„Meine Perle“, diesen Beinamen trägt Hamburg wirklich zurecht, schließlich gehört die Luxushotellerie der Hansestadt seit vielen Jahren zur Champions League der Branche. Angeführt vom legendären Vier Jahreszeiten unter Direktor Ingo Peters liegt zwischen Elbe und Alster die Zahl der Top-Häuser gleichauf mit deren Qualität. Doch auch direkt darunter, sozusagen in der Bundesliga, entwickelt sich die Herbergen-Landschaft in Hamburg aktuell prächtig.
Insbesondere zwei General Manager machen hier von sich reden. Zum einen André Vedovelli, der nach seinem langjährigen Engagement für das Grand Elysée kürzlich das Alsterufer wechselte und nun dem Hotel Atlantic zu neuem Glanz verhelfen will. Das ehemalige Flagschiff, wenige Schritte vom Jungfernstieg entfernt, wird zurzeit renoviert und soll unter Vedovellis sicherlich ehrgeiziger Leitung zu der Klasse zurückfinden, die es über viele Dekaden besaß.
Immerhin die Restaurants des Atlantic sind bereits wieder geöffnet, und im „Grill & Health“ – ein Name, der sich mir leider kaum erschließt – spürt man reichlich frische Energie. Küchenchef Lucas Müller gelingt es hervorragend, kulinarische Moderne zu wagen und trotzdem an Klassikern wie der Seezunge festzuhalten, die in diesem Haus einfach auf der Karte stehen muss!
Das Herz eines Hotels schlägt in der Lobby
Eine solche Frischzellenkur hat das Le Méridien, eröffnet im Herbst 2003 und nur rund 300 Meter vom Atlantic entfernt, erfolgreich hinter sich gebracht. Das Haus ist die Wirkungsstätte von Gordon A. Debus, dem zweiten oben erwähnten General Manager, der Hamburgs Hotelszene gerade wichtige Impulse gibt. Debus erwarb sich seinen guten Ruf als Direktor des Hotel de Rome von Sir Rocco Forte in Berlin.
Nun haucht der erfahrene Grandhotelier dem Le Méridien, einem eher kühlen Businesshotel, ein neues, gefühlsbetonteres Leben ein. Und zwar nicht von einem anonymen Büro in den Katakomben aus, sondern mitten in der Lobby, mittendrin im Geschehen. Hier steht er als Dirigent am Pult und gibt den Takt des Hotels vor, ist dessen Gesicht für die Gäste und leitet die Mitarbeiter durch die Partitur des Hotelalltags. So wie es sich meiner Meinung nach für ein gutes Hotel gehört.
Die Rückkehr des Grandhoteliers
Diese direkte Art der Führung färbt meinem Erleben nach auf die Mitarbeiter ab: Sie sind offen, freundlich, nahbar. Nirgendwo werde ich nach meiner Zimmernummer gefragt, überall mit Namen begrüßt. Statt Problemen gibt es hier nur Lösungen, und ich habe das Gefühl, alle sind irgendwie „da“. Nicht nur bemüht, die Prozesse reibungslos ablaufen zu lassen. Dass man die Mitarbeiter in vielen anderen Businesshotels nicht „spürt“, muss man allerdings den Vorgaben der jeweiligen Direktion anlasten, die effiziente Abläufe nicht immer als im Dienst der Gäste stehend begreifen, sondern als Selbstzweck betrachten. Nicht so im Le Méridien.
Eine Erkenntnis übrigens, die sich in letzter Zeit nicht nur bei Aufenthalten im Atlantic oder Le Méridien verfestigt und die ich als „Die Rückkehr des Grandhoteliers“ bezeichnen würde. Die Lobby als leidenschaftlich pochendes Herz des Hotels, die Wiederentdeckung der Liebe zu den Gästen und der Wertschätzung der eigenen Mitarbeiter scheint wirklich ein Trend zu sein. Selbst bei Großkonzernen, wo die „customer journey“ gern am weit entfernten Firmensitz festgelegt wird und die ihre Hoteldirektoren gern mit zahlreichen täglichen Reportings triezen. Als würde die Bindung zwischen Gast und Hotel in Excel-Tabellen und am Schreibtisch beginnen. Ein Abschied solcher Prioritäten wäre wahrlich ein Gewinn für uns alle.
Während meiner zwei Tage im Le Méridien habe ich mich ausgesprochen wohlgefühlt. Allein der Blick aus den bodentiefen Fenstern über die Außenalster ist ein echtes Highlight und die Dachterrasse sucht in Hamburg ihresgleichen. Zugleich bietet dieses exzellente Businesshotel aber eben auch vielfältige Meeting- und Konferenzoptionen, gerade in den neu angebauten Trakten. Und, für ein Haus dieser Spezialisierung eher ungewöhnlich, ein sehr gutes Spa mit Sauna, Innenpool und gut ausgestattetem Fitnessbereich.
Ich freue mich sehr, dass sich sowohl das Atlantic als auch das Le Méridien anschicken, wieder führende Rollen zu übernehmen. Im November erscheint in Kooperation mit Capital das Ranking der „101 Besten Hotels Deutschlands“ und ich bin gespannt, welche Listenplätze die beiden Häuser besetzen werden. Das sie zu den ausgezeichneten Hotels gehören dürfte keine Frage sein. In unterschiedlichen Kategorien, natürlich: das Le Méridien als modernes Business- und Stadthotel, das Atlantic als Grandhotel.
Vom Nischenakteur zum Big Player
Interessant ist außerdem, dass das Le Méridien zur Gruppe Munich Hotel Partner gehört, kurz: MHP, die bisher etwas unterhalb des Radars agierte, in letzter Zeit jedoch einige sehr gute Häuser integriert hat. Spätestens mit der Übernahme des luxuriösen Königshof Luxury Collection in München ist MHP plötzlich in aller Munde. Zehn weitere Premium- und Luxushotels gehören zum Portfolio: die Le-Méridien-Häuser in München, Hamburg, Stuttgart und Wien, das Sheraton am Düsseldorfer Flughafen, das Hotel Luc Autograph Collection in Berlin, das JW Marriott Frankfurt, das Basel Marriott Hotel, das MOONS in Wien und Conrad Hotel in Hamburg – eine Deutschlandpremiere.
Dass man bei alledem etablierte Konkurrenten ausgestochen hat, beweist, dass MHP ein ernstzunehmender Player geworden ist. Die Gruppe pachtet und managt, bei Marriott ist sie Franchise-Nehmer, verfügt allerdings bisher nicht über eine Eigenmarke. Mit dem Königshof wagt man sich jetzt in die Nobelklasse vor und mit dem Conrad in Hamburg prescht man ebenfalls mutig voran – als Franchisee mit einer hierzulande neuen Hotelmarke. Doch gerade diese Dynamik tut der Branche und der Hansestadt gut.