Die neuerlichen Chaostagen begannen mit dem Abbruch der Verhandlungen am vergangenen Wochenende und der Ankündigung eines Referendums an diesem Sonntag. Ministerpräsident Alexis Tsipras lässt die Griechen über die Sparforderungen der Gläubiger abstimmen. Seine Regierung empfiehlt ein Nein:
Damit überraschte Tsipras die EU-Partner, die das Referendum scharf kritisierten. Aber natürlich stellt sich auch sofort die Frage, was die griechische Regierung mit der Volksabstimmung eigentlich bezweckt. Denn bis zum 1. Juli musste Griechenland 1,5 Mrd. Euro an den Internationalen Währungsfonds überweisen. Nach dem Stopp der Verhandlungen war klar, dass dafür nun kein Geld vorhanden war.
Viele Kommentatoren versuchten sich an einer Erklärung, auch Capital- und Stern-Herausgeber Andreas Petzoldt:
„Sollte das griechische Volk vernünftiger sein als seine Regierung und für die zugegeben bittere Brüsseler Variante stimmen, dann, immerhin, wären neue Verhandlungen möglich: Über ein drittes Hilfsprogramm, basierend auf den aktuellen Vorschlägen der Troika, über eine zwingend nötige Umschuldung und über die Frage, wie die elf Millionen Griechen ihrem Staat wieder trauen können“, schreibt Petzoldt.
Vorerst haben die Griechen mit ganz praktischen Problemen zu kämpfen. Um zu verhindern, dass sie ihre Konten leerräumen, bleiben die Banken des Landes vorerst geschlossen. Barabhebungen wurden auf 60 Euro beschränkt. Und auch an der Börse in Athen wurde diese Woche aus Angst vor Panikverkäufen nicht gehandelt.
Was die Griechen von der Lage halten? CNN hat sich umgehört:
Die europäischen Politiker brauchten einen Moment, um sich vom Referendumsschock zu erholen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war der erste, der sich zu Wort meldete. Er fühle sich verraten, sagte er. Gleichzeitig warb er aber auch für ein Ja der Griechen zu den Sparvorschlägen:
Kanzlerin Angela Merkel äußerte sich später gemeinsam mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor der Presse. Das Referendum sei ein legitimes Recht der griechischen Regierung. Und keiner wolle von außen das Abstimmungsverhalten eines stolzen Volkes beeinflussen. Ferner erklärte sie sich zu weiteren Verhandlungen bereit.
An den Börsen gab es am Montag zwar Verluste, aber nicht den befürchteten Absturz. Auch nach dem die Griechen die IWF-Rate nicht bezahlt hatten, hielten die Finanzmärkte still. Bei einigen Beobachtern war eine gewisse Genugtuung nicht zu übersehen:
Als alle sich bereits mit der Hängepartie bis zum Referendum abgefunden hatten, kam aus Athen eine neue Überraschung. In einem Brief an die EU-Kommission erklärte sich Tsipras plötzlich bereit, die Sparauflagen der Gläubiger mitzutragen. Allerdings forderte er Korrekturen an einigen Punkten. So will er die niedrigen Mehrwertsteuersätze für die griechischen Inseln beibehalten.
Trotzdem stellt sich die Frage, warum Tsipras jetzt plötzlich ein Dokument unterzeichnen, das seine Regierung als Teufelszeug kritisiert. Die Euro-Finanzminister wollten sich jedenfalls nicht auf das neuerliche Spiel der Griechen einlassen. Die Antwort von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem an Tsipras fiel knapp aus:
Auch Bundeskanzlerin Merkel lehnte neue Verhandlungen vor der Abstimmung ab. „Wir warten jetzt das Referendum ab, vor dem Referendum kann über kein neues Programm verhandelt werden“, sagte sie im Deutschen Bundestag. Fraglich ist, wer nach der Entscheidung in Griechenland regieren wird. Finanzminister Varoufakis will zurücktreten, sollten die Griechen mit Ja stimmen. Und auch Tsipras deutete an, dass er in diesem Fall sein Amt aufgeben werde.
Beide tun so, als ob der Ausgang des Referendums keinen Einfluss auf die Mitgliedschaft Griechenlands in der Eurozone haben werde. Varoufakis betont, dass ein Ausscheiden aus der Eurozone nicht zur Debatte stehe. Notfalls werde er juristisch gegen einen erzwungenen Ausstieg vorgehen. Andere Euro-Finanzminister wie der Slowake Peter Kazimir sehen die Griechen draußen, sollte das Votum gegen die Sparauflagen ausfallen:
Varoufakis tut dagegen so, als sei ein Kompromiss in erreichbarer Nähe – egal wie das Referendum ausgeht. Zugleich will er aber nur eine Übereinkunft unterzeichnen, wenn sie eine Umschuldung beinhaltet. Ohne Schuldenschnitt, keine Unterschrift. „Lieber würde ich mir den Arm abhacken“, sagte Varoufakis.
Mit der Forderung nach einer Umschuldung stehen die Griechen übrigens nicht alleine. Auch der IWF empfiehlt in einer neuen Studie einen umfassenden Schuldenerlass. Aber politisch ist dies schwer durchzusetzen – auch in Deutschland, wo Kanzlerin Merkel vor allem ihre eigenen Leute von einem solchen Schritt überzeugen müsste. Egal wie das Referendum ausgeht, die Verhandlungen werden eine zähe Angelegenheit bleiben. Das vorerst letzte Wort in dieser Sache gebührt Capital-Chefredakteur Horst von Buttlar beziehungsweise Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: