Wenn Sarah Gläßer zeigen will, was sie schon gelernt hat, packt sie einen weißen Klotz mit einer LED-Anzeige auf den Tisch. Er ist so groß wie eine Butterbrotdose. Darin: eine Platine, Kabel und Dutzende Elektrobauteile. „Ein Timer! Den habe ich selbst entwickelt“, sagt Gläßer. Zwei Wochen lang hat sie konzipiert, gesteckt und gelötet. Heraus kam ein Steuergerät, das Maschinen zeitgesteuert ein- und ausschalten kann.
Gläßer ist duale Studentin beim Heizungsbauer Vaillant in Remscheid. Den Timer hat sie an ihrer ersten Ausbildungsstation im Unternehmen entwickelt, in der Hardwareentwicklung. Normalerweise arbeiten sie dort an Wasserstoffheizungen, Wärmepumpen und digitalen Steuergeräten. „Den Timer brauchen wir eigentlich nicht für eine Maschine“, sagt Gläßer. Das sei ein eigenes Projekt gewesen, um ihr Wissen aus dem Studium einmal anzuwenden.
Wenn die 22-Jährige nicht bei Vaillant arbeitet, studiert sie Elektrotechnik. Es ist ihr zweiter Anlauf. „Erst habe ich mit Physik in Mainz angefangen. Ich wollte mich im Bereich regenerative Energien spezialisieren oder in die Forschung gehen“, sagt sie. Doch bald setzte die Ernüchterung ein. Gläßer stellte fest, dass die Grundlagenforschung ein hart umkämpftes Feld ist. Für direkte Entwicklungsarbeit war das Studium viel zu theoretisch. Dazu kam der Nebenjob, der sich schwer mit dem Studium vereinbaren ließ.
Drei Monate Hochschule, drei Monate Vaillant
So kam Gläßer auf die Idee, sich um ein duales Studium zu bewerben. Hier könnte sie etwas entwickeln und trotzdem studieren. Im Februar 2021 bewarb sie sich, seit September vorigen Jahres ist sie abwechselnd drei Monate an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Karlsruhe und drei Monate bei Vaillant.
Der Heizungsbauer kooperiert seit 2014 mit der Hochschule. Dabei trennen Remscheid und Karlsruhe 330 Kilometer. Ein weiter Weg. Doch die Ausbildungsleiterin Caroline Vogt verteidigt die Wahl. „Die DHBW ist die älteste duale Hochschule in Deutschland und hat viel Erfahrung in der Ausbildung der Studenten“, sagt Vogt. Dank der Zusammenarbeit kann das Unternehmen neben Elektrotechnik auch die Studiengänge Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik, Informatik und Maschinenbau anbieten. Durch eine Kooperation mit der FH Münster kommt noch das Fach Gebäudetechnik hinzu.
Damit die weiten Wege nicht zu sehr belasten, bemühe sich Vaillant, dass sich Studierende wohlfühlten, sagt Voigt: Zusätzlich zu den 1000 Euro Einstiegsgehalt für Azubis und Studierende stellt Vaillant Zimmer in Dreier-WGs für alle, die aus mehr als 60 Kilometern Entfernung kommen. Die 23 dualen Studierenden erhalten einen Wohnkostenzuschuss für die Zeit in Karlsruhe.
Die WG-Zimmer stehen prinzipiell auch den 33 angehenden Industriekaufleuten, Mechatronikern und Elektronikern zur Verfügung. Doch Vaillant rekrutiert die Auszubildenden viel häufiger aus der Umgebung. Denn Remscheid ist nicht Berlin, auch nicht Karlsruhe. Es gebe genug gute Ausbildungsstätten für Mechatroniker in Deutschland, weiß auch Vogt. Für die Ausbildung zieht kaum jemand her. Aber aus der Region drängt es viele in den Betrieb.

„Vaillant ist hier im Bergischen Land einfach das Unternehmen“, schwärmt Vivien Gottschalk. Die 20-Jährige ist im Blaumann unterwegs, ihre Tage verbringt die angehende Mechatronikerin derzeit in der Instandhaltung. Um 6.30 Uhr geht es los. Dann kümmert sie sich um geplante Reparaturen, Filterwechsel, tauscht Verschleißteile aus. Manchmal kommt es auch zu unerwarteten Ausfällen „Da müssen wir möglichst schnell und zielstrebig sein. Denn je nachdem wo es klemmt, kann auch mal eine ganze Produktionslinie stehen bleiben“, sagt Gottschalk. Da werde es auch mal stressig. Ein Zwischenfall pro Tag sei schon die Regel.
Gottschalk hat sich schon zu Schulzeiten für Technik und Naturwissenschaften interessiert. Doch ein Besuch beim Girls Day bei Vaillant, bei dem Mädchen frauenuntypische Berufe kennenlernen, überzeugte sie endgültig. Vaillant stach unter den anderen Unternehmen hervor. „Ich habe mich auch wegen des Nachhaltigkeitsaspekts für das Unternehmen entschieden“, sagt Gottschalk.
Umwelt- und Klimaschutz ist ein Kernthema für viele Auszubildende. Während junge Leute vor 20 Jahren möglichst schnelle Autos bauen wollten, hat ein Hersteller von Heizungen und Wärmepumpen nun die Nase vorn. Denn hier lässt sich effizientere Technik gegen den Klimawandel bauen. 15 Prozent der direkten CO₂-Emissionen in Deutschland entstehen in privaten Haushalten und im Dienstleistungssektor, ein großer Teil durchs Heizen. Als Mitarbeiterin beim Marktführer für Heizungen kann man also durch effizientere und umweltfreundlichere Heizungen einen Teil der Emissionen verringern.
Bedarf an gut ausgebildetem Personal

Auch für Fiona Feldhaus war die Ausrichtung des Unternehmens ein Grund, sich zu bewerben. Die 18-jährige Auszubildende zur Mechatronikerin ist derzeit im Testcenter eingesetzt, wo überprüft wird, wie hitzebeständig Geräte sind, wie lange sie halten und wie gut sie programmiert sind.
Am besten gefiel es Feldhaus bisher aber in der Instandhaltung. Dort würde sie nach ihrer Ausbildung gerne arbeiten. „Ein Jahr länger, als die Ausbildung geht, darf ich eh im Unternehmen bleiben“, sagt Feldhaus. So sei es vereinbart. Danach möchte sie vielleicht noch ihren Techniker machen.
Vaillant hat Bedarf an gut ausgebildetem Personal. Der Umsatz in der Wärmepumpenproduktion ist zwei Jahre in Folge um je 50 Prozent gestiegen dank staatlicher Förderung. Nun treibt der hohe Gaspreis die Nachfrage. Auch Gottschalk könnte dem Unternehmen treu bleiben. Sie erwägt, nach ihrer Ausbildung zu studieren, möglicherweise im dualen Studium bei Vaillant. Die Studentin Gläßer ist sich hingegen schon ganz sicher, wo die Reise hingeht: Sie bleibt im Unternehmen. Nach dem Bachelor soll Schluss sein mit Theorie. Sie arbeitet einfach lieber praktisch.