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Management Blatters Führungsversagen

Der Rücktritt Joseph Blatters war überfällig. Als Führungsfigur hat er ein miserables "Vorbild" abgegeben. Von Ernst Holzmann
Fifa-Präsident Joseph Blatter: Am Dienstag kündigte er seinen Rücktritt an - Foto: Getty Images
Fifa-Präsident Joseph Blatter: Am Dienstag kündigte er seinen Rücktritt an - Foto: Getty Images
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Ernst Holzmann ist Strategie- und Fußballexperte. Er verfügt über langjährige Erfahrungen als Führungskraft in Unternehmen. Seine Leidenschaft gilt aber auch dem Sport unter anderem als Spieler und Trainer diverser Fußballvereine. Zurzeit ist er als Referent, Vortragsredner und Dozent tätig.

„Stehe an der Spitze, um zu dienen, nicht um zu herrschen!“ An diesem Motto des Zisterzienser-Abtes Bernhard von Clairvaux sollte Fifa-Präsident Joseph Blatter sein eigenes Verhalten messen. Aber vermutlich könnte er mit Clairvauxs Worten genauso wenig anfangen, wie mit den immer lauter werdenden Forderungen nach seinem Rücktritt, die er natürlich vehement ablehnt. Mit seinem Verhalten schädigt er nicht nur nachhaltig den Fußball, sondern wird in keiner Weise den Ansprüchen gerecht, die man an Menschen an der Spitze von Organisationen oder Unternehmen stellt. Hier heißt es VORBILD sein, was man wie folgt buchstabieren kann:

V etternwirtschaft verhindern

Diese ist ein perfektes Mittel, mit dem sich schwache Führungskräfte – in Verbänden, in der Politik, aber auch bei Unternehmen – durch entsprechende Wohltaten die Unterstützung von ebenfalls schwachen Mitarbeiter/innen sichern. Mit Beförderungen auf repräsentative und üppig entlohnte Positionen werden Abhängigkeiten geschaffen, die wiederum kritikloses „Abnicken“ der Entscheidungen des jeweiligen Vorgesetzten nach sich ziehen.

Vorbildliche Führungspersönlichkeiten, die Kraft ihrer Expertise und Wertvorstellungen geachtet werden, agieren anders. Im Sinne des Unternehmenserfolges fordern und fördern sie kritische, und oft sogar unbequeme Personen und bewerten beziehungsweise entlohnen sie nach messbaren Leistungskriterien und ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg.

O ffen kommunizieren

Nicht nur Herr Blatter meint anscheinend, dass der Besitz von Informationen Macht bedeutet und je weniger man informiert, umso mehr stärkt man die eigene Position und schützt sich. Dass mit diesem Verhalten aber automatisch Misstrauen gegenüber den handelnden Personen entsteht und niemand von seiner Seite aus offen und ehrlich Probleme und Lösungsmöglichkeiten kommuniziert, ist dann die logische Konsequenz.

Kluge Unternehmenslenker wissen, dass eine offene Kommunikation in alle Richtungen die Basis für Vertrauen und damit für nachhaltigen Geschäftserfolg ist. Sie informieren deswegen eher zu viel als zu wenig – auch bei negativen Ereignissen. Sie erläutern Hintergründe von Entwicklungen und ihren Entscheidungen im Detail. Sie ermuntern die Beschäftigten, sich offen und aktiv untereinander auszutauschen, auch über Hierarchie- und Abteilungsgrenzen hinweg.

R egeln und Gesetze beachten

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit für jede Führungskraft, aber nicht nur bei der Fifa sind sie oft das Hochglanz-Papier nicht wert, auf dem sie festgehalten werden. Hier gilt ganz besonders das Prinzip der Unbestechlichkeit der Verantwortlichen auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Sie müssen die Prinzipien vorleben!

Und das bedeutet dann im Zweifel natürlich auch, auf Einladungen zu Fußball-Events zu verzichten, wenn sie bestimmte Grenzen überschreiten – egal ob dieFifa oder der örtliche Lieblingsverein dahinter steht. Und wenn man Aufträge durch gesetzeswidrige Schmiergelder gewinnen will, lenken Ausreden wie „Das macht aber unsere Konkurrenz genauso“ meistens nur von der eigenen Unfähigkeit ab.

B escheiden bleiben

„Wir sind wegen des harten Wettbewerbs leider gezwungen, Beschäftigte freizustellen, beantragen aber gleichzeitig die überfällige Erhöhung von Vorstandsbezügen und Boni auf Marktübliche Verhältnisse“. Viele Verantwortliche von Unternehmen sind sich entweder nicht bewusst, wie verheerend sich so ein Verhalten auf das Engagement ihrer Mitarbeiter/innen auswirkt, oder es ist ihnen schlichtweg egal.

Dass damit automatisch die emotionale Bindung an den Arbeitgeber verloren geht, sich viele Beschäftigte sogar in die innere Kündigung zurückziehen und nur noch Dienst nach Vorschrift machen, ist die logische Konsequenz. Wenn schon gemeinsam harte Zeiten durchgestanden werden müssen, dann ist das mindeste, was von einer akzeptierten Führungskraft erwartet werden kann, das gemeinsame Teilen der schmerzhaften Einschnitte und nicht der Belegschaft „Wasser predigen“ und selber „Wein trinken“.

I ntegrität beweisen

„Der Zweck der Fifa ist: Integrität, und Ethik zu fördern“ (aus der Satzung). Wenn man sich die ursprüngliche Herkunft (lateinisch "integritas") und Übersetzung des Wortes (anständig und ehrlich) vor Augen führt, kommt man nicht nur bei Repräsentanten der Fifa, sondern auch bei manchen Unternehmensvertretern ins Grübeln. Führungskräfte, egal in welcher Funktion oder bei welcher Organisation, müssen sich immer bewusst sein, dass sie an der eigenen Integrität gemessen werden. Nur wenn sie anständig und ehrlich mit ihrer Mannschaft umgehen, erhalten sie im Gegenzug die entsprechende Unterstützung der Teammitglieder und hohe Leistungsbereitschaft.

L oyalität vorleben

Das „wahre“ Kapital eines Unternehmens sind treue Kunden oder Geschäftspartner und vor allem qualifizierte, engagierte und loyale Mitarbeiter/innen. Um diese Loyalität zu erreichen, ist es entscheidend, dass Fairness und Aufrichtigkeit nicht nur in irgendeiner einer Satzung oder in einem Unternehmensleitbild stehen, sondern gerade Führungskräfte sie tagtäglich praktizieren. Wenn diese Werte nicht vorhanden sind oder sogar massiv verletzt werden, muss man sich nicht wundern, dass dann das „Kapital“ – seien es nun Sponsoren der Fifa oder Mitarbeiter/innen eines Unternehmens – fluchtartig das Weite sucht. Dann muss man plötzlich „Kevin allein zu Haus“ spielen.

D emut zeigen

Damit wären wir wieder bei Bernhard von Clairvaux und dem Dienen an der Spitze, aber diese Eigenschaft ist vermutlich nicht nur Herrn Blatter unbekannt, beziehungsweise wird als „aus der Mode gekommen“ betrachtet. Dabei sollten sich vor allem die Verantwortlichen in Spitzenpositionen täglich vor Augen führen, wem sie denn eigentlich den persönlichen Erfolg zu verdanken haben. In vielen Fällen ist dies nämlich oft der Zufall (zur richtigen Zeit am richtigen Fleck), oder das berühmt-berüchtigte Vitamin-B (Beziehungen).

Ach so, beinahe hätte ich meine Abschlussempfehlung für Joseph Blatter vergessen! Zu einem echten Vorbild gehört nämlich auch das Übernehmen persönlicher Verantwortung, wenn in der eigenen Organisation schwerwiegendes Fehlverhalten auftritt. Dabei spielt es keine Rolle, ob man darin direkt involviert war, Kenntnis davon hatte oder nicht. Denn auch im letzteren Fall hat man bei der Umsetzung der entsprechenden Vorsorge-/Kontrollmaßnahmen versagt und seine Aufsichtspflicht verletzt. Und wenn Herr Blatter oder andere Unternehmenslenker Nachhilfe im Ziehen entsprechender Konsequenzen brauchen, sollten sie beispielsweise einfach mal in den Memoiren von Willy Brandt blättern, der aus wesentlich banaleren Gründen zurückgetreten ist, auch um die von ihm vertretene Organisation zu schützen.

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