Fast wäre im Trubel um den Prozess gegen Uli Hoeneß und die Krise auf der Krim untergegangen, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im kommenden Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen wird. Seit Franz-Josef Strauß 1969 war das keinem Finanzminister mehr gelungen. Doch der Jubel über den vermeintlichen Erfolg ist in Analysen und Kommentaren nicht gerade überschwänglich. Antje Sirleschtov vom Berliner Tagesspiegel lobt immerhin dass es gelungen sei, ein eingeübtes Ritual zu durchbrechen:
„Es wurde Geld verteilt, und wenn es nicht ausreichte, wurden Kredite aufgenommen. Frei nach dem Motto „Der Staat kann nicht pleitegehen“ wurden Milliarden auf Milliarden gehäuft. Dass das ein Ende hat, ist eine gute Botschaft.“
Trotzdem muss sich Schäuble Kritik gefallen lassen – nicht nur von der Opposition. „Blendwerk“ nennt das Handelsblatt Schäubles Etatpläne. Vor allem der Griff in die Sozialkassen stößt auf Kritik. Wirklich gespart habe der Finanzminister nicht.
Opfer von Schäubles Etatplänen
Tatsächlich kürzt der Finanzminister den Zuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung um 2,5 Mrd. Euro. Und bereits zum Jahreswechsel hat die Große Koalition durch eine Gesetzesänderung die Senkung des Rentenbeitragsatzes verhindert, der eigentlich fällig gewesen wäre. Aber Union und SPD finanzieren so zunächst ihre kostspieligen Rentenpläne.
Die FAZ sieht neben den Sozialkassen noch zwei andere Opfer von Schäubles Etatplänen. Ein Opfer sei die Infrastruktur, schreibt Manfred Schäfers in seinem Kommentar. Zwar hätten Union und SPD ein paar Milliarden zusätzlich für den Verkehrsetat vorgesehen, aber das sei deutlich zu wenig. Als drittes Opfer sieht er die Steuerzahler:
„Ihre notwendige Entlastung zum Ausgleich der mit der Inflation verbundenen steuerlichen Mehrbelastung (Stichwort: kalte Progression) verzögert sich. In nur fünf Jahren steigen allein die eingeplanten Steuereinnahmen des Bundes um ein Fünftel. Konkret wird ihm von 2013 bis 2018 ein Mehraufkommen von gut 50 Milliarden Euro vorhergesagt. Was Bund, Länder und Kommunen zusätzlich einnehmen, fehlt Millionen Arbeitnehmern am Ende auf dem Konto.“
Ähnlich sieht das SWR-Redakteur Jan Seidel in seinem Kommentar auf Tagesschau.de:
„Steuererhöhungen gibt es tatsächlich nicht - sie sind aber auch gar nicht nötig: Die Steuereinnahmen erhöhen sich durch die sogenannte kalte Progression nach jeder normalen Tarifrunde von selbst. Eine Ungerechtigkeit - abgeschafft wird sie aber nicht.“
Schonender geht Arbeitgeberpräsident Kramer mit Schäubles Plänen um. Er unterstützt das Ziel, im kommenden Jahr ohne neue Schulden auszukommen. Aber auch er kritisiert den Griff in die Sozialkassen:
„Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte darf nicht auf Kosten der Beitragszahler erfolgen – so wie beim jetzt geplanten Rentenpaket. Ich sehe es kritisch, dass die Rücklagen der Rentenversicherung für teure Rentenversprechen aufgebraucht werden, so dass bereits in wenigen Jahren eine Finanzierung über Steuermittel erforderlich wird.“
Es darf nichts passieren
Andreas Kissler kritisiert auf wsj.de, dass Schäubles seine eigene Versprechungen stillschweigend wieder einkassiert habe:.
„Denn für die Maßnahmen des Koalitionsvertrags opferte Schäuble von der breiten Öffentlichkeit beinahe unbemerkt seinen eigentlichen Plan, ab 2015 mit Tilgungsleistungen in Sonderfonds zu beginnen. In der alten Finanzplanung waren zur Tilgung noch 5,2 Milliarden Euro für 2014 und 9,6 Milliarden Euro für 2015 vorgesehen. In Schäubles neuer Planung ist davon keine Rede mehr.“
Und auch die Entlastungen der Kommunen werde verschoben, schreibt Sirleschtov. Damit dürfe sich dann die nächste Koalition herumschlagen. Und auf unvorhersehbare Ereignisse sei Schäuble nur unzureichend vorbereitet, meint Kissler:
„Läuft die Wirtschaft schwächer als erwartet, wird Schäuble dem wenig entgegenzusetzen haben, um seine schwarze Null zu retten. Zu befürchten ist dann ein weiterer Griff in die budgetäre Trickkiste.“