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Markus Väth New Work: Weniger Fake, mehr Fakten!

Markus Väth
Markus Väth
© PR
New Work ist längst ein Tummelplatz für Faker. Da werden Homeoffice, Diversity und Feelgood Manager zu New-Work-Errungenschaften erklärt. Markus Väth erklärt, was der Begriff wirklich umfasst und warum er nur mittelbar etwas mit Wirtschaft zu tun hat

Ich hasse Aprilscherze - nicht nur, aber auch, weil ich darauf in der Regel hereinfalle. Das Umfeld ist hierbei entscheidend: Wenn ich auf offiziellen Plattformen wie Fernsehen, Radio, in Business-Blogs oder -Netzwerken unterwegs bin, fehlt mir einfach der Humorfilter. Ich nehme alles ernst, ob Börsenabsturz, Fitnesstipp oder ein Interview mit Robert Habeck, der Öl- und Gasheizungen wieder heile machen kann. Ein mentaler Geburtsfehler von mir, ich weiß. Der Herr stehe mir bei. 

Dieses Jahr bin ich gleich auf zwei Aprilscherze im Business-Umfeld hereingefallen. Beide sehr gut gemacht: Wahrheit in der richtigen Dosis mit Lüge vermischt; genug Fakten, um überzeugend zu wirken, genug Fake, um Interesse zu erzeugen. So muss es sein. Die besten Aprilscherze sind Meldungen, die emotionale Reaktionen provozieren, aber die Meldung insgesamt nicht infrage stellen. Bis der Verursacher die Aktion selbst enttarnt und man zugeben muss: Ätsch, reingelegt. 

Nun kann man bei Aprilscherzen noch von einer gewissen Gutartigkeit sprechen; auch ich habe letztlich nach der „Enttarnung“ der beiden Scherze geschmunzelt. Weniger lustig ist es, wenn das Verhältnis zwischen Fakt und Fake, zwischen Wahrheit und Nebelkerze nicht mehr stimmt. Wie bei New Work. 

Was läuft nicht alles unter New Work: Homeoffice, Obstkorb, Diversity, Digitalisierung, Feelgood Manager etc. Auch allseits bekannte, beinharte Unternehmensberatungen machen neuerdings in „New Work“. Da werden hemmungslos Platitütden verkauft, solange es nichts ahnende Kunden gibt, die noch kein Lehrgeld in Sachen New-Work-Bullshit gezahlt haben. Denn Bullshit verwandelt sich selten in Gold. Oder um ein Wort des Philosophen Theodor W. Adorno abzuwandeln: Es gibt kein richtiges New Work im falschen. 

New Work ist Philosophie - oder gar nicht

New Work ist - und man kann das nicht oft genug betonen - ein philosophisches Ideal mit dem Anspruch, die Gesellschaft zu verändern. Es hat erst in zweiter, vielleicht sogar erst in dritter Linie etwas mit Wirtschaft und organisationaler Gestaltung zu tun. Kann man trotzdem machen, aber immer unter der Frage: What would Frithjof Bergmann do? Der nämlich hatte seinerzeit überhaupt keine Aussagen zu Wirtschaft oder Organisationsentwicklung getroffen, weil er schon das Lohnarbeitssystem an sich für krank und überkommen hielt. Entsprechend schwierig gestaltet sich hier ein Ausgleich durch Feelgood Manager oder Homeoffice. 

Organisationsvertretern, Managern, Ingenieuren oder Controllern fällt es in der Regel schwer, New Work als Mehrwert zu begreifen. Zahlen plus Maschinen: ja, gerne. Menschen plus Gefühle: nein danke. We`re talking business, baby. Allein HR bietet hier eine dankbare Flanke hinein in die Organisation – die aber wiederum oft selbst einen schweren Stand hat. Erscheint HR doch meist selbst eher als Kostenfaktor denn als Wertschöpfungstreiber. So bleibt echtem New Work oft nur der Weg in die Organisation über die persönlichen Erleuchtungen von Eigentümern oder über mühsame Aufklärungskampagnen für das Top-Management. In der Tat besteht der erste Schritte in unseren Transformationsprojekten oft in der Aufklärung über die Frage: Was ist eigentlich New Work? 

Faker, hört die Signale!

Was mich tröstlich stimmt: Immer öfter führe ich erwachsene Gespräche über New Work mit Unternehmensvertretern, Medien, Beratern, Mitarbeitern. Hinter vorgehaltener Hand können diese Gesprächspartner sehr wohl Fake von Fakt unterscheiden. Nur fehlt manchem der Mut, aus gewohnten Denkbahnen auszubrechen. Dabei wäre es einfach.

Für echtes New Work braucht man erst einmal keine ausgefeilten Instrumente, kein Agile Leadership, kein New Pay, keine Diversity-Arithmetik, keinen Hierarchie-Abbau. Stellen Sie sich und ihrer Organisation drei einfache Fragen:

  1. Mache ich die Arbeit, die ich wirklich, wirklich will? Sie erkennen diese Art von Arbeit daran, dass sie Ihnen Kraft gibt - und nicht umgekehrt Kraft raubt.
  2. Was würde der Welt fehlen, wenn meine Organisation nicht da wäre? Die Antwort auf diese Frage liefert einen mächtigen Motivator für sinnvolles Handeln - oder eben nicht.
  3. Stellen wir in unserer Organisation von Zeit zu Zeit die Frage „Wofür ist dieses Produkt / dieser Prozess / diese Regel etc. überhaupt da?“ New-Work-Organisationen sind zielgerichtet, sie schaffen Bullshit ab. 

New Work ist eine großartige Idee. Sie hat das Potenzial, die Arbeit der Menschen, das Wesen von Organisationen und die Gesellschaft zu verbessern – aber nur, wenn wir ihr dieses Potenzial zugestehen und es nicht im Klein-Klein der Buzzwords erwürgen. Faker, hört die Signale! Wir sollten New Work aus dem Griff der Oberflächlichkeit und der Beratungsphrasen befreien und Aussagen wie „Wir machen jetzt Homeoffice. Das ist New Work!“ als das entlarven, was sie sind: als Aprilscherz. 

Markus Väth gilt als einer der führenden Köpfe der New-Work-Bewegung in Deutschland. Er ist Gründer und Geschäftsführer der auf New Work spezialisierten humanfy GmbH und Verfasser der New Work Charta, die sich für eine klare, humanistische und soziale Version von New Work einsetzt. Er hat mehrere Bücher zu New Work und Management verfasst und ist Lehrbeauftragter für New Work und Organisationsentwicklung an der Technischen Hochschule Nürnberg. Mit seinem Ansatz des Organisationscoachings begleiten er und sein Team Unternehmen in ihrer Transformation hin zu echtem New Work und einer neuen Arbeitswelt. Hier finden Sie weitere Kolumnen von Markus Väth

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