Eberhard Hübbe ist Partner im Düsseldorfer Büro von Goetzpartners, wo er den Bereich Human Ressource Management verantwortet.
Können nur echte Alphatiere ein Unternehmen erfolgreich führen? Und schaffen es „mitarbeiter-und konsensorientierte" Manager nicht, ihre Ideen in Erfolge umzumünzen – falls sie überhaupt in Spitzenpositionen kommen, bevor sie im Konkurrenzkampf untergehen? Das Vorurteil sagt „ja“. Und schaut man sich in der Riege der Spitzenkräfte um, überwiegt tatsächlich der Typ Alphatier. Doch die Kritik an autoritär geprägten Führungskulturen wächst, viele geben auch einer solchen Kultur eine Mitschuld an der Abgasaffäre bei VW. Ein ausgeprägter hegemonialer Anspruch der Unternehmensführung bewirkt und unterstützt ein Klima der Unehrlichkeit und des Vertuschens.
Gegenmodell zum hegemonialen Anspruch
Für das Gegenmodell eines anderen, neuen Führungsstils stehen Führungspersönlichkeiten wie der neue BMW-CEO Harald Krüger, der als guter Zuhörer und „Menschenversteher“ gilt. Auch der CEO von Novo Nordisk, Lars Sörensen gibt sich konsens-orientiert und unprätentiös – 2015 wurde er vom Harvard Business Manager als der leistungsfähigste CEO weltweit gekürt. Ist nun jemand wie Harald Krüger durchsetzungsfähig genug? Kann er dem Unternehmen die Richtung vorgeben und es auf den Weg in die Zukunft mitnehmen? Eigentlich wissen wir mittlerweile sehr gut, dass nicht Status und Funktionsmacht Gefolgschaft erzeugt. Das hat unter anderem Jim Collins schon vor Jahren in einer Langzeituntersuchung und in seinem Buch „From Good to Great“ nachgewiesen. Langfristig überdurchschnittlich wachsende Unternehmen sind laut der Untersuchung vielmehr von Führungspersönlichkeiten mit zwei zentralen Eigenschaften geprägt: Persönliche Bescheidenheit und professionellem Willen. Unternehmen, deren Führung genau diese Eigenschaften aufwies, verzeichneten demnach auf lange Sicht deutlich höhere Wachstumsraten und waren profitabler als der Durchschnitt.
Empfehlungen für die Führungspraxis
Für die Praxis bedeutet das: Alternativen zum klassisch-autoritären Führungsstil sind nicht nur möglich, sondern in der digitalisierten, internationalen und flexiblen Wirtschaft von heute dringend notwendig. Das zeigt nicht nur der Fall VW, sondern auch andere Auswüchse in der Wirtschaft. Wer mit einem solchen Führungsstil Erfolg haben will, sollte vor allem zwei Schwerpunkte setzen, um sich die Akzeptanz, Anerkennung und Gefolgschaft der Mitarbeiter zu sichern.
1. Inhaltliche Substanz und Agenda Setting
Die klassisch-autoritäre Führungskraft definiert sich durch ihren Status und ihre Funktionsmacht. Den hegemonialen Anspruch setzt sie damit durch − für die Gestaltung des Unternehmens und seiner Zukunft kann das jedoch fatale Folgen haben. Denn viele Alphatier-Führungskräfte haben auf ihrem Weg durch die Instanzen den inhaltlichen Gestaltungswillen verloren. Schließlich kostet es Zeit und Energie, sich ständig per Ellbogen durchsetzen und intern die Karriere absichern zu müssen. Die Führungskräfte der neuen Generation dagegen bringen inhaltliche Substanz mit – sie sind, salopp gesagt, Überzeugungstäter. Genau hier liegt ihr Potenzial, das sie ausspielen sollten: Im Idealfall haben sie ein klares Bild davon, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickeln muss. Sie brennen für ihr Thema – und können es so auch den Mitarbeitern vermitteln. Auf Dauer setzt sich inhaltliche Substanz durch, denn „liefern“ kann eine Führungskraft nicht ohne Inhalt. Statt sich also in die Unternehmenspolitik hineintreiben zu lassen, sollten die Führungskräfte der neuen Generation ihre inhaltliche Kompetenz ausspielen.
2. BEZIEHUNG STIFTEN STATT HIERARCHIEN AUFBAUEN
Wer nicht hierarchisch „durchregieren“ will, muss aber nicht nur das Vertrauen der Mitarbeiter über inhaltliche Kompetenz gewinnen, sondern diese auch begeistern und Gefolgschaft erzeugen. Dafür sind zusätzlich gute und stabile Beziehungen nötig – von oben nach unten, von unten nach oben und von rechts nach links. Diese Beziehungen im Unternehmen zu stärken und zu gestalten ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben für Führungskräfte der neuen Generation. Es ist wie in allen anderen Lebensbereichen auch: Ist die Beziehung stabil, kann ich sie im Guten wie im Schlechten belasten, daraus resultiert Vertrauen. Das beginnt bei offenen Türen auf der Vorstandsetage und hört bei gemeinsamen Arbeitsrunden noch längst nicht auf. Verbundenheit innerhalb des Unternehmens ist die Voraussetzung für Vertrauen und Glaubwürdigkeit – und damit für Motivation und Erfolg. Inhaltliche Substanz und die Fähigkeit zur Beziehungsgestaltung bilden die Grundlage für erfolgreiche Führung, die auf klassisch-autoritäre Muster verzichten kann. Dass solche Führung erfolgreich sein kann, zeigen Krüger und Sörensen, aber auch zum Beispiel Heinrich Hiesinger von Thyssenkrupp oder Marijn Dekkers von Bayer. Sie alle durchbrechen die alten Muster der Abschottung, der Angst und der Machtinsignien – und setzen auf ein Modell, das ihren Mitarbeitern und Unternehmen zu Gute kommt.