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Business as usual Gehen, wenn es am schlimmsten ist

Symbolbild Manager
Symbolbild Manager
© Getty Images
Manchmal lohnt es sich, schwierige Arbeitsbeziehungen auszuhalten – und manchmal nicht. Dass die Grenze erreicht ist, merken wir oft erst spät

Götz ist ein hochgewachsener Typ Anfang 40, der den Vertrieb eines inhabergeführten Mittelständlers verantwortet. Als er vor gut acht Jahren nach einer intensiven Zeit in einer Beratung dorthin wechselte, hätte er nicht glücklicher sein können: Er wollte operativ Verantwortung übernehmen, das internationale Geschäft aufbauen und Geschäftsführer werden. Auf dem Papier ist genau das geschehen. Doch was nach außen golden aussah, war im Kern eher finster.

Der Plan des Inhabers war es, den vergleichsweise großen Altersabstand zwischen ihm und seinem Sohn zu überbrücken, bis der Junior bereit zum Einstieg wäre. In der Zwischenzeit sollte Götz das Unternehmen auf die nächste Stufe heben.

Die akutelle Capital
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Die aktuelle Capital

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Die Umsetzung gestaltete sich jedoch von Anfang an schwierig. Den Chef interessierte keine andere Meinung als die eigene, dazu agierte er willkürlich und erratisch. Anfangs war das für Götz noch hinnehmbar – er war nicht blauäugig gestartet und wollte lernen. Dass er trotz aller zwischenmenschlichen Schwierigkeiten den Umsatz in den ersten drei Jahren fast verdoppelte, machte ihn stolz. Dass es zwei weitere Jahre und intensivste Auseinandersetzungen brauchte, um die in Aussicht gestellte Geschäftsführerstelle auch wirklich einzufordern, frustrierte ihn dagegen sehr.

Dennoch hoffte Götz, dass sich damit nun endlich Augenhöhe einstellen würde. Doch weit gefehlt. Bei seiner Ernennung zum Geschäftsführer ließ der Chef Mitarbeiter und Kunden wissen, dass es sich „nur um eine Übergangslösung“ handele, bis der Sohn so weit sei. Götz merkte, dass ihm die Kraft ausging, mit der er diesen Umgang über Jahre ertragen hatte. Er kämpfte nur noch unbedingt nötige Kämpfe und stellte auf Durchzug. Die innere Kündigung vollzog er, als der hochgelobte Sohn in den Semesterferien ein Praktikum machte und der Vater von nichts anderem mehr sprach.

Danach ging alles sehr schnell. Götz ging auf den Anruf eines Headhunters ein und führte Gespräche, bis das richtige Angebot dabei war. Als er kündigte, reagierte der Chef mit absolutem Unverständnis: Er habe sich doch so um ihn bemüht, ihn gefördert und gefordert, wo es nur ging – und das sei jetzt der Dank?

Wenn Wahrnehmungen so weit auseinanderliegen wie hier, muss man sich fragen, ob sich das Kämpfen wirklich lohnt. Rückblickend ist Götz klar, dass er viel zu lange ausgehalten hat, weil er glaubte, die Lage könne sich noch bessern – obwohl sein Bauchgefühl ihm etwas anderes sagte. Nämlich, dass ein Mensch, der im Kleinen täglich den Respekt fehlen lässt, ihn auf lange Sicht auch im Großen nicht entwickelt. Es ist eine Lernerfahrung, die Götz sich selbst und seinem Gegenüber gern erspart hätte. Und im nächsten Job wird ihn diese Erkenntnis sicher keine acht Jahre kosten.

Anne Weitzdörfer begleitet als Beraterin und Coach seit vielen Jahren Unternehmen und Führungskräfte. Hier schreibt sie jeden Monat über Themen aus der Berufswelt. Hier finden Sie weitere Kolumnen aus der Reihe Business as usual

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