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Preisauftrieb Warum die Inflation trotz aller Gegenmaßnahmen so hoch bleibt

Streikende stehen mit einem Schild mit der Aufschrift "87% Inflation - Wo bleibt der Ausgleich"  auf einem Platz
Warnstreik im Öffentlichen Dienst: Die Gewerkschaft Verdi ist mit einer hohen Lohnforderung in die Tarifrunde gegangen – wegen der anhaltend hohen Inflation
© Federico Gambarini / picture alliance/dpa
Die EZB erhöht die Zinsen, die Regierung senkt Steuern und bezuschusst Energie. Doch die hohe Inflation bleibt zunächst. Ab März könnte sie aber sinken

Wer hat den Deutschen nicht alles versprochen, dass die Inflation bald wieder sinkt? EZB-Chefin Christine Lagarde sagte beim Neujahrsempfang der Deutschen Börse: „Wir müssen die Inflation senken. Und wir werden liefern.“ Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck stellte wenige Tage später bei einer Regierungserklärung gar fest: „Wir haben den Trend der Inflation gebrochen.“ Das war Ende Januar als beide nur die Inflationsrate aus dem Dezember 2022 kannten. Die lag mit 8,1 Prozent erfreulich niedriger als im November mit 8,8 Prozent. Eine Trendwende, so schien es damals.

Doch dieser Tage ist von einer Trendwende nichts zu spüren. Stattdessen schimpfen Supermarktkunden über Gurken für 3,49 Euro und Paprika für knapp 10 Euro. Auch die Experten beim Statistischen Bundesamt errechneten für Januar und Februar durchschnittliche Preisanstiege von jeweils 8,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Dabei sollten doch die gestiegenen Zinsen von Lagardes EZB sowie Strompreisbremse und Steuersenkungen der Bundesregierung die Inflation senken. Klappt das nicht?

Zunächst einmal muss man klarstellen, dass Habeck und Lagarde die Preisansteige schon wirksam bekämpft haben. Gegenüber dem vergangenen Februar wirkten gleich mehrere Regierungsmaßnahmen steigenden Energiepreisen entgegen: etwa die Abschaffung der EEG-Umlage beim Strom, die Steuersenkung auf Gas und Fernwärme und die Strompreisbremse. Doch trotz dieser Maßnahmen waren Öl, Gas, Strom und Co. im Februar 2023 etwa 19 Prozent teurer als im Februar 2022. 

Ab März könnte die Inflation sinken

Ein Grund, warum die Inflation dennoch so hoch ist, sind sogenannte Zweitrundeneffekte. Obwohl der Preisauftrieb fast ausschließlich von den Energiepreisen ausging, haben diese auch die Herstellung und den Transport von anderen Waren verteuert. Die Nahrungsmittelpreise liegen auch daher über 20 Prozent über den Preisen des Vorjahresmonats.

Doch es gibt auch leichten Grund zur Hoffnung. Bisher blieb die Inflation auch deswegen so hoch, weil bei der Inflationsmessung immer die Preise des aktuellen Monats mit denen des Vorjahresmonats verglichen werden. Im Februar 2022 waren die Energiepreise zwar schon höher als etwa zu Coronazeiten. Doch der große Preissprung kam erst im März nach Beginn des Ukrainekriegs. Wenn nun ab März hohe Preise mit den ohnehin hohen des Vorjahresmonats verglichen werden, wirkt das dämpfend auf die Inflationsrate.

„Nach dem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine wird die Inflation von jetzt an deutlicher fallen. Künftig wird das aktuelle Preisniveau, mit dem bereits durch den Kriegsausbruch beeinflussten Vorjahresniveau verglichen“, bestätigt auch Friedrich Heinemann, Ökonom am Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Inflationserwartungen treiben die Preise

Zudem greifen ab März auch die Gas-, und die Wärmepreisbremse, die nach demselben Mechanismus wie die schon aktive Strompreisbremse funktionieren. Der Preis wird dann ab März für 80 Prozent des Verbrauchs gedeckelt, bei Gas auf 12 Cent pro Kilowattstunde, bei Fernwärme auf 9,5 Cent pro Kilowattstunde. Auch das wird die Inflation etwas drücken. Ein kompletter Rückgang auf das Zwei-Prozent-Inflationsziel der EZB liegt aber wohl noch in weiter Ferne.

Die im März mit Sicherheit beginnende Abwärtstrend habe aber trotzdem wenig Aussagekraft in Bezug auf die langfristige Dynamik der Inflation, so Heinemann. Denn wichtiger seien die Trends bei den Inflationserwartungen. „Die liegen auch auf Sicht von zwei Jahren immer noch deutlich über dem Vorkriegsniveau. Das Vertrauen in eine preisstabile Zukunft der Eurozone bleibt erschüttert.“

Wenn die Menschen erwarten, dass die Inflation weiter steigt, dann können sie auch höhere Löhne fordern, was ihre Arbeitgeber wiederum dazu verleiten könnte, ihre Preise zu erhöhen. Mit so einer Lohn-Preis-Spirale würde sich die Inflation verfestigen. Die Bundesbank warnte kürzlich vor so einer Dynamik, um gleichzeitig festzustellen, dass es noch nicht so weit sei in Deutschland.

Preisauftrieb: Warum die Inflation trotz aller Gegenmaßnahmen so hoch bleibt

Die Geldpolitik scheint zu wirken

Beim großen Bruder der Bundesbank, der EZB rechnet man hingegen schon mit einer sinkenden Inflation. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane sagte am Dienstag in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters: „Die Einzelhandelspreise für Waren sind immer noch sehr hoch. Aber die Vorprodukte waren bisher ein guter Indikator für den Preisdruck. Die Tatsache, dass diese günstiger werden, unter anderem weil sich Lieferengpässen entspannen, deutet darauf hin, dass die Inflationsrate für Energie, Lebensmittel und Waren deutlich zurückgehen wird.“

Zudem sieht er erste Effekte der höheren Leitzinsen der EZB. Man könne schon eine deutliche Erhöhung der Kreditzinsen, einen Rückgang der Immobilienpreise und höhere Kreditzinsen beobachten, die allesamt dazu führten, dass die Nachfrage nach Energie und anderen Waren zurückgehe.

Kurz gesagt: Der Preisdruck sinkt, während die Regierungshilfen zunehmen. Ein gutes Zeichen, auch wenn es noch etwas dauern könnte, bis die Inflation wieder dem Zwei-Prozentziel nähert.

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