Sie statten die Elbphilharmonie mit Möbeln aus, eröffnen mit Ende 20 ihr eigenes Atelier oder gestalten ausgefallene Möbel, die sich in einer halben Stunde selbst aufbauen lassen – die neue Generation der Designer in Deutschland ist einfallsreich. Sie geht neue Wege und bewahrt gleichzeitig die Tradition.
Da sind zum Beispiel Simone Lüling, die ausgefallene Lampen und Leuchten aus mundgeblasenen Glaskörpern in verschiedenen Farben entwirft oder Mareike Lienau, die Teppiche in verschiedenen Formen designt, die in Nepal nach Fairtrade-Grundsätzen von Hand geknüpft werden.
Die Bandbreite ist groß: Die Werke der neuen Designergeneration sind mal ausgefallen, mal schnörkellos, mal sind sie Dekoration, mal praktische Möbelstücke. Die Designer haben ihren eigenen Stil und haben sich längst einen festen Platz in der deutschen Design-Landschaft erarbeitet.
Das sind acht Designer der neuen Generation:
Freischwinger

Für die Objekte von Eloa aus Berlin ist die Bezeichnung Lampe fast zu schnöde: Die Idee zu ihrem Label Eloa kam der gebürtigen Schweizerin Simone Lüling im Rahmen eines Auftrags, bei dem sie eine unübersichtliche Loftetage einzig durch die Beleuchtung in verschiedene Zonen und Stimmungen unterteilen sollte. Ihre Lösung: mundgeblasene Glaskörper, die wie frei zu schweben schienen, in zarten, gern auch ausdrucksstarken Tönungen. Heute gehören neben Hängeleuchten auch Tisch- und Stehlampen sowie Vasen und Schalen ins Portfolio des seit 2015 in Berlin beheimateten Unternehmens. Zu ihren stilistischen Vorbildern zählt Lüling die britische Branchenlegende Jasper Morrison, für den sie in London tätig war. Die reduzierte Eleganz seiner Arbeiten umgibt auch die faszinierenden Flugobjekte von Eloa. Hier drei Lampen aus der Serie Planetoide: „Gold S“, „Silver Smoke S“, „Amber Iridescent S“. eloa.co

Die ganze Welt verschmilzt im Design von Sebastian Herkner: Sebastian Herkner, sagen Kenner, habe den Glamour ins deutsche Design zurückgebracht. Was sie meinen, ist nicht vordergründiges L’art pour l’art, sondern eine ausgefeilte Symbiose aus der Existenzberechtigung eines Objektes und seiner Figur, Farbe und Oberfläche. Diese an die Mode erinnernde Sensibilität spricht aus seinem bereits legendären „Bell Table“ für Classicon genau wie aus anderen Stücken für Labels von A wie Agape bis Z wie Zanotta. Neue Impulse erhält der bekennende Menschenbeobachter aus Offenbach auf Reisen in andere Kulturkreise, von denen er Muster, Materialien und neue Perspektiven mitbringt. Hier der „Ona Lounge Chair“, den Herkner für die Manufaktur Freifrau entworfen hat.sebastianherkner.com

Nur ein Stuhl oder gleich eine ganze Philharmonie? Besau und Marguerre können beides: Keine Angst vor großen Namen – das scheint ein Grundsatz der Hamburger Designer Eva Marguerre und Marcel Besau zu sein. Schließlich wagten sie sich im Auftrag von Thonet etwa an eine absolute Ikone: den Kaffeehausstuhl „Nr. 14“ von 1859, dem sie eine frischen Anstrich verpassten. Das Schaffen des Ateliers Besau Marguerre, das vor zehn Jahren gegründet wurde, bewegt sich stets im Spannungsfeld aus Produktentwurf, visueller Kommunikation und einladender Inneneinrichtung. So auch bei einem wahren Meilenstein für die Inhaber: der Möblierung der Elbphilharmonie, für die neben der Konzeption auch etliche neue Stücke kreiert wurden. Eine Symphonie zum Draufsitzen, Anlehnen und Daran-vorüber-Schlendern. besau-marguerre.de

New Tendency bringen mit klaren Linien Stahl in seine schönste Form: Eine Diplomarbeit „My Bauhaus is better than yours“ zu nennen klingt mutig. Aber passend, wenn man wie Manuel Goller damit sein Studium an der Bauhaus-Universität in Weimar abschließt. Gut, später gab es mal Zwist mit einem Heimwerkermarkt, doch das sind Histörchen. Wichtiger: Das Selbstbewusstsein und eine klare Vision hat sich der Designer bewahrt, der mit seinem Bruder Christoph und dem Kommilitonen Sebastian Schönheit 2012 in Berlin New Tendency gründete. Alle Accessoires und Möbel beginnen ihre Reise übrigens als akribisches Pappmodell. Und erst wenn nichts mehr überflüssig ist, nickt das Trio zustimmend. newtendency.com

Mit Ende 20 das eigene Atelier, mit Anfang 30 Creative Director bei Interlübke: Hanne Willmann macht Furore: Ob sich Hanne Willmann selbst als „Shootingstar der deutschen Einrichtungsszene“ beschreiben würde? Vermutlich nicht. Viel wichtiger ist daher: Ihr Name fällt seit Jahren regelmäßig in den richtigen Kreisen, meist verbunden mit solch euphorischen Attributen. Rasant wechselte die heute 34-Jährige vom Siegertreppchen diverser Designpreise in deren Jury, startete 2015 ihr Atelier in Berlin-Weißensee – und seit 2018 gibt sie bei Interlübke die gestalterische Richtung vor. Ihr Antrieb ist eine unbändige Leidenschaft und Liebe für noch das winzigste Detail: bei der bauchigen Bodenleuchte „Fungi“ für Favius ebenso wie beim fast asketischen „Charpai Daybed“ für Schönbuch. Nichts wird unnötig verniedlicht oder romantisiert, während warme Farben, Materialkombinationen oder optische Twists einer ungewollten Strenge entgegenwirken. So gelingt selbst beim flexiblen Regalsystem „Tray Shelf“ durch seine verschiebbaren Regalböden und unterschiedlichen Höhen eine wohlorganisierte Verspieltheit. Hier das „Charpai Daybed“, eine minimalistische Liege, die mit einem Griff zur Sitzbank wird. hannewillmann.com

Mit feiner Handwerkskunst schafft Lyk Carpet Teppiche, die meist zu schade für den Boden sind: „Wolle für die Seele“, mit diesem Motto begrüßt die Homepage von Lyk Carpet den Besucher, ehe man Klick für Klick die Welt der Teppichobjekte von Mareike Lienau betritt. Nüchterne Rechteckformen muss man suchen, und findet sie durchaus – aber erst nach einer Vielzahl von Stücken, die das traditionelle Format sprengen. Zig geometrische Formen, Farben, Muster und Fransenornamente gibt es, mit sicherer Hand zu fantasievoll-verspielten Unikaten kombiniert. Deren Konstruktion allein empfiehlt sich als Smalltalk-Aufhänger mit allen Gästen, die jemals vor oder auf einem dieser Teppiche stehen. Doch für die 1976 in Düsseldorf geborene Industriedesignerin, die ihr Studio 2009 in Berlin eröffnete, sind die nach Fairtrade-Grundsätzen in Nepal handgeknüpften Unikate mehr als Bodenschmuck. Lienau dienen sie auf einer Metaebene als Impuls, um beispielsweise zum Nachdenken über Handwerkskunst und Herkunft anzuregen – sprich: über die Wertschöpfungskette. Oder, um den weniger bekannten Frauen des Bauhaus wie Marianne Brandt und Otti Berger in aufwendigen „Textilen Postern“ ein wollenes Denkmal zu setzen. Hier die Lyk-Einzelausstellung „Intransitiv“ in der Berliner Gallery Good 2020. lyk-carpet.de

Über 125 Jahre Tischlertradtion münden in die massiven, aber eleganten Möbel von Stattmann: Wer in die Stilwelt der Geschwister Nicola und Oliver Stattmann eintauchen will, könnte sich einfach auf ihrem Bett „Snug“ (deutsch: behaglich) ausstrecken. Darin steckt alles, was die Produktdesignerin und den Holztechniker antreibt: die handwerkliche Perfektion der 1896 gegründeten Münsterländer Tischlerei ihrer Familie, die beruhigende Qualität von Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft und ein moderner „Dreh“ mit runden Handschmeichlerpfosten. Mit diesem Wertegerüst gehen die Gründer der Marke Stattmann seit 2011 auch an Stühle wie „Add“ und „Curv“ heran, an Bänke, Regale und Tische. Dabei haben die zwei moderne Kundenerwartungen im Blick: „Snug“ wird im Flachkarton geliefert und ist zu zweit in einer halben Stunde aufgebaut. Das Ergebnis aber hat mit schwedischem Pressspan so gar nichts gemein. stattmannfurniture.com

Sind das noch Möbel, oder ist das schon Spielzeug? Blockbau hat den Mut zu beidem: Blockbau, mit dieser Firmierung schicken die ehemaligen Architekturstudenten Johann Kuhn und Kevin Rack bereits voraus, worum es ihnen mit ihren Wohn- und anderen Objekten geht. Um das Ausloten der Parallelen, Überschneidungen und Grenzen zwischen Möbeln, Skulptur – und Spielzeug. Dabei stellen sie hochwertige Materialien in ungewohnten Kontext, ohne deren Eigenständigkeit zu verstecken. Gut zu verstehen ist das beim Schrank „88/100“: Man sieht schemenhaft, was verstaut ist. Mehr aber auch nicht. Eindrucksvoll auch der Stuhl „22.24“ – aus 24 Metern Stahlrohr in seine originelle Form gebogen. In diesem Jahr erhält er mit dem „Tube Chair“ einen Verwandten, auch Leuchten sollen folgen. Hier der Stuhl „22.24“: gebogen aus 22 Millimeter dicken Stahlrohren. blockbau-design.de