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Interview "Wir haben eine klare Markensprache"

Capital sprach mit Modedesigner Martin Andersson über die Balance zwischen Kunst und Masse und geheime Zielgruppenforschung.

Martin Andersson studierte am Londoner St. Martins College und führte vier Jahre lang sein eigenes Mode-Label. Heute verantwortet der Schwede die Herrenkollektion von COS. 2007 wurde die Marke von H&M gegründet, um ein höherpreisiges Segment zu bedienen. Mittlerweile gibt es über 50 COS-Stores weltweit.

Capital sprach mit Andersson anlässlich der Fashionweek in Berlin.

Capital: Herr Andersson, die Mode von COS bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Avantgarde und Massenmarkt. Viele Firmen aus ganz anderen Bereichen versuchen diese Balance ebenfalls zu halten – nach dem Motto: Wieviel kann man wagen, ohne die Masse zu verprellen? Gibt es eine Formel dafür?

Andersson: Ich denke, es gibt keine Formel. Man muss nach seinem Bauchgefühl gehen. Wir sind eine kommerzielle Firma. Wir untersuchen sehr genau, wer unsere Kunden sind. Wenn man seine Kunden wirklich gut kennt, kommt der Rest von ganz alleine. Dann muss man einfach nur noch dem Bauchgefühl folgen.

Und wie bekommen sie dieses Gefühl für Ihre Kunden? Beobachten Sie die heimlich in Ihren Stores?

Ehrlich gesagt: Das tue ich tatsächlich gerne, ich liebe das.

Mode mit langer Halbwertszeit

Dann steht also tatsächlich der Chefdesigner hinter dem Regal und beobachtet die Leute beim Einkaufen?

Natürlich bekommen wir auch viel Feedback von den Store-Verkäufern. Und natürlich machen wir auch viel professionelle Analyse.

Das klingt nach viel Aufwand, bevor Sie überhaupt beginnen das erste Kleid zu zeichnen...

Das stimmt. Wir stecken sehr viel Recherche in unser Design.

Wie ernst nehmen Sie dabei Trends?

Wir rennen definitiv nicht dem neuesten Trend hinterher. Wir wollen Mode mit langer Halbwertszeit machen. Natürlich können wir die Trends da draußen nicht komplett ignorieren, aber wir sind sehr selbstbewusst, bei dem was wir tun. Ein Vorbild für uns ist die Architektur vom Bauhaus. Das wollen wir für COS auch schaffen - schlicht und zeitlos in der Mode zu sein.

Das klingt ebenfalls nach einem ziemlichen Spagat...

Naja, die Grundprinzipien unseres Designs sind immer klar definiert, verändern sich nicht. Wir wissen wer wir sind. Wir haben eine sehr klare Marken-Sprache.

Wie sieht das denn konkret aus? Wie entsteht eine Kollektion bei Ihnen?

Wir holen uns erst einmal sehr viel Inspiration. Wir schauen uns zum Beispiel auch Möbeldesign an oder Architektur. Wir fahren auf die Biennale in Venedig oder die Möbelmesse Salone di Mobile in Mailand.

Und wie wird aus solchen modefremden Einflüssen dann ein T-Shirt?

Das fließt alles irgendwie ein. Egal ob Musik, Fotos, Reiseeindrücke, Design, Kunst - wir werfen alles auf den Tisch und setzen uns zusammen. Auf dieser Basis planen wir dann die nächste Kollektion.

Also ist es auch der Austausch mit anderen Disziplinen, der diesen Avantgarde-Touch in Ihre Kollektionen hinein bringt?

Der Austausch speziell mit der Kunst ist uns sehr wichtig. Auch über gemeinsame Events und Projekte.

Wie ist das Zusammenspiel mit Ihrem Mutterkonzern H&M? Schränkt das Ihre Freiheit nicht ein?

COS ist weitgehend unabhängig. H&M sitzt in Stockholm, wir in London. Wir sind eine komplett separate Einheit. Aber natürlich profitieren wir von der Konzern-Infrastruktur...

"Ich liebe, was ich tue"

Ist das ein Grund, warum Ihre Preise erstaunlich niedrig sind? Man fragt sich zuweilen, wir das überhaupt funktionieren kann...

Die Leute fragen sich das immer: Wie kann man bei solchen Materialen solche Preise haben. Natürlich wäre das als kleines Start-up nicht möglich. Wir profitieren von gemeinsamer IT, Logistik...

Und wie ist das für Sie persönlich als Modeschöpfer? Kann man überhaupt kreativ sein, wenn man als Chefdesigner in einer großen Firma arbeitet und nicht mehr sein eigenes Modelabel hat?

Es ist schon ein großer Unterschied. Wenn man ein eigenes Label hat, kämpft man ständig ums Überleben. Man arbeitet so hart. Viele denken, man sei dann freier. Das stimmt aber nicht. Mit seinem eigenen Label stößt man ständig an Grenzen, was die Ressourcen angeht. Man beginnt mit einer guten Idee, aber dann rennt einem die Zeit weg, das Geld... Man macht ständig Kompromisse.

Aber in einem Konzern muss man das doch sicher auch tun?

Bei einer großen Firma hat man innerhalb bestimmter Parameter riesige Freiheiten und vor allem: viel mehr Ressourcen und Möglichkeiten, eigene Ideen zu realisieren.

Zeichnen Sie überhaupt noch selber oder sind Sie eher Designmanager?

Nein, habe ich lange nicht mehr...

Vermissen Sie es?

Einerseits ja, andererseits nein. Ich liebe, was ich tue. Zeichnen und Malen kann ich ja abends zuhause.

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