Capital: Stimmt es, dass Sie als Kind Journalist werden wollten?
Paul van Dyk: Für mich war das der absolute Traumberuf, ich hatte immer so viele Fragen. Doch mein ständiges „Wieso, weshalb, warum?“ hat in der DDR oft zu Problemen geführt, fragen Sie mal meine Mutter …
Wieso, weshalb, warum haben Sie dann eine Ausbildung zum Nachrichtentechniker gemacht?
Ich habe das Radio und die Musik als mein Tor zur Welt verehrt. Als unser Ausreiseantrag aus der DDR genehmigt wurde, musste ich abbrechen und habe stattdessen eine Lehre zum Tischler angefangen.
Und dann ging’s doch noch von der Werkbank ans DJ-Pult …
Als die Mauer weg war, bin ich in die Clubs gerannt und habe die Musik eingeatmet. Ich begann, selbst Tapes zu mixen, so kam es zum ersten Auftritt. Zweieinhalb Jahre lang habe ich nachts im Studio gesessen und tagsüber an der Werkbank gestanden. Mit 19 hat mein Meister mich ermutigt, den Schritt in die Kunst zu wagen.
Einen Traum zu leben, das fängt oft nicht so traumhaft an, oder?
Anfangs hatte ich tatsächlich gar nichts, ich musste täglich abwägen, ob ich mir etwas zu essen oder am Ende der Woche eine neue Platte kaufe. Das war hart. Aber nur, wenn man für einen Traum etwas opfern muss, wird daraus eine ehrliche Passion. Erst 1994 konnte ich von der Musik halbwegs leben.
Rucksackurlaub statt Luxus
Seitdem ist viel passiert. Als einziger deutscher DJ schaffen Sie es regelmäßig in die Top Ten der Bestverdiener Ihrer Branche. Wann stand erstmals die Million im Raum?
Meine erste Million stand eher auf der Straße, als ich 1997 bei der Loveparade vor einer Million Fans an der Siegessäule spielen durfte. Zum Millennium sind erstmals Gagen geflossen, zu denen ich nur „Wow“ sagen konnte. Doch Luxus war mir nie wichtig. Lieber mache ich Rucksackurlaub mit meiner Frau. Oder helfe benachteiligten Berliner Kindern mit dem Projekt „Rückenwind“.
Sie werden oft für Werbekampagnen angefragt. Haben Sie eine goldene Businessregel?
Wenn ein großer Scheck winkt, kann man seine Überzeugung schnell verraten. Das mag verlockend sein, doch die Menschen merken sofort, wenn du dich verkaufst. Ich würde für Geld nie etwas tun, wofür ich mich verstellen müsste.
Ständige Grundangst nach Bühnenunfall
Vor anderthalb Jahren hatten Sie einen schweren Bühnenunfall.
Ich lag tagelang mit Hirnblutungen und Brüchen an der Wirbelsäule im komatösen Zustand. Natürlich lebe ich jetzt viel intensiver. Doch das macht mich nicht unbeschwerter. Im Gegenteil, ich habe jetzt ständig eine Grundangst.
„I Am Alive“ heißt die erste Auskopplung aus dem neuen Album.
Es war lange Zeit unklar, ob ich je wieder arbeiten kann. Doch wenn ich jetzt auf der Bühne stehe , bin ich einfach nur glücklich und verspüre eine riesige Dankbarkeit. Deshalb möchte ich unbedingt etwas zurückgeben. Es gibt sehr wenige Menschen, die deutlich machen können, wie wichtig die Unterstützung und das Engagement jedes einzelnen Menschen sind, der zur Genesung beiträgt. Über genau diese Erfahrungen möchte ich jetzt ein Buch schreiben.