Der Softwarehersteller SAP strebt eine rigorose Neuausrichtung seiner Personalpolitik an. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, will das Management rund um Vorstandssprecher Christian Klein den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern künftig nicht nur Noten geben, sondern sie überdies in drei Kategorien einstufen – wer am unteren Ende der Skala landet, dürfte unter Druck geraten. Zudem gibt es dem Bericht zufolge konkrete Überlegungen, die Mitarbeiter künftig an drei Tagen pro Woche zur Anwesenheit im Büro zu verpflichten.
Die Einstufung des Personals basiert auf dem sogenannten Winning-Culture-System. Die Belegschaft wird dabei in drei Gruppen unterteilt: Leistungsbringer oder „Performer“, die bei Bonuszahlungen besonders berücksichtigt werden. Zweitens die „Achiever“, die die Erwartungen des Arbeitgebers erfüllen, sie dürften das Gros ausmachen. Und schließlich sogenannte „Improver“, die sich verbessern müssen. Mitarbeiter, die sich am untereren Ende der Skala wiederfinden, sollen ein verpflichtendes Coaching erhalten. Ein "Performance Improvement Plan" gibt demnach detaillierte Vorgaben, was sie zu tun haben.
Geht es nach dem Management, schreibt das Blatt, soll das neue leistungsbasierte System schon bald das aktuelle ablösen. Das derzeitige Bewertungssystem wird seit 2017 angewandt. Es basiert auf einem kontinuierlichen Dialog zur persönlichen Entwicklung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden, entsprechend wird es auch „SAP Talk“ genannt. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hätten verärgert auf die Pläne reagiert, heißt es unter Berufung auf informierte Kreise. Die Kritik: Das Ziel des neuen Systems könnte unter anderem auch sein, Personal abzubauen.
Methode aus den 80ern zum Personalbbau?
Laut „Handelsblatt“ strebt Klein eine größere Personalrotation innerhalb von Deutschland an. Auch dazu solle das neue Bewertungssystem beitragen. In Arbeitnehmerkreisen wird die neue Methode als Variante des umstrittenen „Stack Ranking“ gesehen, einer Managementmethode, die in den 1980er-Jahren in den USA durch den General-Electric-Chef Jack Welch bekannt wurde. Diese Methode basiert auf der Annahme, dass eine Firma ihr Personal verbessert, indem sie sich jährlich von den vermeintlich schlechtesten Mitarbeitern trennt. SAP schätzt den Anteil der Mitarbeiter, die zur unteren Kategorie zählen, dem Bericht zufolge auf drei bis fünf Prozent der Belegschaft.
Für Unmut sorgt dem Blatt zufolge auch der Vorschlag des SAP-Chefs, die Anwesenheit im Büro an drei Tagen pro Woche verpflichtend zu machen. Bislang galten individuelle Absprachen mit den Vorgesetzten. Gewerkschaftsvertreter kritisierten, dass die geplanten Maßnahmen den Arbeitsdruck erhöhten und das Arbeitsumfeld negativ beeinflussen könnten. Auch nicht gewerkschaftlich organisierte Mitglieder des SAP-Betriebsrats halten die Einführung eines solchen klassischen Leistungsbewertungssystems für problematisch. Die Pläne widersprächen der bisherigen entwicklungsgeprägten Bewertungskultur bei SAP und stellten das Vertrauensverhältnis zwischen Management und Mitarbeitern auf die Probe.
Ob das neue Bewertungssystem tatsächlich Einzug hält, ist offen. Die Einführung eines neuen Personalbewertungssystems ist mitbestimmungspflichtig. Auf Nachfrage von ntv.de hieß es, es handele sich um laufende Verhandlungen mit offenem Ergebnis. „In unserer dynamischen Branche ist entscheidend, die Kompetenzen von Mitarbeitenden kontinuierlich zu erweitern, Feedback konstruktiv zu nutzen und dauerhaft zu lernen“, so der SAP-Sprecher Björn Emde. „Wir sind überzeugt, dass unsere Mitarbeitenden im Job Leistung zeigen wollen. ... Hierzu setzen wir auf regelmäßiges Feedback und klare Zielvorgaben. Und unterstützen, falls es zu Schwierigkeiten kommt.“ SAP galt bislang immer als einer der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands: In Rankings landete der Softwarehersteller regelmäßig weit vorn.
Dieser Text ist zuerst bei ntv.de erschienen.