Es wird viel getippt und gemutmaßt in diesen Tagen. Die Frage, wer Fußball-Weltmeister wird, bewegt die Nation. Und auch Vorstandschefs und Ökonomen blicken in die Glaskugel. Commerzbank-Chef Martin Blessing etwa tippt auf Deutschland und Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen hält es mit den Belgiern. Für Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn ist Spanien Top-Favorit, weil es langweilig sei auf Brasilien zu tippen und die Spanier angesichts ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage Trost bräuchten.
Die Wirtschaftslage und der Faktor Trost spielt bei der Prognose der drei Wissenschaftler Gert G. Wagner (DIW Berlin), Jürgen Gerhards (FU Berlin) und Michael Mutz (Georg-August-Universität Göttingen) keine Rolle. Sie stützen sich auf ein Zahlenwerk. Ihrer Voraussage nach verteidigen die Spanier den Titel. Deutschland dringt bis ins Halbfinale vor. Im Achtelfinale trifft die Löw-Truppe auf Russland, danach geht es gegen Frankreich und in der Vorschlussrunde gegen den Gastgeber Brasilien.
Woher die drei das so genau wissen? Der Prognose liegt die sogenannte Marktwertmethode zugrunde. „Der Marktwert (Transferwert) einer Mannschaft ist im heutigen Profi-Fußball ein sehr guter Indikator für ihre Spielstärke“, schreiben sie. Die teuerste Mannschaften seien derzeit Spanien (622 Mio. Euro), Deutschland (526 Mio.), Brasilien (468 Mio.), Argentinien (392 Mio.), Frankreich (379 Mio.) und Belgien (349 Mio.). Bei vergangenen Turnieren hat die Methode sehr gut funktioniert: Die Sieger der Weltmeisterschaften 2006 und 2010 haben die Forscher ebenso präzise vorausgesagt wie die Gewinner der Europameisterschaften 2008 und 2012.
2014 vertrauen Wagner, Gerhards und Mutz ihrer Methode offenbar aber nicht zu 100 Prozent. Die Marktwerte der favorisierten Mannschaften lägen heute dichter beieinander als bei vergangenen Endrunden. Auch das Potenzial der deutschen Spieler sei so hoch wie lange nicht, sagte Wagner. Nun müssen die Spieler beweisen, dass Geld tatsächlich die meisten Tore schießt.
Brasilien, Brasilien, Brasilien
Wem diese Methode nicht zusagt, kann alternativ zum Soccer Power Index von fivethirtyeight.com greifen. Dahinter verbirgt sich der Datenexperte Nate Silver, der 2008 den Ausgang der US-präsidentenwahl in 49 von 50 Bundessstaaten korrekt voraussagte. Für seine WM-Prognose hat er die vergangenen Ergebnisse der Teams benutzt und je nach Bedeutung der jeweiligen Partie gewichtet. Hinzu kommt ein Ranking der Spieler. Aus beiden leitet Silver den wahrscheinlichen Ausgang der jeweiligen Begegnung ab.
Sein Weltmeistertipp ist allerdings wenig überraschend: Brasilien steht an erster Stelle, dahinter Spanien und Deutschland folgt auf Platz drei. Die Wahrscheinlichkeit, dass Brasilien den Titel gewinne, liege bei rund 45 Prozent.
Auch Bankenvolkswirte mischen mit bei den Prognosen. Goldman Sachs etwa sieht Brasilien als künftigen Weltmeister. Die Banker sagen sogar die Resultate der einzelnen Spiele voraus. Beim Eröffnungsspiel lagen sie mit ihrer Prognose 4:1 für Brasilien nur knapp daneben. Insgesamt droht aber eine langweilige WM, die meisten Spiele gehen 1:1 oder 2:1 aus. Das letztere ist das Standardresultat für die deutsche Mannschaft, die im Halbfinale mit 1:2 gegen Brasilien ausscheidet.
Linekers Weisheit
Auch die Ökonomen von Unicredit sehen den Gastgeber ganz vorn. Ihre nicht ganz ernst gemeinte Formel dafür lautet: Si = f (Ci, Li, PRi, Hi, COi, PEi, Yi, Wi). Heimvorteil, Kontinentaler Vorteil, Fußballkultur, Jugend und Weisheit sind die entscheidenden Faktoren für die Berechnung. Demnach spielen Brasilien und Argentinien im Finale, Uruguay und Deutschland im kleinen Finale um Platz drei.
Aus Ökonomensicht wird es also wieder nichts mit dem vierten Titel für Deutschland. Glücklicherweise liegen die Volkswirte aber auch häufig bei ihren Prognose für die Wirtschaftsentwicklung daneben. Vielleicht kommt also alles ganz anders. Denn, das wusste schon der frühere englische Stürmerstar Gary Lineker: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die Deutschen.“