Man sollte glauben, dass junge Unternehmen es ernster mit der Diversität in Belegschaft und Chefetage meinen als etablierte mit lange gewachsenen Strukturen. Eine Studie der Allbrigt-Stiftung zeigt jetzt allerdings: Das Gegenteil ist der Fall. In den Vorständen der 30 Börsenneulinge, die seit höchstens fünf Jahren in einem der Dax-Indizes notiert sind, arbeiten 98 Männer und 11 Frauen. Diversität? Fehlanzeige.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Unternehmen, die in den vergangenen 15 Jahren gegründet worden sind und die nicht durch eine Abspaltung von einem Großkonzern entstanden sind, den niedrigsten Frauenanteil haben: 5,4 Prozent.
Um auf das Problem der mangelnden Diversität aufmerksam zu machen, hat die Allbright-Stiftung das Problem als „Thomas-Kreislauf" bezeichnet. In den älteren Unternehmen ist Thomas der häufigste Name in den Vorständen. Thomas ist 54 Jahre alt und Wirtschaftswissenschaftler oder Ingenieur aus Westdeutschland.
Von wegen Diversität: Aus Thomas wird Christian
Die Top-Managements jüngerer Unternehmen zeichnen sich noch weniger durch Diversität aus, sie sind sogar heterogener. Nur der häufigste Name hat sich geändert: zu Christian. Christian sei noch häufiger Wirtschaftswissenschaftler. Meistens hat er seine Ausbildung an einer privaten Hochschule für Wirtschaft und Management absolviert.
Diese Unternehmen haben keine oder nur wenige Frauen in ihren Vorständen:
Das sind die Börsenneulinge ohne Frauen in den Vorständen
Sechs Männer, keine Frau – das ist der Vorstand der Corestate Capital Group. Das Unternehmen ist ein im SDAX gelisteter Immobilien-Manager und Co-Investor und hat seinen Sitz in Luxemburg. Mitte 2020 beschäftige Corestate Capital rund 800 Mitarbeiter in seinen Büros in Frankfurt, London, Paris, Madrid, Zürich, Amsterdam und Mailand. Corestate Capital ging im Oktober 2016 an die Börse.
Weibliche Vorstandsmitglieder sucht man bei Verbio vergeblich. Stattdessen sitzen fünf Männer im Führungsgremium. Das Unternehmen stellt Biokraftstoffe her, Verwaltung und Geschäftsleitung sitzen in Leipzig. Die Vereinigte Bioenergie AG, dafür steht Verbio nämlich, hat 725 Mitarbeiter und ist seit Dezember 2020 im SDAX gelistet.
Eigentlich ist das Geschäftsmodell von Hello Fresh ziemlich modern: Das Berliner Unternehmen beliefert Abonnenten mit Kochboxen, darin enthalten sind Rezepte und die dazugehörigen Zutaten. Die Personalpolitik des Unternehmens ist allerdings weniger modern: Der Vorstand ist mit seinen vier Mitgliedern ausschließlich männlich. Seit 2017 wird die Aktie des Unternehmens am Frankfurter Prime Standard gehandelt.
Bis Mai dieses Jahres hatte Delivery Hero zwei männliche Vorstände – jetzt sind es drei. Das Unternehmen mit Sitz in Berlin gehört zu der Gruppe der Börsen-Neulinge, die als Start-ups bekannt geworden sind. Das Umfeld ist extrem kompetitiv und wachstumsgeprägt. Gründerteams sind übrigens meist männlich. Der Anteil der Gründerinnen lag laut Female Founders Monitor bei 15,7 Prozent.
Westwing ist eine integrierte E-Commerce-Plattform für Home and Living - das Einkaufserlebnis soll ein wenig an ein Magazin erinnern. Die Idee für das Format brachte Dalia Lachance mit. Im Vorstand des Unternehmens ist aber nicht sie, sondern zwei Männer: Stefan Smalla und Sebastian Säuberlich. Eine Frau hat Westwing, das seit 2018 an der Frankfurter Börse notiert ist, nicht im Vorstand.