An der Börse ist dies ein bekanntes Phänomen: Ein Unternehmen meldet ein respektables Umsatzplus und sogar überproportionales Gewinnwachstum – Top-Ergebnisse also. Trotzdem sackt der Aktienkurs des Unternehmens jäh ab. Die profane Erklärung: Analysten und Investoren hatten schlicht noch mehr erwartet.
Auch im Arbeitsumfeld von Führungskräften können überhöhte Erwartungen ein bedeutendes Problem darstellen. Diese können in mannigfaltiger Weise auftreten: bezüglich der Eigenschaften eines Produkts, der Terminsetzung für einen Auftrag, bezüglich der mit einem Projekt erzielbaren Rendite oder dem Leistungsspektrum eines neu akquirierten Mitarbeiters etc.
Besonders bei Fusionen oder Übernahmen, wenn Abteilungen oder ganze Sparten neu organisiert und verteilt werden, ist das Risiko hoch, überzogene Erwartungen zu schüren. Typische Situationen hierfür sind aber auch Zielvereinbarungs-Gespräche oder die Abarbeitung von Aufträgen, die die normale Auftragsgröße des Unternehmens übersteigen.

Dabei sind unrealistische Ziele für den betroffenen Manager selbst, aber auch für die gesamte Organisation sehr gefährlich. Wer aufmerksam ist, wird jedoch wirkungsvoll gegensteuern können. Dazu gilt es etwa, sich bei der Zuteilung von Aufgaben für ein Projekt nicht auf „Hörensagen“ zu verlassen („Der Meier kann das auf jeden Fall“). Zielführender ist es, vorher dokumentierte Ergebnisse einzuholen und zu überprüfen.
Erhält man selbst eine Anfrage für eine neue Aufgabe, fühlt man sich in aller Regel geschmeichelt – speziell, wenn diese eigentlich ein bisschen „zu groß“ ist. Dennoch heißt es, kühlen Kopf zu bewahren. Übernimmt man (besonders mehrmals) Aufgaben, die sich tatsächlich als „zu groß“ herausstellen, beschädigt das zwangsläufig die Reputation.
Das Paradoxe: Besonders echte Leistungsträger im Unternehmen laufen Gefahr, in die „Erwartungsfalle“ zu geraten. Genauso wie bei begehrten, hoch bewerteten Wachstumsunternehmen an der Börse werden sie hart abgestraft, wenn sie ausnahmsweise enttäuschen. Niemand hatte ja die Möglichkeit einer Schwäche oder gar des Scheiterns einkalkuliert.
Die Stimmung in den deutschen Chefetagen ist schlecht
In deutschen Chefetagen hatte sich die Stimmung im September 2022 deutlich verschlechtert. Mit 84,3 Punkten war der Ifo-Geschäftsklimaindex auf dem tiefsten Wert seit Mai 2020 gesunken. Die aktuelle Wirtschaftslage wurde von den Unternehmer:innen klar schlechter bewertet. Die Einschätzung sank um drei Punkte gegenüber dem Vormonat, der größte Einbruch in den letzten zwölf Monaten.
Laut Ifo-Institut stand Deutschland an der Schwelle zur Rezession. Materialmangel, Inflation und drohende Gasknappheit belasteten die Erwartungen in den Chefetagen. Pessimistisch blickten die Entscheider:innen auf die kommenden Monate, denn eine Verschlimmerung der Situation in der Ukraine hätte deutliche Folgen für die deutsche Wirtschaft. Dass die Bundesregierung im Kampf gegen Inflation und die Energiekrise keinen klaren Kurs hielt, trug zusätzlich zur Verunsicherung der Wirtschaft bei.
Nutzen Sie die kollektive Intelligenz Ihrer besten Leute
Für Unternehmer und Top-Führungskräfte ist das eine gefährliche Situation. Eine schlechte Stimmung kann man durch passive Haltung und ständigen Pessimismus auch noch verschlimmern. Damit ist niemandem geholfen. Was jetzt in Unternehmen in einer angespannten Lage gefordert ist, sind Führungskräfte, die offen auf ihre Leute zugehen und die Erwartungen realistisch ausrichten. Zu benennen, dass die Situation viel ernster ist, als man es am Anfang des Jahres oder noch vor eignen Monaten eingeschätzt hat, ist kein Gesichtsverlust, sondern ein Ausdruck von Glaubwürdigkeit.
Menschen vertrauen Führungskräften, die ehrlich sind. Jetzt zu benennen, dass die Lage schwierig ist und nicht alle ehemals gesteckten Ziele zu erreichen sind, ist kein Führungsversagen. Gerade in schwierigen Zeiten haben Führungskräfte die Chance, die Mannschaft näher zusammenzubringen. Der Ansatz ist einfach und zielführend: Benennen Sie das aktuell schwierigste Problem Ihres Teams oder Ihrer Firma. Und diskutieren Sie dann mit Ihren besten Leuten, welche strategischen Initiativen jetzt anzustoßen sind und was konkret getan werden kann, um die schwierige Situation zu meistern. Die kollektive Intelligenz der besten Leute ist jeder einzelnen Führungskraft weit überlegen. Jetzt ist die Zeit, die kollektive Intelligenz Ihres Teams zu aktivieren.
Insights für unternehmerischen Erfolg:
- Welche Erwartungen an wen sollten Sie jetzt steigern und welche senken?
- Jetzt ist die Zeit, die kollektive Intelligenz Ihres Teams zu aktivieren. Bringen Sie Ihre besten Leute für die Diskussion über die Situation und zur Entwicklung neuer Lösungen zusammen. Der Tag ist gut investiert.