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Markus Väth Warum wir einen neuen Blick auf Feedback und Leistung wagen sollten

Markus Väth
Markus Väth
© PR
Es gibt Dinge, die gehören einfach zum Job, dafür dürfen wir keine Lobeshymnen erwarten. Anerkennung verdient dagegen echte Leistung, eingegangene Risiken und das Verlassen der Komfortzone. Leider ist das in Vergessenheit geraten

In der Grundschule meiner Tochter gab es Übertrittszeugnisse an die weiterführenden Schulen. Das mag nicht sehr aufregend klingend, aber in Bayern hat das was von „last man standing“. Das Kind soll nämlich möglichst aufs Gymnasium, alles andere wäre ein Gesichtsverlust. Und Bayern ist, soweit ich das überblicke, das einzige Bundesland, in dem die Empfehlung der Lehrkraft noch bindend ist. Die „erlaubten“ Schularten sind sogar auf dem Zeugnis vermerkt. Darauf muss man erst mal kommen, aber unser gesellschaftlicher Akademisierungswahn hat hier über die letzten 20 Jahre sehr gute Arbeit geleistet. 

Interessant an der ganzen Sache war für uns weniger das Zeugnis unserer Tochter (ja, sie darf aufs Gymnasium, Humboldt sei Dank). Es war vielmehr ein Satz, den sie fast nebenbei fallenließ, als sie uns von ihrem Schultag berichtete: „Der Max bekommt für sein Zeugnis übrigens eine Switch.“ Nun bin ich selbst kein intimer Kenner der japanischen Unterhaltungsindustrie, aber auch ich weiß, dass eine Switch eine Spielekonsole ist und etwa 300 Tacken aufwärts kostet. Mithin nicht unbeachtlich. Dagegen stanken meine Frau und ich zugegebenermaßen etwas ab, indem wir als Belohnung eine Feierrunde mit Monsterbechern in der lokalen Eisdiele ausriefen. Gott sei Dank nahm unsere Tochter das Angebot gnädig an und verzichtete auf eine Switch.

Blind für echte Leistung

Trotzdem ging mir die Sache länger nicht aus dem Kopf. Irgendwann fragte ich mich: Kann es sein, dass wir ein generelles Problem mit Belohnung in unserer Gesellschaft haben? Dass etwas ins Rutschen geraten ist? Ich meine, Max ist ein netter Kerl, keine Frage, aber sich in der Schule anzustrengen, sollte selbstverständlich sein. Das macht man einfach. Mich erinnert das an die Leute, die im Flugzeug klatschen, nachdem der Pilot die Maschine gelandet hat. Ich weiß nicht, was das soll. Was hätte er machen sollen? Samba tanzen? Eine metallene Blechröhre aufsteigen zu lassen und wieder erfolgreich auf den Boden zu bringen, ist einfach sein verdammter Job. Es steht ja auch kein Tanzorchester in meiner Badezimmertür, um mich hochleben zu lassen, weil ich meine Hosen erfolgreich angezogen habe.

Auf der anderen Seite, das müssen wir auch festhalten, werden wir manchmal blind für echte Leistung. Wenn der Kollege eine Präsentation hält, der ansonsten scheu in der Ecke sitzt; wenn sich eine Führungskraft überwindet und Macht ans Team abgibt; wenn Menschen generell ein Risiko eingehen, weil sie sagen: Das ist es wert, und die Sache durchziehen. Sowas nötigt mir Bewunderung ab – und das sage ich dann auch. In diesem Moment bin ich authentisch, lasse den anderen spüren, dass ich ihn anerkenne, vielleicht sogar bewundere. Neid ist bei sowas übrigens nicht angebracht, sondern eher die Frage: Was kann ich mir von diesem Menschen abschauen? Wie hat er den Erfolg verursacht, und was kann ich aus diesem Fall lernen?

Wir sollten in Unternehmen einen neuen Blick auf Feedback, Leistungsbeurteilung und Erfolg wagen. Es gibt Dinge, die sind einfach unser verdammter Job, dafür sollten wir keine Switch oder ausgeprägte Lobeshymnen erwarten. Das ist der Punkt, an dem meiner Meinung nach vor allem junge Menschen noch dazulernen können. Und wir sollten echte Leistung, eingegangene Risiken, das Verlassen der Komfortzone sichtbar und spürbar anerkennen – das wäre vor allem der Job für die Älteren unter uns. So können wir alle viel voneinander lernen, gerade in Unternehmen, die auf eine gemeinsam erzeugte Wertschöpfung angewiesen sind.

Und hinterher gehen wir alle ein Eis essen.

Markus Väth gilt als einer der führenden Köpfe der New-Work-Bewegung in Deutschland. Er ist Gründer und Geschäftsführer der auf New Work spezialisierten humanfy GmbH und Verfasser der New Work Charta, die sich für eine klare, humanistische und soziale Version von New Work einsetzt. Er hat mehrere Bücher zu New Work und Management verfasst und ist Lehrbeauftragter für New Work und Organisationsentwicklung an der Technischen Hochschule Nürnberg. Mit seinem Ansatz des Organisationscoachings begleiten er und sein Team Unternehmen in ihrer Transformation hin zu echtem New Work und einer neuen Arbeitswelt. Hier finden Sie weitere Kolumnen von Markus Väth

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