Seit seinem Studium arbeitet Felix im Vertrieb wechselnder Unternehmen. Er mochte das immer: auf Veranstaltungen gehen, neue Leute kennenlernen, über das eigene Produkt reden – da war er ganz in seinem Element. Was ihm nie so richtig lag, war das Ganze „dahinter“: Unterlagen zusammenstellen, Kalkulationen aufsetzen, zum zehnten Mal nachhaken. Irgendwie schaffte er es immer, sich um solche unliebsamen Aufgaben herumzumogeln. Aber schon im letzten Job war diese Haltung allmählich zum Problem geworden, und weil Felix das endlich mal „in den Griff kriegen“ wollte, suchte er Rat.
Zusammen haben wir uns erst einmal angeschaut, wie Felix Entscheidungen trifft. Und dabei festgestellt, dass er sich – höchst menschlich – immer für die angenehmste Variante entscheidet. Das führt dazu, dass sich die Aufgaben, denen er aus dem Weg geht, immer weiter aufstauen und sein schlechtes Gewissen täglich wächst. Am schlimmsten wird es, wenn sich irgendwann die Angst vor der eigenen Unfähigkeit dazugesellt. Dann vereinbart Felix in aller Regel noch mehr Kundentermine, um all dem zu entfliehen.
Der einfachste Ausweg wäre, sich den Job mit einem komplementären Kollegen zu teilen, der den ungeliebten Teil der Arbeit gern übernimmt. Aber das wollte Felix nicht. Denn sein Problem quält ihn auch im Privaten, und nach der dritten gescheiterten Beziehung hatte er das Gefühl, an sich arbeiten zu müssen.
Der erste Schritt lag auf der Hand: Ehrlichkeit – gegenüber anderen und sich selbst. Gemeinsam schrieben wir alles Unangenehme auf: kleine, mittlere und große Probleme, die es zu lösen galt, im Job wie im Privatleben. Immer wenn Felix abends das Büro verließ, nahm er sich eine berufliche und eine private Aufgabe vor, die er beide am nächsten Morgen als Allererstes löste. Um sich nicht zu überfordern und Erfolgserlebnisse zu haben, fing er mit kleineren Themen an: die unangenehme E-Mail, der lange fällige Vorsorgetermin beim Arzt. Mit der Zeit folgten dann allmählich die größeren Themen.
Ihnen kommt das banal vor? Ist es nicht. Denn im Kern geht es hier darum, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Damit hat jeder von uns manchmal Schwierigkeiten, auch wenn sie vielleicht nicht ganz so offensichtlich daherkommen wie bei Felix. Was schieben Sie vor sich her? Die Steuererklärung der letzten drei Jahre? Den überfälligen Besuch bei der Schwiegermutter?
Das Gemeine ist, dass sich solche Aufgaben nicht irgendwann in Luft auflösen. Im Gegenteil, sie werden mit der Zeit immer belastender. Grund genug, sie anzugehen und sich von ihnen zu befreien. Ich selbst blocke mir zum Beispiel jedes Quartal einen „Krötentag“, an dem ich alle unangenehmen Themen abräume. Wissen Sie, was das Tollste an solchen Tagen ist? Das unfassbar gute Gefühl, wenn der Schreibtisch leer ist.