Wer Verantwortung trägt, verdient mehr Geld. Dieser simple Grundsatz wird in der Corona-Krise besonders deutlich ad absurdum geführt. Aktuell sind es massenhaft Menschen in schlecht bezahlten Jobs, die für den Rest der Gesellschaft ihre Gesundheit, wenn nicht gar ihr Leben riskieren. Da ist es ein schwacher Trost, dass Personen in systemrelevanten Berufen eher seltener um ihre Stelle bangen müssen. Oder, dass die Politik Einmalzahlungen als Dankeschön ankündigt. Die Covid-19-Krise zeigt auch, dass im Notfall viel Geld zu verteilen ist. Darüber hätten sich die unterbezahlten Leistungsträger schon vor der Krise und dem „Helden“-Jubel gefreut.
Systemrelevante Berufe sind schlecht bezahlt
Fachkräfte in der Gesamtwirtschaft (Produzierendes Gewerbe und Dienstleistungen) haben 2019 im Durchschnitt 3327 Euro monatlich verdient, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Viele Mitarbeiter in systemrelevanten Berufen liegen deutlich unter diesem Wert. „Auch innerhalb der einzelnen Branchen zeigen sich teils deutliche Verdienstunterschiede“, stellten die Experten mit Blick auf die verschiedenen Grade der Qualifikation fest.
Die Statistikbehörde teilt die Löhne je Branche grob in jeweils vier Kategorien ein.
- Leistungsgruppe 1: Arbeitnehmer in leitender Stellung mit umfassender kaufmännischer oder technischer Fachkenntnis, oft mit Hochschulabschluss
- Leistungsgruppe 2: Herausgehobene Fachkräfte, in der Regel mit mehrjähriger Berufserfahrung und speziellen Fachkenntnissen
- Leistungsgruppe 3: Fachkräfte, meist mit abgeschlossener Berufsausbildung
- Leistungsgruppe 4: Angelernte Arbeitnehmer mit überwiegend einfachen Tätigkeiten, die keiner beruflichen Ausbildung bedürfen; es ist aber eine Anlernzeit von bis zu zwei Jahren nötig
Verkäufer, Krankenpflegerinnen, Polizisten: So viel verdienen Menschen in systemrelevanten Berufen, die nicht nur in der Corona-Krise unsere Grundversorgung sicherstellen.
Wichtige Corona-Berufe: Das verdienen Krankenpfleger und Verkäufer
In Krankenhäusern fällt die Spanne beim Verdienst je nach Qualifikation besonders groß aus. Arbeitnehmer in leitender Stellung (zum Beispiel Ärzte) verdienten 2019 im Schnitt pro Monat 8545 Euro brutto. Herausgehobene Fachkräfte wie Intensivpfleger kamen laut dem Statistischen Bundesamt auf 4524 Euro. Bei einfachen Fachkräften (beispielsweise Krankenpfleger) sank der Durchschnittsverdienst in einer Vollzeitstelle auf 3502 Euro. Diese letzte Gruppe machte den Angaben zufolge exakt die Hälfte des Personals in Krankenhäusern aus. Krankenpflegerinnen verdienten damit nur unwesentlich mehr als den Durchschnittsverdienst ihrer Leistungsgruppe über alle Branchen hinweg (3327 Euro) – und das trotz der Systemrelevanz ihrer Tätigkeit und der großen Gefahr für die persönliche Gesundheit.
Bei einfachen Fachkräften in Altenheimen fiel der Durchschnittsverdienst noch niedriger aus. Altenpfleger erhielten 2019 durchschnittlich 3116 Euro im Monat. Diese Leistungsgruppe stellte ebenfalls rund die Hälfte (52 Prozent) des gesamten Personals.
Im Lebensmitteleinzelhandel geht in der Corona-Krise die Schere zwischen Verdiensthöhe und Bedeutung für die Grundversorgung besonders weit auseinander. Das Lohnniveau ist in dieser Branche generell niedrig. Vollzeitbeschäftigte verdienten 2019 über alle Leistungsgruppen hinweg durchschnittlich 2345 Euro brutto monatlich – fast 41 Prozent weniger als in der Gesamtwirtschaft (3994 Euro). Ein Grund ist die hohe Anzahl von angelernten oder ungelernten Beschäftigten. Ihr Anteil machte bei medizinischem Personal nur acht Prozent aus, im Lebensmitteleinzelhandel waren es 43 Prozent. Aber auch ausgebildete Fachkräfte (zum Beispiel Kaufleute im Einzelhandel) verdienten vergleichsweise wenig. Sie kamen den Angaben zufolge auf durchschnittlich 2186 Euro im Monat.
Angesichts von flächendeckenden Stromausfällen verliert Toilettenpapier-Knappheit jegliche Relevanz. Zum Glück ist die Energieversorgung in Deutschland bislang gesichert. Die Menschen, die dafür sorgen, gehören unter den systemrelevanten Berufen zu den Spitzenverdienern. Alle Beschäftigten in der Energieversorgung verdienten 2019 im Schnitt 5137 Euro. Das war mit Abstand der höchste Wert unter den elf Branchen, die laut Statistischem Bundesamt als systemrelevant eingestuft werden. Hier verteilte sich der Geldsegen gleichmäßiger als etwa in den Krankenhäusern. Leitende Mitarbeiter in der Energieversorgung lagen mit 7421 Euro „nur“ auf dem zweiten Platz hinter Ärzten. Dafür lagen die Löhne in allen übrigen drei Leistungsgruppen über denen aller Branchen. Angelernte Arbeiter verdienten mit 3314 Euro deutlich mehr als der Durchschnittswert für die gesamte Wirtschaft (2682 Euro). Sie kamen sogar fast auf den Mittelwert für die nächsthöhere Leistungsgruppe der Fachkräfte (3327 Euro).
Polizisten überwachen in der Corona-Krise die Einhaltung von Abstandsregeln, Rettungspersonal hilft bei Covid-19-Notfällen. Die Bedeutung dieser Berufe auch jenseits der Epidemie spiegelt sich nicht in den Gehältern wider. Der Durchschnittsverdienst der Branche „Öffentliche Sicherheit und Ordnung“ lag mit 3824 Euro unter dem Wert für die Gesamtwirtschaft (3994 Euro). Die Verdienstspanne betrug 6434 bis 2676 Euro.
Angesichts von leeren Regalen, in denen sich sonst Nudeln und Mehl gestapelt haben, ist die Wertschätzung für die Hersteller von Nahrungsmitteln sprunghaft gestiegen. Aber auch hier verdienen Mitarbeiter unterdurchschnittlich. Alle Leistungsgruppen kamen 2019 laut dem Statistischem Bundesamt auf 3102 Euro (Gesamtwirtschaft: 3994 Euro). Arbeitnehmer mit Führungsaufgaben verdienten 6561 Euro. Bei Fachkräften waren es nur 2865 Euro, angelernte Kräfte kamen auf 2513 Euro.
Getränkehersteller verzeichnen durch die Schließung von Restaurants, Kneipen und Clubs starke Umsatzeinbußen. Vor der Krise fielen die Löhne im Vergleich zu anderen systemrelevanten Berufen recht hoch aus. Alle Arbeitnehmer der Branche verdienten im Schnitt 3935 Euro, also fast exakt den Durchschnittswert der Gesamtwirtschaft. Unter den systemrelevanten Branchen belegte die Getränkeherstellung den dritten Platz hinter Energieversorgung und Krankenhäusern.
Hamsterkäufe haben die Logistik im Einzelhandel vor ungeahnte Herausforderungen gestellt. Immer wieder wurde betont: Es gibt genug Nudeln und Klopapier, die Waren müssen nur aus den Lagern in die Supermärkte gelangen. In der Corona-Krise kam es deshalb auf jede Lkw-Lieferung an. Mit dem Lohn wird es den Mitarbeitern der Branche allerdings nicht gedankt. Die Güterbeförderung im Straßenverkehr hat unter allen systemrelevanten Branchen mit Ausnahme des Lebensmitteleinzelhandels den niedrigsten Durchschnittsverdienst. Er lag 2019 bei 2624 Euro. Das war genau ein Drittel weniger als der Durchschnittslohn in der deutschen Gesamtwirtschaft (3994 Euro).
Viele Bahnen bleiben zwar leer. Aber auch in Krisenzeiten muss die Personenbeförderung im Regionalverkehr aufrechterhalten werden. Auch hier fielen die Löhne mit 3067 Euro unterdurchschnittlich aus. Angelernte Arbeitnehmer verdienten 2577 Euro, Führungskräfte 5872 Euro.
Die Branche „Abfallentsorgung und -rückgewinnung“ liegt mit einem Verdienst von 3315 Euro ebenfalls unter dem deutschlandweiten Durchschnitt. Dafür werden wenigstens Müllmänner vergleichsweise normal bezahlt. Angelernte Arbeitnehmer der Leistungsgruppe 4 kamen 2019 laut Statistischem Bundesamt auf 2779 Euro monatlich (Bundesdurchschnitt: 2682 Euro). Gebäudebetreuung (zum Beispiel Reinigung) sowie der Garten- und Landschaftsbau gehören ebenfalls zu den systemrelevanten Branchen. Der Durchschnittslohn belief sich auf magere 2700 Euro.
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