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Gastbeitrag Auf was sich Arbeitnehmer bei einer Firmenpleite einstellen müssen

Ashkan Saljoughi
Ashkan Saljoughi
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Rollt nach der Pandemie die große Pleitewelle über Deutschland hinweg? Arbeitsrechtler Ashkan Saljoughi rät Arbeitnehmern zur Wachsamkeit und erklärt, was es zu beachten gilt

Die Welt steht kopf: Denn obwohl die Wirtschaft, aufgrund der Corona-Pandemie 2020 stark einbrach, sind die Firmeninsolvenzen laut Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hierzulande auf einen Tiefststand gesunken. Doch viele dieser durch Corona-Hilfen oder billige Kredite künstlich am Leben gehaltenen „Zombie-Unternehmen“ werden demnächst voraussichtlich fallen. Arbeitnehmer sollten deshalb unbedingt ihre Rechte und die Fallstricke von Insolvenzverfahren kennen.

Viele Unternehmen, die sich schon vor der Corona-Pandemie in einer finanziellen Schieflage befanden, halten sich durch die staatlichen Hilfen oder zumindest durch den Ausblick auf diese künstlich am Leben. Ein ernstes Zeichen, dass diese sogenannten Zombie-Unternehmen vor der Pleite stehen oder es bereits sind, ist die Einstellung der Lohnfortzahlungen – trotz laufendem Betrieb. Dann ist Eile geboten. Wer sich vertrösten lässt und darauf hofft, dass alles wieder ins Lot kommt und dadurch Antragsfristen versäumt, kann schnell mehrere Tausend Euro verlieren.

Geld gibt es (teilweise) von der Agentur für Arbeit

Denn die Arbeitsagentur zahlt ein sogenanntes Insolvenzgeld in Höhe des Lohns. Vorausgesetzt, die Betroffenen haben den entsprechenden Antrag innerhalb von zwei Monaten, u. a. nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, gestellt. Wer diese Frist versäumt, verliert also bis zu drei Monatsgehälter.

Mit regulären Abschlägen vom Gehalt müssen nur jene Arbeitnehmer rechnen, die über der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung liegen – d.h. mehr als ca. 80.000 Euro brutto im Jahr verdienen.

Weniger Geld gibt es, wenn Arbeitnehmer bei einer Insolvenz sofort freigestellt werden. Dann können sie ihren Anspruch gegen die Arbeitsagentur auf Gleichwohlgewährung geltend machen und erhalten dann Zahlungen in Höhe des Arbeitslosengeldes I.

Augen auf bei Kündigungen

Auch wenn es für Angestellte schmerzhaft ist: Insolvenzverwalter können ihnen kündigen. Und zwar mit kürzeren als den üblichen oder vereinbarten Fristen. Doch Betroffene können zumindest den Schaden begrenzen und bei vorzeitigen Kündigungen einen sogenannten Verfrühungsschaden geltend machen. Hierbei handelt es sich aber nur um Insolvenzforderungen, die regelmäßig nicht in voller Höhe erfüllt werden können.

Vorsicht bei Abfindungszahlungen

Pech haben dagegen die Arbeitnehmer, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einem Aufhebungsvertrag mit einer Abfindungszahlung zustimmen. Sie können diesen Betrag nach Eintritt der Insolvenz nicht mehr einklagen. Wenn also die Insolvenz droht, sollten Arbeitnehmer es sich zweimal überlegen, ob sie einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen.

Fortführung bei einem Firmenkäufer eröffnet Chancen

Oftmals kündigen Insolvenzverwalter den Angestellten und verkaufen dann den Betrieb ganz oder teilweise. In diesem Fall geht das Arbeitsverhältnis oftmals auf den Käufer über. Das bietet Arbeitnehmern die Chance, gegen die Kündigung vorzugehen. Denn auch in der Insolvenz gilt der strenge Kündigungsschutz.

Überstunden ade

Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens können zuvor geleistete Überstunden nicht mehr eingeklagt oder abgefeiert werden. Droht also eine Insolvenz, sollten Angestellte diese rechtzeitig abfeiern.

Arbeitszeugnis, wer steht in der Verantwortung

Klar geregelt ist auch die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses. Endet das Arbeitsverhältnis vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, muss dieses vom alten Arbeitgeber unterzeichnet werden – auch, wenn zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Ansonsten ist der Insolvenzverwalter zuständig. Da diese jedoch erfahrungsgemäß nur sehr oberflächliche Zeugnisse erstellen, sollten Betroffene eine eigene Vorlage einreichen.

Ashkan Saljoughi ist Rechtsexperte und Leiter der Kanzlei Chevalier Rechtsanwälte für Arbeitsrecht in Berlin, die deutschlandweit die Rechte von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen vertritt und durchsetzt. Das Geschäftsmodell kombiniert die Tätigkeit einer klassischen Anwaltskanzlei (Chevalier Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) mit einem Technologie-Unternehmen (Chevalier GmbH, eine Tochtergesellschaft der Flightright GmbH). Durch diese Kooperation ist es den Rechtsanwälten der Kanzlei möglich, sich auf juristische Fragestellungen sowie auf die Beratung und Betreuung der Mandanten zu fokussieren und mittels innovativer IT-Lösungen zu 100 Prozent für sie da zu sein.

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