Thema Es muss nicht immer Apple sein

Deutsche Hersteller trotzen Samsung, Apple und Google im vernetzten Zuhause. Von Raphael Moritz

Der Verbraucher 3.0 vernetzt, teilt und steuert aus der Ferne. Fragen, wie „Habe ich den Herd ausgemacht?“ oder „Habe ich das Fenster geschlossen?“ gehören der Vergangenheit an. Ein Blick aufs Smartphone genügt. Heizungen, Herd oder die Waschmaschine sind mit dem Internet verbunden. Sie können von überall ein- oder ausgeschaltet werden. Das Zuhause ist einfach und komfortabel, kurz: „smart“.

Vor allem amerikanische Giganten drängen in den Milliardenmarkt: Google und Apple – aber auch Samsung arbeitet derzeit an Produkten für das vernetzte Heim. Doch auch deutsche Unternehmen spielen im smarten Zuhause mit. Telekom, RWE, Miele oder Start-ups wie Soda oder Kiwi bieten längst vernetzte Geräte für die eigenen vier Wände.

„Der Markt ist schon jetzt deutlich größer als wir das noch vor einem Jahr prognostiziert haben“, sagt Gunther Wagner vom Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte. Seit drei Jahren ist Wagner für den Bereich Smart Home zuständig. „Und der Markt wächst weiter“, so der Experte. Das Volumen hierzulande schätzt das US-Marktforschungsinstitut Strategy Analytics in fünf Jahren auf mindestens vier Milliarden Euro. Das entspricht einem Wachstum von 14 Prozent pro Jahr. Der Verband der Elektro- und Informationstechnik (VDE) prognostiziert bis 2025 sogar ein Marktvolumen von bis zu 19 Mrd. Euro.

Doch die Zeit für deutsche Unternehmen drängt. Samsung hat vor zwei Wochen das amerikanische Start-up Smart Things gekauft. Das Ziel: Die Sparte für das vernetzte Heim ausbauen. Apple arbeitet mit seinem Homekit bereits an einer Smart Home-Plattform. Und auch Google möchte mitmischen: Anfang des Jahres kaufte der Konzern den Thermostat-Spezialisten Nest. Für 3 Mrd. Dollar. Ein deutsches Unternehmen hatte zu dem Zeitpunkt bereits eine vernetzte Heizung im Angebot: Bosch.

Smart Home – Made in Germany

„Deutsche Unternehmen sind nicht schlechter positioniert als Apple oder Google“, sagt Wagner. Die Anbieter hierzulande müssten aber Gas geben, um die Entwicklungen voranzutreiben, so der Smart Home-Experte. Das alteingesessene Familienunternehmen Miele versucht genau das. Im kommenden Jahr sollen rund 170 Miele-Geräte in Deutschland vernetzungsfähig sein. Schon heute können Waschmaschinen, Trockner, Backöfen oder ein Weinschrank des Herstellers vernetzt werden.

„Ich gehe davon aus, dass in spätestens zehn Jahren alle Miele-Hausgeräte vernetzungsfähig sind“, sagt Eduard Sailer, Technik-Geschäftsführer der Miele Gruppe. „Vernetzungsfähig“ heißt, dass pro Gerät zusätzlich 79 Euro fällig werden. Nicht ganz billig – immerhin sind Miele-Geräte ohnehin nicht günstig. Dennoch konnte die Miele Gruppe im vergangenen Geschäftsjahr einen Rekordumsatz von über 3,2 Mrd. Euro ausweisen.

Wer nicht nur seinen Trockner, sondern auch Rollläden, die Heizung und die Kaffeemaschine per Smartphone oder Tablet steuern möchte, braucht ein weiteres Gerät. Im Falle von Miele geht das beispielsweise mit Qivicon, einer Smart Home-Plattform der Deutschen Telekom. 300 Euro kostet das Gerät, inkl. vernetztem Rauchmelder und zwei Heizkörperthermostaten. Die Handy-Apps für die Steuerung von unterwegs sind allerdings je nach Paket nur etwa 12 Monate nutzbar. Danach werden zusätzliche Lizenzgebühren fällig.

Seit über einem Jahr existiert Qivicon. Das System: Jalousien, Weinschrank und Fenster verbinden sich mit der Qivicon-Station, vergleichbar mit einem Wlan-Router. Per Computer oder Smartphone können die Geräte gesteuert werden. Von der Telekom gibt es keine Auskunft, ob das Geschäft schon profitabel ist. Das Unternehmen nennt keine Zahlen zur Plattform. Thomas Knops, Vertriebs- und Marketingleiter von Qivicon sagt allerdings: „Die Nachfrage ist sehr gut.“ Vor allem in der dunklen Jahreszeit erwarte er ein steigendes Interesse an seinem Produkt.

Smartes vom Energieversorger

Während Vattenfall und EnBW die Plattform der Telekom nutzen, hat RWE ein eigenes Smart Home-Gerät auf den Markt gebracht. Zwar sei die Sparte noch nicht profitabel, dennoch wachse der Umsatz stetig, sagt Norbert Verweyen, Geschäftsführer von RWE Effizienz. „Außerdem haben wir im Gegensatz zu Apple oder Google einen exzellenten Kundenzugang“, so Verweyen. Bei seinem Gerät werden erst nach zwei Jahren weitere Gebühren für die mobile Nutzung fällig. Mit der Plattform sollen Energieeinsparungen von bis zu 25 Prozent möglich sein.

Oliver Schön ist bei solchen Zahlen skeptisch. Der Experte für das vernetzte Zuhause bei der Strategieberatung Capgemini Consulting sagt: „Wer herkömmliche Glühbirnen durch LED-Lampen ersetzt, spart etwa so viel wie durch intelligente Steuerung. Und dies bei deutlich geringeren Investitionen.“ Der erwartete Komfortgewinn sei aus Sicht der Verbraucher aktuell wichtiger. „Insbesondere im Sicherheitsbereich gibt es interessante Produktentwicklungen. In Zukunft sind diese auch im Gesundheits- und Pflegebereich zu erwarten.“ Gerade dort sei die Zahlungsbereitschaft höher, so Schön.

Ein smarter Schlüssel namens Kiwi

Damit die Produkte künftig nicht nur für Computerfreaks nutzbar sind, entwickelte die TU Berlin eine weitere Smart Home-Plattform mit dem Namen Iolite. Sie soll vor allem eines bringen: einen Standard für die meisten Geräte. „Die Vielfalt der Geräte und der Protokolle ist eine der größten Herausforderungen“, sagt Sahin Albayrak, Professor an der TU Berlin. Iolite soll dabei helfen.

Albayrak ist Initiator des Vereins „Connected Living“. Die Initiative ist ein Zusammenschluss von Universitäten, IT-Unternehmen und Energieversorgern. Das Ziel: Eine enge Zusammenarbeit für ein einheitliches System. Das Start-Up Kiwi ist Mitglied dieser Initiative. Das Unternehmen aus Berlin will den Schlüsselbund überflüssig machen. Mit Kiwi wird das Türschloss vernetzt. Kiwi ist ein USB-Stick ähnlicher Funk-Transponder. Mit ihm kommt man durch Türen – ohne den Schlüssel ins Schloss zu stecken.

„Gerade kleinere, innovative Unternehmen mit praktischen Produktideen haben die Chance sich gegen Google, Apple und Co. behaupten zu können“ sagt Oliver Schön von Capgemini Consulting. Solche praktischen Ideen liefert neben Kiwi auch Soda. Das Start-Up aus Siegen in Nordrhein-Westfalen hat einen vernetzten Fenstergriff erfunden. Alarmanlage inklusive. Feuchtigkeitsmesser inklusive. Temperaturmesser inklusive. Bewegungsmelder inklusive. Und noch fünf weitere Sensoren inklusive.

Trotz solcher Innovationen: Die Frage der Sicherheit bleibt. Erst vor kurzem stahlen Unbekannte aus Apples iCloud Nacktfotos berühmter Frauen. Was, wenn in Zukunft dort auch steht, wann man das Haus verlässt? Oder wie oft man den Kühlschrank oder das Fenster öffnet? Bekannten erzählt man das gern – Unternehmen eher nicht. Noch weniger, wenn die Unternehmen nicht mal eine Telefonnummer haben.

Zwar können Daten überall gestohlen werden – deutsche Firmen sind aber immerhin einfacher erreichbar. Ist das Vertrauen einmal verspielt, werden sich Nutzer abkehren. Das wissen auch die Firmen hierzulande. Vielleicht können sie deswegen am Ende auch wegen ihres Standortes punkten.

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