Management Wie man aus Fehlern klüger wird

Symbolbild: Managerin
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Fehlanzeige: Wer nichts versucht, wird auch nicht klug. Ingrid Gerstbach erklärt, wie man Scheitern als Gelegenheit nutzt, um sich selbst zu verbessern

„Das funktioniert so einfach nicht.“ Worte, die bei den meisten Menschen für Schweißausbrüche und Panik sorgen. Nichts ist schlimmer als das Versagen in einem Projekt, vor allem dann, wenn bereits viel Zeit und Mühe in die Entwicklung der Ideen geflossen ist. Beim Umgang mit vermeintlichem Versagen gibt es bei den meisten Menschen zwei Arten von Reaktionen: Entweder ignorieren sie das Versagen und gehen nahtlos zu einem anderen Projekt über – oder sie werden depressiv und schließen sich in einem dunklen Raum ein. Welcher Typ sind Sie? Es ist eigentlich egal auf welche Weise Sie reagieren: Beide Umgangsformen machen im Endeffekt blind für die adäquate Bewertung der Situation. Denn Versagen ist Teil unseres menschlichen Verhaltens. Vor allem dann, wenn wir unseren Ängsten gegenüberstehen.

Dabei muss ein Fehlschlag gar nicht negativ sein: Je innovativer und erfolgreicher ein Unternehmen ist , desto mehr betrachtet es Scheitern als eine einmalige Gelegenheit, um sich selbst zu verbessern. Versagen dient dabei als Lernquelle: Experimentieren, Prototyping und Feedback sind das Herzstück des menschzentrierten Designs. Die meisten Unternehmen wollen im Grunde Probleme lösen, die für die Menschen wichtig sind und auf die sie alleine keine befriedigende Antwort finden. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass hier bereits die erste Idee der große Wurf ist . Um zur passenden Lösung zu gelangen, müssen wir Fehlschläge schlicht und ergreifend in Kauf nehmen. Und wenn wir die richtige Denkweise annehmen, können wir auch aus einem Misserfolg etwas lernen.

Rufen Sie sich einmal die Geschichten großer Erfindungen ins Gedächtnis: Ich bin mir sicher, dass Sie keine einzige Story finden werden, die nicht von Misserfolg gezeichnet war. Nehmen Sie zum Beispiel die oft zitierte Glühbirne von Thomas Edison. Edison verstand wie kein anderer, dass gescheiterte Experimente nichts mit einem Versagen zu tun haben – zumindest solange Sie es als konstruktive Lernerfahrung sehen. So war die Glühbirne ein Ergebnis von tausenden kumulierten Fehlversuchen. Oder die Wright-Brüder: Auch sie durchlebten unzählige Versuche, bevor ihr „Erstflug“ tatsächlich gelang.

In der modernen Unternehmenswelt neigen wir dazu, gescheiterte Projekte uns und anderen gegenüber nicht eingestehen zu können oder zu wollen. Lieber geben wir vor, dass die eine, innovative Idee in der perfekten Form wie von Zauberhand gekommen ist und als Produkt oder Service gleich umgesetzt werden konnte. Wagen Sie einen genaueren Blick hinter die jeweilige Kulisse, wird Ihnen sofort auffallen, dass sowas schlicht und ergreifend noch nie passiert ist. Kreative durchlaufen viele Phasen, die sich alle zwischen Scheitern und Erfolg abspielen, um letztlich kreative Ideen daraus zu entwickeln. Mehr noch: In einer Studie von der University of California zeigte sich, dass kreative Köpfe dann erst produktiv werden, wenn sie scheitern. Versagen gehört zu diesem Prozess einfach dazu: Es wird solange herumexperimentiert, bis sich Erfolg und Innovation einstellen.

Basierend auf diesem Wissen müssen Unternehmen anfangen, die positiven Folgen von Scheitern anzuerkennen. Es ist an der Zeit, eine völlig neue Perspektive einzunehmen, die offen für neuen Erfolg macht! Die folgenden fünf wichtigen Lektionen können Ihnen dabei helfen, aus vermeintlichem Scheitern zu lernen und Fehler in eine erfolgreiche Lernerfahrung für laufende oder zukünftige Projekte zu verwandeln:

1. Erkennen Sie das Problem als solches

Sobald ein Projekt gestartet und mögliche Änderungen in Prozessen und Abläufen eingeleitet worden sind, neigen viele Unternehmen dazu, das Risiko weiterer Veränderungen zu vermeiden. Schließlich könnte das ja finanziellen und zeitlichen Aufwand mit sich bringen. Doch genau das ist der Grund, wieso viele Innovationsversuche noch vor Beginn scheitern. Dabei bietet Ihnen die ungeplante Abweichung in einem Projekt die einmalige Chance, mehr über das System und seine bestehenden Herausforderungen zu erfahren. Die identifizierten Probleme im Projekt könnten der Hauptgrund für das Scheitern oder die Konsequenz eines anderen Problems sein. Da Probleme aber selten auf den ersten Blick sichtbar sind, ist das Scheitern tatsächlich Ihre Chance, die im System verborgenen Hinweise zu erkennen, zu studieren und daraus zu lernen.

2. Analysieren Sie die Fehler

Das Analysieren der Fehler liefert eine klare Sicht auf die Ursachen, die die eigentlichen Motive für das Fehlverhalten sind – unabhängig davon, ob diese nun die eigentlichen Ursachen oder nur Folgen von etwas waren. Oftmals ist es sinnvoll, für die Analyse eines Fehlers und seiner Ursachen eine eigene Person im Projekt abzustellen. Sie können diese Aufgabe aber auch als Teil der Arbeit im Team definieren. Letzteres ist vor allem dort angebracht, wo das Projekt größere Ausmaße annimmt und andere Abteilungen miteinbezieht. Führungskräfte, CEOs und Manager sollten sich dem Gespräch anschließen, um eine gemeinsame Definition über das Problem zu erreichen.

3. Bewerten Sie den Prozess

Reden ist Gold: Stellen Sie bewusst Fragen wie „Was ist falsch gelaufen?“, „Warum ist das passiert?“ oder „Was hätten wir tun können, um genau so etwas zu verhindern?“, wenn ein Projekt scheitert oder Probleme entstehen. Auch wenn es unangenehm ist: Die Antworten auf diese Fragen unterstützen Sie dabei, die aktuelle Situation maßgeblich zu entschärfen und zu bewerten. Mögliche Techniken, die sich gut zu einer solchen Fragestellung eignen, sind SCAMPER oder die SWOT-Analyse.

4. Disruptive Innovation bewusst anvisieren

Während viele Unternehmen inkrementelle Innovationen fokussieren, werden Disruptionen lieber vermieden. Letztere bedeuten zu oft eine mögliche Verschwendung von Zeit, Aufwand und Kosten und stellen zudem auch eine schwelende Gefahr für bestehende Projekte dar. Doch es sind gerade solche Innovationen, die letztlich zum Markterfolg führen! So begann Ikea zum Beispiel in den 1960er-Jahren damit, die Verpackungen an allen Produkte anzupassen, um Lager-, Transport- und Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Was zunächst als störend empfunden wurde, führte zu einer dauerhaften Senkung der CO2-Emissionen und letztlich zu einem wesentlichen Marktvorteil.

5. Lernen Sie Kritik und Feedback als konstruktiv anzusehen

Kritik und Feedback spielen eine wesentliche Rolle im gesamten Prozess, da diese die Produkte bewusst verbessern. Kein Wunder also, dass die meisten Innovationsprozesse eine Rückkopplungsschleife am Ende jedes Prozesses bieten, um die Ideen und Erfahrungen der Kunden einzubauen. Dieses Feedback wird wiederum in den nächsten Produktzyklus eingebettet, um wiederum die Produkte und Dienstleistungen weiter zu optimieren. Trotzdem neigen viele Unternehmen dazu, Kritik und Feedback zu vermeiden. Eigentlich schade, denn diese Rückmeldungen könnten dem Denkprozess des Innovationsteams neues Futter liefern. Gerade wenn Projekte scheitern, ist Feedback wertvoll: So bietet sich ein noch tieferes Verstehen der Gründe, die diese Fehler verursacht haben könnten.

Fazit

Viele Unternehmen sind nach wie vor der Überzeugung, dass das vermeintliche Scheitern eines großen Projekts der ultimative Super-GAU ist. Diesen Glauben gilt es zu überwinden, um stattdessen Fehlverhalten als eine wichtige Quelle für Lernerfahrungen und Feedback anzuerkennen. Projekte, die nicht nach Plan ablaufen, bieten Chancen für Innovationen und Veränderungen. Feedback und Kritik sind dabei wesentliche Entwicklungsstadien.

ingrid-gerstbach

Ingrid Gerstbachist Expertin für Design Thinking und Innovationsmanagement, Wirtschaftspsychologin und Unternehmensberaterin. Sie sieht sich als Entwicklungshelferin für Unternehmen, um Innovationen, neue Erfolgspotenziale und nachhaltige Wertschöpfung zu ermöglichen. Weitere Informationen: ingridgerstbach.com

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