In den Führungsetagen von Unternehmen findet gerade ein Roll-back statt. SAP streicht seine Diversity-Ziele, von denen bis vor Kurzem noch die Vergütung des Managements abhing. Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der einst für Meinungsfreiheit und -vielfalt antrat, schafft den Schutz vor Hassnachrichten ab und fordert mehr „maskuline Energie“. Auch ich höre in Gesprächen mit Managern zunehmend, es sei höchste Zeit, mal richtig aufzuräumen. In den Unternehmen, den Köpfen – in Gesetzblättern und Behörden sowieso. Schluss mit überflüssigen Vorschriften, Nachhaltigkeitszielen und dem ganzen Diversity-Getue! Selbst in einigen Vorständen und Aufsichtsräten kommen Kettensägenfantasien à la Musk und Milei inzwischen vor.
Die zugrunde liegende Analyse ist durchaus richtig: Die deutsche Wirtschaft krankt an zu vielen limitierenden Regeln, zu wenig Spielräumen für Macher. Welcher Manager wagt es noch, sich über Konventionen und Bedenken hinwegzusetzen für ein Ziel, dass er für wichtig hält? Man mag zu Persönlichkeiten wie Zuckerberg oder Musk stehen, wie man will, dass sie unternehmerische Leistungen erbracht haben, ist unstrittig. Sollten wir solche Managertypen grundsätzlich verhindern, weil sie sich eines Tages dem vermeintlich falschen politischen Lager anschließen könnten?
Unternehmerische Helden sind out
Was wir gerade erleben, ist eine Überreaktion auf das postheroische Führungszeitalter. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 sind unternehmerische Helden aus der Mode gekommen. Entrepreneurship und geschäftlicher Instinkt wurden vielfach ersetzt durch Governance-Regeln, Purpose-Diskussionen und inklusive Leadershipansätze, hemdsärmelige Macher durch Technokraten. Das muss nicht falsch sein – aber auch nicht per se ein Wettbewerbsvorteil.
Angesichts der beklagenswerten Lage der deutschen Wirtschaft ist es kein Wunder, dass die Sehnsucht nach starken Führungspersönlichkeiten wieder wächst. Nur übersehen die Kettensägenfans gern, dass Helden immer auch Schattenseiten haben. Der Glaube an die eigene Einzigartigkeit macht sie oft blind für Risiken, lässt sie leichtsinnig, sogar zerstörerisch handeln. Entschlacken, Regeln brechen, einfach mal machen – so einfach ist es meistens nicht. Man erinnere sich an die „Hochzeit im Himmel“ zwischen Daimler und Chrysler.
Doch diese Ambivalenz blenden viele aus, die sich jetzt die führungsstarken Superhelden zurückwünschen. Den umgekehrten Fehler begehen zahlreiche Anhänger modernerer Managementansätze, die jeden unkonventionellen Ansatz, jede unabgestimmte Entscheidung durch Regeln und Kontrollen einhegen wollen, um „toxische“ Methoden zu verhindern – und damit potenzielle unternehmerische Großtaten gleich mit.
Die eine einfache Lösung gibt es in der Wirtschaft ebenso wenig wie in der Politik. Was wir brauchen, ist eine robuste Debatte darüber, wo wir es mit den Regeln, Prinzipien und guten Absichten übertrieben und dafür Kernkompetenzen vernachlässigt haben. Wir müssen wieder lernen, die Realitäten des Lebens zu akzeptieren: Menschen sind oft eigensinnig, neidisch, bisweilen auch übermäßig ehrgeizig. Das sollten wir nicht verteufeln, sondern produktiv nutzen.
Leistung und Wettbewerb sind nichts Schädliches, sondern Triebfedern des Erfolgs – auf denen letztlich unser Wohlstand beruht. Das verkörpern oft Helden. Aber es muss sehr wohl Grenzen geben, um Gesellschaft und Umwelt vor deren Schattenseiten zu beschützen. Es braucht Mut und Stärke, diese Grenzen immer wieder zu hinterfragen, und sie zugleich gegen einen unbedachten und radikalen Abriss zu verteidigen. Und wäre das nicht auch heldenhaft?