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Management Reputation – das Kapital in den Köpfen

Was Reputation wert ist, sieht man erst, wenn sie ramponiert ist – wie am Beispiel Volkswagen
Er läuft und läuft und läuft: Der VW Käfer begründete einst den guten Ruf der Wolfsburger Automarke
Er läuft und läuft und läuft: Der VW Käfer begründete einst den guten Ruf der Wolfsburger Automarke

Joachim Schöpfer leitet die Agentur Serviceplan Corporate Reputation in Berlin, die zur Serviceplan Gruppe gehört. Er sieht sich als Grenzgänger zwischen Kreation und Strategie. Inhaltlich liegen seine Schwerpunkte auf Reputations- und Nachhaltigkeitskommunikation

Beim VW-Skandal haben sich innerhalb einer Woche 40 Mrd. Euro Börsenwert in Luft aufgelöst. Abgesehen davon, dass die Folgekosten die Gewinne abbröckeln lassen werden, hat die Flucht der Aktionäre einen ganz simplen Grund: Man traut VW nicht mehr. Der Ruf ist ruiniert. Was dieser Reputationscrash an weiteren Konsequenzen haben wird – etwa bei den Kunden – ist noch nicht absehbar. Aber es ist mehr als deutlich: Das psychologische Momentum Reputation ist ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor.

Deshalb fragt man sich, warum Reputations-Management eigentlich keine größere Rolle in Unternehmen spielt. Die simple (und falsche) Antwort darauf heißt, dass es ja in jedem größeren Unternehmen bereits eine Form von Reputations-Management gibt. Nur heißt das dort Compliance. Und diese Compliance- und Kontroll-Instanz hat bei VW offensichtlich versagt.

Das ist allerdings zu kurz gedacht, denn Compliance bedeutet vereinfacht gesagt, dass man darauf aufpasst, nichts falsch zu machen. Compliance ist dafür da, Skandale zu verhindern. Reputation muss nach dieser Theorie also nur geschützt werden. Die gute Reputation selbst entsteht – bei Abwesenheit von Skandalen –sozusagen als Nebeneffekt: Weil man wirtschaftlich erfolgreich ist, gute Produkte auf den Markt bringt, ein gutes Verhältnis zu den Arbeitnehmern hat etc.. Reputation wäre demnach lediglich ein Bonus guter Arbeit.

Der Fehler liegt im System

Und genau dieses Denken ist heutzutage veraltet. Beispiel VW: Natürlich hat hier die Compliance-Abteilung versagt, aber der eigentlich Schuldige ist ein System, dass den Skandal überhaupt erst möglich gemacht hat. Compliance ist dazu da, eigentlich selbstverständliche Regeln zu formulieren und einzelne schwarze Schafe zu identifizieren. Wenn der Fehler aber im System liegt, also tausende von Mitarbeitern über Jahre und offensichtlich ohne Schuldbewusstsein betrügerische Software entwickeln und einbauen konnten, sind Compliance-Richtlinien das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.

Stellen wir uns einmal vor, Reputation wäre ein Prinzip, das bereits ganz fest in die DNA von VW eingebaut wäre. Was hätte das bedeutet? Zunächst einmal, dass Reputation kein Thema für eine Stabstelle wäre, sondern für alle Mitarbeiter. Konkret: Jeder der bei VW arbeitet, wäre aufgefordert, alles zu tun um den guten Ruf des Unternehmens zu stärken. Hätte es dann den Abgas-Skandal gegeben? Vermutlich nicht. Denn zwischen den Zielen die Reputation zu stärken und dem die Verkaufszahlen zu pushen, hätte es einen überdeutlichen Konflikt gegeben. Es wäre leicht gewesen, der Versuchung zu widerstehen.

Aber noch andere, positive und in die Zukunft gerichtete Perspektiven würde das Strategieziel Reputation eröffnen. Reputation bildet sich in den Köpfen (und auch in den Herzen) der Menschen mit denen ein Unternehmen zu tun hat. Das sind Kunden, Investoren, Journalisten, Mitarbeiter die breite Öffentlichkeit und so weiter – kurz alle Stakeholder.

Manager bauen an ihrem Denkmal

Eine konsequente Ausrichtung an Stakeholdern mit dem Ziel Reputationsaufbau, bewahrt Unternehmen vor zwei großen Gefahren: Der Nabelschau und der Versteinerung. Auch hier ist VW wieder ein perfektes Beispiel, was man falsch machen kann. Die VW-Show läuft ja nicht nur seit dem Abgas-Skandal schief. Vorher gab es ein vor einer breiten Öffentlichkeit zelebriertes Machtgerangel. Nutzen für die Stakeholder? Nada. Außerdem gibt es das Ziel, der größte Autohersteller der Welt zu werden. Das Ziel wurde vor kurzem sogar (kurzfristig) erreicht. Aber ist schiere Größe ein Ziel, das Stakeholder begeistert? Vermutlich weniger stark als die Manager, die hier an ihrem Denkmal bauen.

Ein Ziel gibt es in der Unternehmensstrategie von VW, das tatsächlich reputationswirksam ist: der nachhaltigste Automobilkonzern der Welt zu werden. Und genau dieses Ziel ist jetzt durch die Trickserei am nachhaltigsten beschädigt.

Wäre Reputation das oberste Unternehmensziel würde man vermutlich folgende Effekte bei VW beobachten:

Nachhaltige Mobilität würde eine wesentlich wichtigere Rolle spielen und VW würde tatsächlich eine Vorreiterrolle einnehmen. Denn die Zukunft der Mobilität ist eine gigantische Herausforderung für Mensch und Umwelt – also für den denkbar größten Kreis an Stakeholdern von Peking bis San Francisco. Deshalb ist es auch nicht abwegig zu behaupten, dass derjenige, der hier die besten Antworten liefert, auch die beste Reputation aufbauen wird.

Eine konsequente Stakeholder-Orientierung würde auch die Organisation und die Art wie Entscheidungen getroffen werden verändern. Kreativität und Ideen hätten es leichter – sie sind schließlich die Vorrausetzung, um sich dynamisch entwickelnden Stakeholder-Bedürfnissen gerecht zu werden.

Weckruf bietet Chancen

Die dafür notwendigen flachen Hierarchien würden es jüngeren Talenten erleichtern, schneller nach vorne zukommen. Statt eines Top-Managements im Rentenalter würde man auch mal jüngere Gesichter sehen. Dass dies kein Schaden sein muss, sieht man in Amerika, wo die Mark Zuckerbergs dieser Welt in einem Alter gigantische Werte schaffen, in dem der Jung-Manager hierzulande seinem Chef noch die Aktentasche hinterherträgt. Und vielleicht schaffen es dann endlich auch mal die an die Schalthebel, die rund die Hälfte aller Stakeholder vertreten – Frauen.

Am Ende ist die VW-Krise ein Weckruf und bietet die Chance, Dinge fundamental zu verändern. Wir dürfen gespannt sein, welchen Weg VW hier gehen wird. Vielleicht ist es ja der Weg des konsequenten und strategischen Reputationsaufbaus.

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