Der Club der britischen Superreichen ist schlagartig kleiner geworden. Er hat binnen eines Jahres 20 Prozent der Mitglieder verloren. Das gilt zumindest nach der Umrechnung in US-Dollar. 2018 und 2019 hatte „Forbes“ noch 54 Milliardäre im Vereinigten Königreich gezählt . 2020 kam das Wirtschaftsmagazin nur noch auf 45 Superreiche .
Zudem sind fünf der zehn reichsten Milliardäre im vergangenen Jahr „ärmer“ geworden. Manchen Multimilliardären gelang es hingegen, trotz Brexit und aufziehender Corona-Pandemie ihren Reichtum zu mehren.
Krise für britische Milliardäre
Die Krise hat sich angekündigt. Im Brexit-Jahr 2019 war zwar exakt die Zahl der Milliardäre des Vorjahres erreicht worden. Ihr Gesamtvermögen sank jedoch um ein Fünftel. Im Durchschnitt entfielen auf jeden Briten auf der Liste 3,4 Mrd. Dollar. Zumindest dieser Pro-Kopf-Wert blieb im diesjährigen Ranking stabil. Queen Elizabeth II. wird im Reichen-Ranking übrigens nicht berücksichtigt. „Forbes“ ignoriert Monarchen (und Diktatoren), da ihr privates Vermögen nur schwer von dem des Staates zu trennen ist.
Dies sind die reichsten Briten 2020:
Reichste Briten 2020
Clive Calder (l.) konnte sein Vermögen in der Krise leicht vermehren. Der Gründer des einflussreichen Plattenlabels Jive Records war im April 2020 nach „Forbes“-Schätzung rund 5,2 Mrd. Dollar schwer. Beim Ranking 2019 waren es noch 4,9 Milliarden gewesen. Im Vergleich zu 2015 konnte Calder sein Vermögen sogar verdoppeln. Im weltweiten Ranking belegt er nun Platz 315. Der Brite, der auf den Cayman Islands lebt, hatte seinen Musikkonzern Zomba Group 2002 für 2,7 Mrd. Dollar an Bertelsmann verkauft. Der zur Veröffentlichung der Rangliste 73-Jährige lag vor den britischen Investoren Chrisopher Hohen (Platz 330) und Joe Lewis (375) sowie der Bet365-Erbin Denise Coates (383). Unternehmer Richard Branson kam unter den Briten mit 3,4 Milliarden (2018: 4,1 Milliarden) nur auf Rang 17.
Auf Platz neun der reichsten Briten findet sich ebenalls ein Selfmade-Milliardär. Laurence Graff hat laut „Forbes“ mit 14 Jahren die Schule verlassen und eine Lehre bei einem Londoner Juwelier begonnen. Er stieg mit seinem Unternehmen Graff Diamonds International zu einem der führenden Diamantenhändler der Welt auf. Zu seinen Kunden soll der Sultan von Brunei gehören. Edelsteine scheinen vergleichsweise krisensicher zu sein. „Forbes“ schätzte das Familienvermögen Graffs, der in der Schweiz lebt, auf 5,3 Mrd. Dollar. Das waren 200 Mio. Dollar weniger als im Vorjahr und reichte weltweit für Platz 308.
Robert Miller wird trotz Brexit und Corona-Krise immer reicher. Seit 2015 hat der Hongkonger Unternehmer mit britischer Staatsangehörigkeit sein Vermögen Jahr für Jahr vermehrt. 2019 waren es laut „Forbes“ 4,8 Mrd. Dollar. 2020 kam Miller auf 5,5 Mrd. Dollar und weltweit Platz 293. Der 87-Jährige gehörte 1960 zu den Mitgründern des auf Luxusprodukte spezialisierten Unternehmens Duty Free Shoppers. DFS gehört seit 1997 zu LVMH. Miller pflegt auch über die Ehemänner seiner Kinder beste Kontakte zum internationalen (Geld-)Adel. Seine drei Töchter sind Pia Getty, Alexandra von Fürstenberg und Marie-Chantal, Kronprinzessin von Griechenland.
Mit Staubsaugen allein ist es nicht mehr getan. James Dyson konzentriert sich bei seinem Haushaltsgeräte-Konzern verstärkt auf Beauty-Produkte und verkauft beispielsweise einen Hightech-Lockenstab für rund 500 Euro. Die Strategie scheint aufzugehen. Der britische Erfinder konnte sein Vermögen leicht von 5,7 auf 5,9 Mrd. Dollar steigern. Das war der höchste Stand seit 2011. Der 73-Jährige kletterte im Ranking für das Vereinigte Königreich um einen Platz nach oben. Weltweit belegt er aktuell Platz 268 der reichsten Menschen.
Einen Platz nach oben ging es auch für Ian und Richard Livingstone (Foto). Das Vermögen der Brüder wuchs laut „Forbes“ um 200 Millionen auf 6,4 Mrd. Dollar (weltweit Platz 237). Die Geschäfte ihrer Immobilienfirma London & Regional liefen bis zum Stichtag 7. April 2020 offenbar gut. Wie es nach der Corona-Krise aussieht, muss sich zeigen. Denn zum Unternehmen gehören europaweit mehr als 45 Hotels der Kette Holiday Inn Express. In London darf es exklusiver sein. Die Brüder investierten in der Hauptstadt in noble Hotels, Apartments und Geschäfte. In Panama gehören sie mit dem kolumbianischen Milliardär Jaime Gilinski Bacal zu den Bauherren der Luxussiedlung Panama Pacifico.
„Forbes“ führt Ian und Richard Livingstone mit einem gemeinsamen Vermögen auf Platz sechs der reichsten Briten. Den Brüdern David (81) und Simon (78) Reuben hingegen gebührt jeweils ein eigener Platz in der Rangliste. Sie kommen mit jeweils 6,8 Mrd. Dollar weltweit auf Rang 216. Das bedeutet im Vereinigten Königreich wie im Vorjahr Platz vier. Allerdings ist das Vermögen der Unternehmer seit 2019 um rund ein Zehntel gesunken. Im Vergleich zu 2018 hat es sich sogar mehr als halbiert. Die in Indien geborenen Brüder wurden unter anderem mit dem Handel von Metallen und Immobilien steinreich. 2016 verkauften sie ihre Anteile an der Datennetz-Firma Global Switch für fast 3 Mrd. Dollar an ein chinesisches Konsortium.
Beim Kontostand gab es für Michael Platt zuletzt nur eine Richtung: nach oben. Der Mitgründer von BlueCrest Capital Management konnte sein Vermögen in den vergangenen Jahren nahezu verdreifachen. 2018 wurde er von „Forbes“ zum bestverdienenden Hedgefond-Manager des Jahres gekürt. 2020 war zwar kein Wachstum mehr drin. Dafür konnte Platt sein Vermögen von 8 Mrd. Dollar wenigstens halten. Der 52-Jährige ist mit Abstand der jüngste Vertreter auf dieser Liste.
James Ratcliffe musste hingegen Verluste verbuchen. Der Gründer von Ineos, einem der größten Chemiekonzerne der Welt, sank im „Forbes“-Ranking von 12,1 auf 11,0 Mrd. Dollar. Das ist aber immer noch fast das Zehnfache der Summe, mit der er 2013 die Liste geentert hatte. Der 67-Jährige belegt wie im Vorjahr Platz zwei der reichsten Briten und ist erneut die reichste Einzelperson im Vereinigten Königreich. Denn Platz eins geht erneut an Geschwister.
Die Brüder Srichand, Gopichand (l.), Prakash (r.) und Ashok Hinduja halten weiterhin zusammen den Titel der reichsten Menschen Großbritanniens. Ihr kombiniertes Vermögen ist allerdings binnen eines Jahres um rund ein Viertel auf 12,9 Mrd. Dollar gesunken. Die Brüder verdanken ihren Reichtum dem indischen Mischkonzern Hinduja-Group (Finanzen, Telekommunikation, Öl). Das Unternehmen mit Sitz in London wurde 1914 von ihrem Vater gegründet. Srichand Hinduja ist der Vorstandsvorsitzende.