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Neue FMC-Chefin Zwei von 40: Eine starke Frau zieht weitere an

Carla Kriwet wird Chefin des Dialyse-Konzerns Fresenius Medical Care
Carla Kriwet wird Chefin des Dialyse-Konzerns Fresenius Medical Care
© PR
Carla Kriwet wird Chefin des Dialysekonzerns FMC. Die 51-Jährige ist erst die zweite Frau an der Spitze eines Dax-Konzerns. Aber ihr Wechsel zeigt: Selbst hartnäckigste Gleichstellungsgegner kommen zur Einsicht

Fresenius – ausgerechnet Fresenius – beruft eine Frau an die Konzernspitze der ebenfalls im Dax notierten Dialysetochter FMC. Da schmunzeln erfahrene Verfechterinnen der Frauenquote. Denn vor einigen Jahren gehörte Fresenius noch zu den hartnäckigsten Verweigerern. 2012 war der Medizintechnik- und Gesundheitskonzern einer der letzten Dax-Konzerne, bei dem weder im Vorstand noch im Aufsichtsrat eine Frau saß. Und bei dem sich die Führungsspitze auch noch vehement dagegen wehrte: „Wir lassen uns nicht diktieren, wie wir unsere Führungsposten zu besetzen haben“, wetterte der damalige Fresenius-Chef Ulf Schneider in frappierender Offenheit. Er halte die Quote für einen „unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht der Aktionäre und Unternehmen“.

Schneider ist 2016 an die Spitze des Schweizer Nahrungsmittelkonzerns Nestlé gewechselt. In der Schweiz gibt es keine Quoten.

Unzulässig ist es jedoch nirgendwo, für eine gerechte Besetzung von Führungspositionen zu sorgen, bei denen alle qualifizierten Menschen eine faire Chance zum Aufstieg bekommen. Es dauert nur sehr lange, die einflussreichen Multiplikatoren für dieses Thema überhaupt zu sensibilisieren. Allein mit Aufklärung und Appellen zu einer freiwilligen Veränderung hin zu diverseren Führungsgremien wurde in den vergangenen Jahrzehnten nicht viel erreicht.

Scheinheilige Argumentation

Bereits mit der naheliegenden Geschlechtergerechtigkeit hadern viele Entscheidungsträger. Kurzer Abriss eines langen Prozesses: 1980 kamen die Vereinten Nationen zu der Übereinkunft, dass „mit allen geeigneten Mitteln unverzüglich eine Politik zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau“ erfolgen muss. In einigen Ländern wie den USA oder Schweden wurde das ernst genommen, wurden weitreichende Reformen durchgesetzt. Die Wirtschaftselite in Deutschland indes ließ den Vorstoß an sich abperlen. Die Haltung war: Es läuft doch alles gut so, bloß nichts ändern, das kann man aussitzen. Zahlreiche Bosse postulierten: „Wir befördern ausschließlich nach Qualifikationen, nicht nach Geschlecht. Und wenn keine geeigneten Frauen da sind, können sie auch nicht befördert werden. Außerdem schadet die Quoten der Wirtschaft.“ 

Auf diese scheinheilige Argumentation hat sich die Politik auch unter der ersten Bundeskanzlerin Angela Merkel eingelassen: Erste Gesetzesvorhaben wurden von Lobbyisten abgeräumt. Stattdessen durften sich die Unternehmen freiwillig Quoten aussuchen. Oder auch nicht. Verändert hat sich dadurch in den Chefetagen nicht viel. Außer: Das Thema ging nicht wieder weg. Einzelne Politikerinnen blieben hartnäckig dran, schlossen sich parteiübergreifend zusammen und wurde flankiert von Initiativen wie Fidar oder der Allbright Stiftung, die akribisch aufführen, welche Unternehmen Frauen in Aufsichtsräte und Vorstände befördern und welche nicht.

Die Zahlen entkräfteten alle vorgeschobenen Argumente: In den Führungskreisen drangen nur wenige Frauen vor. Erst diese Transparenz veränderte die Diskussionsgrundlage und führte letztlich auch zu gesetzlichen Verpflichtungen: Seit 2015 gilt für börsennotierte Unternehmen eine Frauenquote bei der Besetzung von Aufsichtsräten und seit wenigen Monaten auch für Vorstände.

Nur Merck hat auch eine Frau an der Spitze

Seither kommt etwas Bewegung rein: Seit Anfang März dieses Jahres sind die Vorstände der 160 deutschen Börsenunternehmen in Dax, MDax und SDax mit genau 600 Männern und 100 Frauen besetzt. Das entspricht einem Frauenanteil von 14,3 Prozent. Bei den 40 großen Dax-Konzernen ist der Anteil damit innerhalb von sechs Monaten von 17,4 auf 19,8 Prozent gestiegen. Erst bei einem der 40 Unternehmen steht bislang eine Frau an der Spitze: Belén Garijo führt seit einem Jahr den Pharma- und Technologiekonzern Merck. Als zweite Frau folgt nun spätestens Anfang 2023 Carla Kriwet, wenn sie den Vorstandsvorsitz bei FMC übernimmt.

Damit gehört die Fresenius-Tochter FMC fortan zu den Leuchttürmen der deutschen Wirtschaft. Und da wo eine Frau ist, folgen in der Regel weitere. Das zeigen ebenfalls die Allbright-Statistiken: „Sämtliche Frauen, die in den vergangenen sechs Monaten in die Vorstände der 40 Dax-Unternehmen berufen wurden, gingen zu Unternehmen, in denen es bereits eine oder mehrere Frauen im Vorstand gab“, sagen die Geschäftsführer der Allbright Stiftung Wiebke Ankersen und Christian Berg.

Eine Frau zieht weitere Frauen an – ganz freiwillig ohne Quote. 

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