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Haltlose Versprechen Love Bombing: So locken Unternehmen Bewerber an

Arbeiten, wo und wann ich will? Bei manchen Ankündigungen sollten Bewerber skeptisch werden.
Arbeiten, wo und wann ich will? Bei manchen Ankündigungen sollten Bewerber skeptisch werden.
© IMAGO / Zoonar
Mit großen, aber leeren Versprechen suchen Firmen nach Mitarbeitern. Das führt schnell zu Frust auf beiden Seiten. Worauf Bewerber achten sollten, um den passenden Job zu finden, erklärt die Beraterin Laura Klimecki im Interview
Laura Klimecki
Laura Klimecki berät unter dem Markennamen „Die Münchner Psychologin“ Führungskräfte.
© Laura Klimecki

Love Bombing ist aus dem Dating-Bereich bekannt, was bedeutet es in der Arbeitswelt?
LAURA KLIMECKI: Wie beim Dating wirst du mit Liebe bombardiert: Du bekommst ein Übermaß an Aufmerksamkeit, Geschenke – wie eine Liebeswelle. Das fühlt sich toll an, auch in der Arbeitswelt. Der Arbeitgeber rollt den roten Teppich aus, und du denkst, du bist im Himmel gelandet. Das Ziel: Einen Mitarbeiter zu finden und schnell an sich zu binden. Wenn du tatsächlich bei der Firma anfängst, stellst du allerdings fest, dass vieles davon nicht eingehalten wird, der Arbeitgeber vielleicht gar nicht alles einhalten kann.

Welche leeren Versprechen machen Arbeitgeber besonders gern?
Im Grunde genommen alles, was der Bewerber so hören möchte. Wer es gut macht, findet zuerst heraus, was der Kandidat genau will, denn jeder empfindet ja Liebe und Aufmerksamkeit auf seine Art und Weise. Der eine wünscht sich flexible Arbeitszeiten, und der Arbeitgeber sagt: „Kriegst du!“. Ein anderer Bewerber will ein ÖPNV-Ticket, und der Arbeitgeber sagt: „Kriegst du!“. Alles, was der potenzielle Mitarbeiter fordert, wird sofort versprochen, ohne es vertraglich festzuhalten.

Steckt dahinter Absicht oder pure Verzweiflung im Rennen um fehlende Fachkräfte?
Es gibt verschiedene Motive. Wer Schwierigkeiten hat, überhaupt geeignete Mitarbeiter zu finden, verspricht aus Verzweiflung eher das Blaue vom Himmel. Arbeitgeber machen das aber nicht so oft wie zum Beispiel Headhunter. Die profitieren ja sehr stark davon, wenn sie einen Kandidaten davon überzeugen, einen Fuß in die Tür der Firma zu setzen. Das läuft dann ein bisschen wie im Vertrieb: Man verspricht einen Ferrari und liefert halt ein Fahrrad. Oft wird viel versprochen, um überhaupt erst einmal Aufmerksamkeit zu bekommen. Der aktuelle Arbeitsmarkt spielt dabei eine große Rolle: Würden ganz viele qualifizierte Bewerber den Arbeitgebern die Tür einrennen, bräuchten diese Love Bombing überhaupt nicht.

Betreiben auch seriöse und große Arbeitgeber Love Bombing?
Tendenziell weniger. Denn sie wissen, was sie realisieren können und was nicht. Love Bombing entsteht eher bei neuen Unternehmen, in denen die Gründer oder Mitarbeiter vielleicht gar nicht wissen, ob sie ein Versprechen überhaupt einhalten können. In diesem Fall handelt es sich eher um Naivität als Böswilligkeit. Love Bombing gibt es überall dort, wo Angebot und Nachfrage kippen. Aktuell haben wir einen Arbeitnehmermarkt. Da muss der Arbeitgeber mehr bieten. Das war früher anders: Da musste sich der Bewerber ganz schön ins Zeug legen.

Also ist Love Bombing in der Arbeitswelt kein neues Phänomen?
Nein, es ist nur präsenter geworden. Corona hat den Arbeitsmarkt gefühlt leergefegt. Führungskräfte und Unternehmer sagen alle das Gleiche: Es gibt immer weniger fähiges Fachpersonal, und das auf allen Ebenen – der Streit um qualifizierte Mitarbeiter eskaliert. Doch Unternehmer, die falsche Versprechen machen, verlieren Mitarbeiter schneller, als sie gucken können. Kein Wunder, dass sie über eine hohe Fluktuation klagen. Das Problem ist nur: Selbst Firmen, die viel versprechen und dann auch noch vieles davon wahr machen, haben Probleme, ihre Mitarbeiter dauerhaft zu halten.

Welche Bewerber werden besonders „bombardiert“?
Gefühlt in allen Branchen. Die Gastronomie zum Beispiel hat ja zurzeit enorm zu kämpfen. Neulich habe ich in einem Lokal ein Schild gesehen, auf dem stand: „Seien Sie bitte nett zu unserem Kellner – ihn können wir schwerer ersetzen als einen Gast“. „Der Kunde ist König“ gilt nicht mehr. Wobei man sagen muss: Zum Love Bombing gehören ja immer zwei dazu. Ein Bewerber fällt ja nur dann in den Honigtopf, wenn er ein „perfektes Angebot“ einem fairen Angebot vorzieht.

Was raten Sie deshalb Jobsuchenden?
Auf dem aktuellen Arbeitsmarkt hätten viele Bewerber gerne alles. Aber selbst wenn sie es bekommen, wären sie am Ende nicht immer glücklich. Ich sollte mir einfach überlegen, was mir als Arbeitnehmer wichtig ist. Will ich lieber einen soliden Job, bei dem ich mich wohlfühle? Oder will ich super viel Geld und es ist total egal, wie es mir dabei geht? Suche ich einen Job, bei dem ich gefördert und gefordert werde? Oder will ich nur nehmen und wenig geben? Manche Firmen machen von Anfang an alles möglich: von Massagen bis hin zur Übernahme von Internet- und Telefonkosten. Ironischerweise gewöhnen sich die Mitarbeiter schnell daran und sind wieder unglücklich. Das kennen wir aus der Psychologie: Jemand, der alles bekommt, was er will, hat sich nach drei Monaten so an dieses Glückslevel gewöhnt, dass auch das nicht mehr reicht, um wirklich happy zu sein. Arbeitnehmer sollten sich überlegen, ob alles, was sie so in den sozialen Netzwerken sehen, wirklich wichtig ist, um im Job am Ende zufrieden zu sein. Unsere Eltern haben oft weniger verdient, blieben länger in einer Firma und waren insgesamt oft zufriedener mit ihrem Job als die jetzige Generation.

Wie merke ich als Bewerber, dass etwas nicht stimmt, wann sollte ich hellhörig werden?
Keine gesunde Beziehung ist perfekt, weder im Privatleben noch in der Arbeitswelt. Wenn du also das Gefühl hast, du hast die perfekte Arbeit gefunden, solltest du skeptisch werden. Arbeitnehmer, die einen Job realistisch betrachten, fallen weniger auf falsche Versprechungen rein. Die wissen, dass man auch mal kompromissbereit sein muss. Je höher die eigenen Ansprüche an den Job, desto schwieriger wird es, ihnen gerecht zu werden. Das heißt, desto eher passiert Love Bombing und desto größer ist am Ende dann auch die Enttäuschung. Wenn beide Seiten realistisch bleiben, aufeinander zugehen und schauen, wie es sich entwickelt, entsteht langfristig eine gute Arbeitsbeziehung.

Zu traumhafte Bedingungen sind also eher ein Grund, nicht bei einem Unternehmen anzufangen?
In einer guten Beziehung gibt nie einer alles, während der andere alles nimmt. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Gerade in der Arbeitswelt, wo ja der Arbeitgeber nicht nur eine Person, sondern ganz viele Mitarbeiter zufriedenstellen muss, ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn ich nicht alles sofort geschenkt bekomme, sondern es einen klaren und nachvollziehbaren Plan gibt, dann ist das wahrscheinlich der bessere Arbeitgeber. Umgekehrt gibt es auch Bewerber, die Love Bombing betreiben, indem sie behaupten, alle Anforderungen zu erfüllen und immer zur Verfügung zu stehen, auch am Wochenende. Auch hier kann sich dann plötzlich der Mitarbeiter nicht mehr daran erinnern, das jemals versprochen zu haben. Zusammengefasst: Beide Seiten sollten die rosa Brille abnehmen. Es gibt weder den perfekten Arbeitgeber noch den perfekten Arbeitnehmer. Harte Fakten sollten in den Arbeitsvertrag, der Rest ist wie in einer Beziehung. Für deren Gelingen hilft auch ein Ehevertrag nichts.

Wie überzeugen Arbeitgeber Bewerber somit am besten von sich?
Durch Ehrlichkeit und Transparenz. Durch einen Fahrplan, was ein Bewerber sofort erwarten kann, was vielleicht erst in einem Jahr oder was generell an seine Leistung gekoppelt ist. Dann haben beide Parteien etwas, woran sie sich Schritt-für-Schritt entlanghangeln können.

Das Interview ist zuerst bei ntv.de erschienen

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