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Debatte Wie gefährlich ist Japan?

Nach dem Einbruch des Nikkei verschärft sich der Streit um die "Abenomics". Capital gibt einen Überblick über die Debatte.
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Minuszeichen an der japanischen Börse


Nach dem Einbruch des Nikkei in Japan geht der Streit um die „Abenomics“ weiter: Das nach dem Premierminister Shinzo Abe benannte Experiment - dem wir in der neuen Capital eine große Geschichte gewidmet haben - wird gleichermaßen gepriesen und verwünscht. In der „Süddeutschen Zeitung“ vom Dienstag warnt Christoph Neidhart noch einmal vor dem „Faulen Zauber“. Je weiter weg der Beobachter von Japan sei, so Neidhart, desto lauter der Applaus – etwa der von Paul Krugman, der Japan zum Modell ausgerufen hat. (Wobei Krugman ja immer dann glücklich ist, wenn irgendwo auf der Welt viel Geld fließt. Neidhart sagt: „Wer noch mehr Geld in diese lethargische Wirtschaft pumpt, riskiert eine Blase.“ Was sind diese „Abenomcis“, die wie zuvor die „Reagonomics“ sich von dem Namen eines Politikers ableiten? Im Kern besteht sie aus so genannten „drei Pfeilen“: Erstens betreibt die Notenbank eine massiv expansive Geldpolitik, um so eine Inflationsrate von zwei Prozent herbeizwingen. Zweitens will die Regierung investieren, auch mit Hilfe neuer Schulden – obwohl Japan schon atemberaubend hoch verschuldet ist. Und drittens soll es Reformen geben. Wenn die Wirtschaft dank dieser „drei Pfeile“ wieder brummt, soll der Haushalt saniert werden. Die Zahl der warnenden Stimmen ist groß. Schon Anfang des Jahres mahnte der Harvard-Ökonom Martin Feldstein, Japan werde sich mit der Politik „selbst ins Knie schießen“. (http://www.project-syndicate.org/commentary/the-wrong-growth-strategy-for-japan-by-martin-feldstein). Die Kritiker sagen, dass es ein Irrglaube sei anzunehmen, dass ein paar Notenbanker und Politiker ein komplexes System steuern können. Mehr noch: Durch die Politik würde nur die nächste Blase erzeigt, die „Abe-Blase“. Was aber tun? Gar nichts? John Cassidy, Autor des New Yorker, kommt in der aktuellen „Fortune“ denn auch zu einem anderen Schluss: Die Abenomics seien „gut für Japan und den Rest der Welt“. Er erinnert sich an seine erste Reise nach Japan vor 25 Jahren, als der Nikkei auf 39000 war und Konzerne wie Sony sich anschickten, die Welt zu erobern. Die Ergebnisse der Abenomics – der Höhenflug der Börsen, die gestiegene Konsumlust der Japaner –, so Cassidy, seien ermutigend. „Wenn jemals eine Wirtschaft einen Ruck gebraucht habe, dann ist es Japan.“ Die große Frage sei rein psychologisch: Kann Abe die innere Blockade der Japaner überwinden? Kann vielleicht durch die Notenbank eine Aufwärtsspirale in Gang gesetzt werden? Wir sind damit Zeuge eines klassischen Streits in der Ökonomie, bei dem es sich um das so schöne Thema der Staatsintervention dreht. Auf der einen Seite sind die, die glauben, dass eine Intervention immer nur eine Folgeintervention nach sich zieht, weil sie ein System natürlicher Kräfte verzerrt. Die andere Seite sagt, dass Nichtstun unverantwortlich sei (und die Warnung vor einer Blase auch kein Lösungsansatz). Eines ist klar: Wir alle werden den Ausgang des Experiments erleben, und die Abenomics werden in die Geschichtsbücher eingehen, so wie der „New Deal“ in den USA oder „Globalsteuerung“ in Deutschland. Immerhin, der Begriff ist jetzt schon fester Bestandteil des Wortschatzes. Er hat es ins englische Wikipedia (http://en.wikipedia.org/wiki/Abenomics ) und das Lexikon der FT geschafft http://lexicon.ft.com/Term?term=Abenomics. Unterdessen nimmt der Kult um Premierminister Shinzo Abe zu - es gibt ihn nicht nur als Schokolade, ein Popband hat sogar einen „Abeno-Mix“ herausgebracht. Hoffentlich wird es kein Tanz auf dem Vulkan.

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