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Analyse Rex Tillerson zwischen Öl und Staat

Als ExxonMobil-CEO war US-Außenminister Tillerson für sein Projektmanagement bekannt. In Russland ist er nicht fertig geworden
Der designierte US-Außenminister Rex Tillerson bei seiner Anhörung im Senat
Der designierte US-Außenminister Rex Tillerson bei seiner Anhörung im Senat
© Getty Images

Im Januar 1998 hatte Rex Tillerson seinen Durchbruch. Damals übernahm er die Verantwortung für Exxons Projekte in Russland und am Kaspischen Meer, darunter das so vielversprechende wie anspruchsvolle Ölfeld Sachalin 1. Unter seiner Führung begann im Oktober 2005 die Förderung. Das Projekt lag im Zeitplan und nur 30 Prozent über den veranschlagten Kosten.

Eine beachtliche Leistung: Das Flüssigerdgas-Projekt Sachalin 2, das Royal Dutch Shell in derselben Gegend entwickelte, wurde erst mit einem Jahr Verzögerung fertig, und die Kosten hatten sich auf 20 Mrd. Dollar verdoppelt. Diese Probleme bei Sachalin 2 eröffneten der russischen Regierung die Möglichkeit, Shell zu zwingen, den beherrschenden Anteil des Projekts an Gazprom zu verkaufen.

Bei Sachalin 1 dagegen behielt Exxon seine Stellung an der Seite seines Partners, der staatlich kontrollierten Ölgesellschaft Rosneft. Noch heute läuft das Projekt erfolgreich. „Bei Exxon sind sie sehr systematisch und akkurat, und in Sachalin hat das sehr gut für sie funktioniert“, sagt Thane Gustafson von der Beratungsfirma IHS Markit. „Alles in allem war ihre Beziehung zu Rosneft stets sehr gut.“

Tillersons Erfahrungen in Russland stehen im Zentrum der Kontroverse um seine Nominierung zum US-Außenminister. Bei seiner Anhörung durch das Senatskomitee für Außenpolitik sah er sich einer Attacke von Senator Marco Rubio ausgesetzt, der auf die Menschenrechtslage unter Wladimir Putin Bezug nahm. Zudem befragten die Senatoren ihn wiederholt zu seiner Meinung über die Sanktionen, die die USA gegen Russland nach der Annexion der Krim verhängt haben.

Verdächtigungen bezüglich Donald Trumps Verbindungen nach Russland und die Vorwürfe, dass Putin ihn unterstützt habe, machen Rex Tillersons enges Verhältnis zu Russland besonders heikel. John McCain, der Senator aus Arizona, zeigte sich „sehr besorgt“ darüber, dass Tillerson 2013 den russischen Orden der Freundschaft aus der Hand Putins entgegengenommen hat. Dennoch schienen sich die Einwände gegen Tillerson über das Wochenende zu legen. Sowohl McCain als auch Senator Lindsey Graham aus South Carolina, der ebenfalls Bedenken gegen Tillerson angemeldet hatte, sagten nun, sie würden seine Ernennung in der Abstimmung des Senatskomitees unterstützen. Am 23. Januar stimmte der Ausschuss für Tillersen.

„Alles passt“

Man kann auch anders auf Tillersons Erfahrungen in Russland gucken: als Indikator für seinen Charakter und seine Kompetenz. Bei Exxon – seit 1999 ExxonMobil – hat er 41 Jahre lang gearbeitet und das Unternehmen elf Jahre lang als CEO geführt, bis er Ende vergangenen Jahres zurücktrat. Diese Karriere ist der Schlüssel, um seine Stärken und Schwächen zu verstehen. Tillerson ist Ingenieur, und Exxon ist ein Ingenieursunternehmen, das auf Effizienz und Präzision gepolt ist. „Exxon hat eine starke Unternehmenskultur“, sagt Robin West vom BCG Center for Energy Impact. „Darum gebeten, Deutschland zu definieren, hat Angela Merkel mal gesagt, es sei ein Land mit dichten Fenstern. Genauso funktioniert Exxon: Alles passt.“

Ein früherer Manager einer anderen Ölfirma sagt, Meetings mit Exxon über gemeinsame Projekte seien stets amüsant gewesen. Das Exxon-Team sei mit identischen Bürstenhaarschnitten, Khaki-Hosen und weißen Kurzarmhemden aufgeschlagen und habe seine Bleistifte und Notizblöcke in einer einheitlichen Formation auf dem Tisch arrangiert.

Das Schlüsselereignis, das diese Kultur zementierte, war der Untergang des Tankers Exxon Valdez im Jahr 1998. Dabei liefen 257.000 Fass Rohöl in den Prince William Sound an der Südküste Alaskas aus. In mancherlei Hinsicht war dies der schlimmste Ölunfall in der Geschichte der USA, und auf die Reputation von Exxon wirkte er verheerend. Entschlossen, dass sich so etwas keinesfalls wiederholen dürfe, durchleuchtete das Unternehmen seine Prozesse und führte ein sogenanntes Managementsystem zur Operationsintegrität (OIMS) ein. Dieses wird als „diszipliniertes“ Rahmenwerk für Risikomanagement und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit beschrieben. Heute wird bei Exxon alles nach Lehrbuch gemacht – beziehungsweise nach dem Aktenordner, der die OIMS-Anforderungen enthält.

Die gesamte Branche ist diesem Modell gefolgt. Mögen andere Manager Exxon belächeln, so bewundern sie das Unternehmen doch auch. Seine Erfolge sind unbestreitbar. Während Großprojekte, die zwischen 2011 und 2015 fertiggestellt wurden, im Branchendurchschnitt 17 Prozent über Budget lagen, waren es bei Exxon nur sieben Prozent.

Tillerson ist von dieser Kultur des hohen Anspruchs durchdrungen. Nachdem BP 2010 das Deepwater Horizon-Desaster verschuldet hatte, versuchte Tillerson erst gar nicht, seine Verachtung für die Fehler zu verbergen, die den Unfall erst ermöglicht hatten. „Die Aufsicht durch das Management war zusammengebrochen“, sagte er 2011. „Wenn man seine Arbeit ordentlich macht, passieren solche Dinge nicht.“

Große Fußstapfen für Tillerson bei Exxon

Zwei, die sich gut verstehen: Russlands Präsident Wladimir Putin (l.) und Rex Tillerson
Zwei, die sich gut verstehen: Russlands Präsident Wladimir Putin (l.) und Rex Tillerson
© Getty Images

Tillerson hat Bauingenieurwesen am der Universität von Texas studiert – inspiriert von der Mondlandung 1969, wie er gesagt hat. Die wurde von der Kontrollstation in Houston gelenkt, nur etwa 150 Kilometer von seiner Highschool in Huntsville entfernt. Bei Exxon hat er mehrere Aufgaben erfüllt: Er leitete die Förderung in Texas und Oklahoma und koordinierte internationale Gasverkäufe.

Nach seinem erfolgreichen Abstecher nach Russland und ans Kaspische Meer wurde er 2004 zum Präsidenten von Exxon – und damit zum offensichtlichen Nachfolger des hoch verehrten CEO Lee Raymond. Als Raymond Ende 2005 ging, war unvermeidlich, dass Tillerson ihm nachfolgte. Doch der so kantige wie brillante Raymond hinterließ große Fußstapfen. „Was auch immer Umweltschützer von ihm denken mögen, hat doch kein CEO seine Leute mehr inspiriert als Lee Raymond“, sagt der ehemalige Manager einer anderen großen Ölfirma. „Es war extrem schwer für Rex, eine vergleichbare Wirkung wie Lee zu entfalten.“


Zudem übernahm Tillerson sein Amt zu einer Zeit, als es für alle großen Ölfirmen bergab ging. Die Fracking-Revolution in den USA wurde von Unternehmen kleiner und mittlerer Größe angeführt, die agiler waren als die schwerfälligen Branchenriesen. Steigende Besorgnis über den Klimawandel führte dazu, dass Regierungen erneuerbare Energien und Biokraftstoffe unterstützten, die Elektromobilität und die Verbesserung der Energieeffizienz. Tillerson betonte, er akzeptiere, dass „das Risiko des Klimawandel existiert“, wie er es bei seiner Senatsanhörung ausdrückte. Doch diese Perspektive macht es nicht leichter, die raue See des Energiegeschäfts zu navigieren.

Einige Entscheidungen Tillersons sehen nach unnötigen Fehlern aus. So stimmte er zu, dass Exxon für 41 Mrd. Dollar XTO Energy kaufte, einen führenden Schiefergasproduzenten. Und das im Dezember 2009, kurz bevor in den USA der Jahre andauernde Preisverfall von Kraftstoffen einsetzte. Manche sagen, es sei verfrüht, diesen Deal für gescheitert zu erklären: Zweifelsohne hat er Exxon wertvolle Expertise in der Schiefergasproduktion beschert. Doch Anish Kapadia von Tudor Pickering argumentiert, der XTO-Deal habe „nicht wirklich funktioniert“, weil Exxon zu lange gebraucht habe, dieses Know-how von Gas auf das profitablere Öl zu übertragen. Während Tillersons elf Jahre als CEO kamen Anleger auf eine Aktienrendite von 112 Prozent – besser als Shells 63 Prozent in derselben Zeitspanne, aber weit unter Chevrons 205 Prozent.

Exxons ewige Frage lautet, wie ein Unternehmen seiner Größe weiter wachsen kann. Im vergangenen Jahr gewannen diese Sorgen noch an Gewicht. Nicht nur, dass die Fördermengen nicht stiegen – sie würden auch bis 2020 auf diesem Niveau verharren, wie das Unternehmen prognostizierte. Die Produktion liegt unter dem Level von 2000, als Exxon gerade seine Übernahme von Mobil abgeschlossen hatte. Im Februar 2016 gab das Unternehmen bekannt, es sei ihm 2015 zum ersten Mal in 22 Jahren misslungen, seinem Portfolio neue Reserven hinzuzufügen, die all das bereits geförderte Öl und Gas ersetzen würden. Im Februar warnte Exxon, es müsse unter Umständen weitere 19 Prozent seiner Reserven aus den Büchern nehmen: Die niedrigen Öl- und Gaspreise bedeuten, dass einige der Reserven von Exxon zurzeit nicht wirtschaftlich ausgebeutet werden können.

Exxon Mobil Aktie

Exxon Mobil Aktie Chart
Kursanbieter: L&S RT

Gerüchte legen nahe, dass Exxon nach einer anderen großen Übernahme Ausschau hielt, möglicherweise von Anadarko Petroleum oder Occidental Petroleum. Doch nichts materialisierte sich. Rohölpreise und Ölaktien begannen sich zu erholen, und der Zeitpunkt für Schnäppchen schien verstrichen.

Erst in jüngster Zeit hat sich die Stimmung etwas aufgehellt. Exxon war nie Weltbester in der Exploration, und dennoch hat das Unternehmen einen Offshore-Erfolg zu verzeichnen: das Liza-Feld vor Guyana enthält angeblich 1,4 Mrd. Fass Öleinheiten. Erst in der vergangenen Woche hat Exxon weitere geschätzte 3,4 Mrd. Fass erworben, indem es der reichen texanischen Bass-Familie für 6,6 Mrd. Dollar mehrere Unternehmen abkaufte, inklusive Bohrrechte auf über 1100 Quadratkilometern im US-Bundesstaat New Mexico. Den Deal hat Tillerson mit der Bass-Familie ein Jahr lang ausgehandelt. Die jüngsten Meldungen haben Paul Sankey von Wolfe Research dazu bewogen, seine Analyse der Aussichten von Exxon von „underperform“ auf „peer perform“ – also Marktdurchschnitt – hochzustufen.

Die russische Gleichung

Nichtsdestotrotz fehlt immer noch ein großes Puzzlestück: Russland. 2011 machten sich offenbar die guten Beziehungen bezahlt, die Tillerson zu Rosneft aufgebaut hatte – und insbesondere zu dessen CEO Igor Setschin, einem engen Verbündeten Putins. Rosneft hatte mit BP vereinbart, gemeinsam die arktischen Gewässer im Norden Russlands zu explorieren. Doch Einwände der russischen Milliardäre, die in dem Joint Venture TNK-BP mit BP verpartnert waren, durchkreuzten den Plan. Also nahm Exxon den Platz von BP ein – und unterzeichnete eine Reihe von Deals für Projekte in Westsibirien, der Schwarzmeerregion und der Arktis.

Die Deals erweckten den Anschein, als könnten sie Exxon Wachstumspotenzial für Jahrzehnte eröffnen. Es war ein harter Schlag für das Unternehmen, als die US-Regierung 2014 Sanktionen verhängte und damit all diese Projekte blockierte. Exxon hat immer deutlich gemacht, dass es diese Hindernisse als zeitlich begrenzt ansieht. Die 1 Mrd. Dollar, die es kosten würde, die dortigen Assets abzuschreiben, steht nicht in seiner Bilanz. Würden die US-Sanktionen abgeschafft, würde das für Exxon erheblichen Rückenwind bedeuten. Trump hat wiederholt erklärt, er stehe dem aufgeschlossen gegenüber.

Während seiner Anhörung erneuerte Tillerson die Aussage, er werde im Amt dem amerikanischen Volk dienen, nicht ExxonMobil. Zudem werde er alle finanziellen Beziehungen zu seinem alten Arbeitgeber abbrechen. Das würde bedeuten, dass er seine ausstehende Abfindung von rund 180 Mio. Dollar in Cash statt in Aktien bekäme. Dass er Sanktionen skeptisch gegenübersteht, hat er jedoch bereits klargestellt. Vor Exxon-Aktionären sagte Tillerson im Mai 2014: „Wir unterstützen Sanktionen generell nicht, weil wir sie für ineffektiv halten – es sei denn, sie werden sehr gut implementiert.“

Später äußerte er sich dahingehend, dass Exxon „auf höchstem Level“ gehört werde. Allein 2014 und 2015 stattete er dem Weißen Haus fünf Besuche ab. Exxon hat betont, es stelle „Informationen über die Auswirkungen von Sanktionen“ zur Verfügung. Außerdem hat es seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, „dass Sanktionen fair zu US-amerikanischen Unternehmen“ sein sollten, statt Lobbyarbeit gegen sie zu betreiben. Diese Gedanken hallten auch in seiner Anhörung wider, als er Sanktionen als „machtvolles Instrument“ beschrieb, dass allerdings gut designt werden müsse.

Aller Voraussicht nach dürfte Tillerson schon bald in der Lage sein, diese Ansichten mit der Autorität eines Ministers zu äußern. Als CEO ist es ihm nicht gelungen, ein ganz neues Wachstumskapitel für Exxon aufzuschlagen. Trump könnte helfen, nun genau das zu erreichen.

Copyright The Financial Times Limited 2017

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