahaha.

Heute, so hört man, trägt diese einst belächelte Linie etwa zwölf Prozent zum Umsatz bei und hat dem recht eingleisigen Portfolio der Manufaktur aus Le Brassus eine wichtige, runde Facette hinzugefügt. Wer nämlich zum „one-trick pony“ wird, riskiert bei einem Umschwung des Kundengeschmacks recht fiese Absatzprobleme.

Das weiß auch Thierry Stern, weshalb er schon im Februar 2021 das Aus für das „Nautilus“-Modell mit der Referenznummer 5711 verkündete. Eine stark nachgefragte Stahluhr – wer eine ergatterte, konnte sie direkt am nächsten Tag „flippen“. Für ein Vielfaches des fünfstelligen Verkaufspreises. In der Pandemie und dank niedriger Zinsen floss reichlich Geld in Luxusgüter als Sach-Investments, sodass sich der Markt für Gebrauchtuhren heiß lief. Als Spielzeug auf Profit fixierter Anleger, die sonst Kryptomünzen mit Hundekonterfeit im Depot stapeln.

Nein, so sollten die Uhren der 1839 gegründeten Marke nicht gesehen werden. Nicht zuletzt zum Schutz der Käufer, die den legendären Slogan wörtlich nehmen, nach dem man eine Patek nicht besitzt, sondern für die Nachwelt aufbewahrt. Zu viel Hype schadet da nur. Stern hat keine Aktionäre, kann also seinem Gespür vertrauen und darf auch übermächtig zu werden drohende Bestseller ausbremsen. „Einige Kunden sprechen eher vom Investieren in eine Patek denn vom Kauf“, sagt der 54-jährige Präsident des Unternehmens. „Solange derjenige die Uhr trägt, habe ich mit dem Begriff kein Problem. Er setzt mich allerdings schon etwas unter Druck, schließlich erwartet ein Investor mindestens Wertstabilität.“

Natürlich will Patek Philippe mit diesem auffälliger am Arm liegenden Modell jüngeren Käuferschichten ein neues Angebot unter den 140 verfügbaren Modellen machen. Wird die „Cubitus“ ein wenig am Erfolg von „Nautilus“ und „Aquanaut“ knabbern, weil man die Quote der Stahluhren an der Gesamtproduktion von 72.000 Modellen im Jahr begrenzt? „Definitiv“, räumt Stern ein. Und grinst. Mit dieser erst im Detail „wilden“ Uhr, das merkt man dem Chef und obersten Gestalter von Patek Philippe während dieser zwei Tage in München deutlich an, hat er sich endgültig freigeschwommen.

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