Mit der Globalisierung verhält es sich wie mit dem Sonnenaufgang: geschieht täglich und ist unaufhaltsam. Das denkt man jedenfalls. Dass aber globale Wirtschaftsverflechtung keine Naturgewalt ist, zeigt diese Woche mit gleich drei Ereignissen.
1. Indien stoppt die WTO
Ein globales Welthandelsabkommen der WTO ist gescheitert. Indien sperrte sich in der vergangenen Nacht gegen eine fristgerechte Unterzeichnung. Da half es auch nicht, dass US-Außenminister John Kerry kurz den Nahen Osten verließ, um in Neu Delhi die neue indische Regierung zu bearbeiten. Der neue Premierminister Narendra Modi brach damit ein Versprechen, das sein Vorgänger noch gegebenen hatte. Streitpunkt: die Lebensmittelsubventionen des Landes. Modi sagt, dass sie überlebenswichtig für die Armen seines Landes seien. Konkurrierende Agrarländer sagen, dass sie das durchaus verstünden, aber darin auch eine Maßnahme sehen, um indische Bauern abzuschirmen vom Weltmarkt. Eigentlich sollte dieses Problem bis 2017 vertagt werden, aber Modi wollte eine Lösung jetzt und bekam sie nicht.
Das Wort „epochal“ wird oft benutzt, aber hier hätte es angebracht sein können. Denn es wäre das erste WTO-Handelsabkommen seit 20 Jahren gewesen. Ein Zeichen, dass multilaterale Handelsabkommen keine Idee von gestern sind. Experten glauben, dass es einen Wachstumsimpuls von einer Billion Dollar gegeben und über 20 Millionen Arbeitsplätze geschaffen hätte.
Nun gut, wenigstens hat John Kerry jetzt wieder Zeit, sich um den Nahen Osten zu kümmern. Dort brach am Freitag morgen ein Waffenstillstand zusammen.
2. Argentinien stoppt die Hedgefonds
Bis Mittwoch hatte die argentinische Regierung unter Cristina Kirchner Zeit, sich vor allem mit dem US-Hedgefond NML Capital auf eine Regelung in der Schuldenfrage zu einigen. Das gelang nicht, „technische Zahlungsunfähigkeit“ folgte. „Technisch“, weil Argentinien zwar zahlen könnte, aber nicht will.
Ein US-Gericht hatte NML Capital Recht gegeben, als er nicht auf einen Anteil argentinischer Schulden verzichten wollte - so wie alle anderen Gläubiger des Landes auch. Dem wirtschaftlich strauchelnden Argentinien sind eigentlich die Hände gebunden, konnte das Land die anderen Gläubiger doch nur zum Verzicht überreden als es gleichzeitig versprach, Hedgefonds nicht die volle Summe auszuzahlen. Nun bekommt niemand Geld, auch nicht der größte Einzelgläubiger Deutschland, bei dem Argentinien mit 2,6 Milliarden in der Kreide steht. Letztlich ist der Widerstand Argentiniens aber auch der Widerstand eines Landes gegen die Gerichtsbarkeit eines anderen Landes, der es sich niemals formal unterworfen hatte. Das war bei einem anderen Fall anders: Russland wurde von einem internationalen Schiedsgericht in Den Haag zu einer Rekordstrafe von 50 Milliarden Dollar verurteilt, hat aber bereits angekündigt, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.
3. Die EU will Russland mit Sanktionen stoppen
Da sind sie nun, die EU-Sanktionen, ob sie nun wirken oder nicht. Dass es szu ihnen kommen würde, war keineswegs sicher. Die Briten wollten, dass die Rubel weiter nach London rollen, die Franzosen wollten unbedingt noch Hubschrauberträger nach Russland exportieren und die Deutschen sind die größten EU-Handelspartner von Russland, die können sowieso kein Interesse an Sanktionen haben. Aber doch: Fortan sollen es russische Banken schwerer haben, auf den EU-Finanzmärkten zu agieren, Güter, die zivil und militärisch genutzt werden können, dürfen nicht mehr exportiert werden und klassische Rüstungsexporte sind in Zukunft auch verboten. Nur ein Bereich wurde von der Sanktionsliste ausgenommen: die Gaslieferungen, auf die beide Seiten angewiesen sind.
Das zeigt: Man kann durchaus oberhalb der Tischkante mit dem Revolver herumfuchteln während man darunter das Knie des Nachbarn streichelt. Es zeigt aber auch: was einmal verflochten ist, lässt sich kaum wieder komplett aufdröseln.