Die Reiselust der Deutschen ist auch nach der Pandemie ungebrochen. Als warteten die Menschen auf den Startschuss, schnellten die Urlauberzahlen mit dem Ende der Corona-Maßnahmen in die Höhe. 64 Prozent planen laut einer Tui-Umfrage in diesem Jahr zu verreisen oder haben bereits Urlaub gebucht. Doch Inflation und hohe Energiepreise machen auch vor den Ferienregionen nicht halt und Reiseveranstalter erhöhen die Preise. Markus Heller berät die Reisebranche und sammelt mit seiner Nürnberger Firma Travel Data + Analytics GmbH (TDA) weltweit Daten zu Urlaubstrends.
Herr Heller, kann sich die Mittelstandsfamilie angesichts der hohen Inflation den Strandurlaub überhaupt noch leisten?
MARKUS HELLER: Ja und Nein. Wir haben beobachtet, dass in Summe die Deutschen fast genauso viel Geld wie vor der Pandemie für das Reisen ausgeben. Jedoch ist zu erkennen, dass ein Teil der Bevölkerung gerade abwartet und noch nicht gebucht hat oder die Ansprüche teilweise zurücknimmt. Damit der Urlaub finanzierbar bleibt, werden die Ansprüche heruntergeschraubt. Die meisten Leute machen also noch Urlaub, aber achten mehr auf die Kosten. Besonders preissensible Kunden schichten bei ihren Buchungen um. Wer früher im oberen Mittelklasse-Segment Urlaub machte, bucht heute eher die untere Mittelklasse. Im Luxus-Segment lassen sich hingegen keine großen Veränderungen beobachten.
In welchen Gegenden wird der Sommerurlaub besonders teuer?
Im westlichen Mittelmeerraum fallen die höchsten Ausgaben pro Person und Nacht an. Die höchsten Ausgabesteigerungen sehen wir aktuell für Ägypten und die Türkei. Für den Urlaub am Mittelmeer wird in diesem Sommer circa 10 bis 15 Prozent mehr ausgegeben werden müssen als noch im Vorjahr.
Woran liegt das?
Flüge, Hotels und auch das auswärts Essen gehen – alles wird teurer. Das schreckt die preisbewussteren Urlauber ab und macht dafür Regionen, wie die Türkische Mittelmeerküste mit einem umfassenden All-Inclusive-Angebot planbarer und attraktiver. Wenn es aber doch die Algarve sein soll, lohnen sich Frühbucher-Rabatte oder Last-minute-Angebote.
Heißt das, die Strände in Spanien werden in diesem Jahr leer und türkische Küsten dafür überfüllt sein?
Ganz so drastisch wird es nicht. Auch Spanien darf sich auf deutlich mehr deutsche Urlauber freuen als in den letzten beiden Jahren. Aber die Zahlen der TDA zeigen, dass das Buchungsvolumen in dieser Region weniger stark wächst als beispielsweise im östlichen Mittelmeerraum.
Wie kommt das?
In Tunesien, Ägypten oder der Türkei sind die Preise für Urlauber natürlich auch angestiegen. Trotzdem ist eine Woche Strand in dieser Region immer noch weitaus günstiger als in Westeuropa. Das zeigt sich auch an den Buchungszahlen: Im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten sind Türkei-Buchungen um 25 Prozent angestiegen und Tunesien feiert sein Comeback als beliebtes Urlaubsland. Die Strände dort werden also belebter.
Die Türkei und Tunesien sind bekannt für die All-Inclusive-Hotels. Das türkische Antalya am Mittelmeer ist ein Pauschalreise-Paradies. Hat der oftmals totgesagte Pauschalurlaub also doch eine Zukunft?
Totgesagte leben länger. Seit Jahren wird in der Reisebranche ein Abgesang auf das Konzept Pauschalurlaub angestimmt. Doch die Buchungszahlen sind konstant hoch – sie steigen sogar.
Widerspricht der Erfolg der klassischen Pauschalreise nicht dem wachsenden Anspruch nach Individualität?
Ja, der Trend geht Richtung Individualreisen. Das steht aber nicht im Widerspruch zu den vielen Pauschalbuchungen. Zwei Gründe sind dafür ausschlaggebend: Erstens können Reiseveranstalter ihre Angebote auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden immer besser anpassen. Und zweitens bieten Reiseveranstalter eine Kundenbetreuung, die fehlt, wenn man sich selbst auf verschiedenen Websites den Urlaub zusammenstellt. Wenn etwas auf der Reise schiefgeht, haben die Kunden einen Ansprechpartner und sind über den Reiseveranstalter versichert. Sie schätzen das.
Ist dieses Sicherheitsbedürfnis ein Überbleibsel der Pandemie?
Als die Pandemie ausbrach, wurden Urlauber auf der ganzen Welt von den Reiseveranstaltern zurückgeholt. Das Bedürfnis nach Sicherheit ist in den letzten Jahren größer geworden und das können Pauschalangebote eben ganz gut bedienen.
Worauf werden Sie dieses Jahr bei der Urlaubsbuchung achten?
Sicher empfiehlt es sich, frühzeitig zu buchen. Die TDA-Zahlen zeigen, dass Reisen eher nicht günstiger werden, viel eher gehen wir davon aus, dass die Kapazitäten knapp werden könnten.