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Rückblick Reif fürs Festland

Das Insel-Phänomen prägte die Woche. So zieht es den Weltkonzern Apple zwecks Steuerersparnis „offshore“. Die Insulaner auf Island wiederum wollen sich dem europäischen Festland doch nicht anschließen.

Die Insel als solche spielt in der Welt der Metaphern ja eine beneidenswerte Rolle: Meist gilt sie als Symbol für Urlaub und zentrales Instrument gegen den lauernden Burnout – zwei Palmen, ein Kokosnuss-Cocktail und der Blackberry hat mitten im Meer sowieso keinen Empfang. Die Wahrheit sieht wie so oft natürlich völlig anders aus. Inseln sind in der modernen Weltwirtschaft fürchterlich anstrengend geworden, was diese Woche eindrucksvoll belegt. So treffen sich Borussia Dortmund und der FC Bayern, eigentlich zwei geerdete Binnengewächse, ausgerechnet in England zum finalen Showdown. Wer glaubt, das habe etwas mit Erholung zu tun, war noch nie in seinem Leben Fußballspieler oder Fan.

Inseln machen aber auch sonst eine Menge Arbeit, vor allem dann, wenn Unternehmen ihre Gewinne systematisch „offshore“ schaffen, also wörtlich genommen weg vom Festland. Aktuell erwischte es den allseits bewunderten Apple-Konzern, dem ein Komitee des US-Senats vorwarf, er habe sein Geld seit Jahrzehnten praktisch steuerfrei in Irland untergebracht, also auf einer Insel, die so grün ist wie der Granny Smith, den sich das Unternehmen als Vorlage für sein Logo erwählt hat. Milliarden von US-Dollar soll Apple auf diese Weise eingespart haben, ein Umstand, der den US-Comedian Jon Stewart so auf die Palme brachte, dass er seinen Landsleuten vorwarf, sich von dem Hightech-Konzern um den Finger wickeln zu lassen: „Wenn heraus käme, dass sie die Herzen von Kätzchen nutzen, um ihre iPhones anzutreiben, würden wir sagen: Nun, wenn es die Batteriedauer verlängert, dann nehme ich doch gleich zwei!“

Und als wollte die Insel-Welt ein für alle Mal mit allen Vorurteilen aufräumen, sorgte noch ein weiteres Eiland für Verstimmung. Die Isländer erklärten Mitte der Woche mal eben die Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union für gescheitert, als erstes Land überhaupt. Ohnehin hatte die dortige Regierung die Option EU immer eher als letzte Ausfahrt betrachtet, als es mit der Wirtschaft den Bach runter ging. Mittlerweile geht es Island wieder ganz passabel, da bleibt man dann doch lieber für sich. Auch das ist ein gängiges Insel-Phänomen.

Geradezu panisch wurde in dieser Woche die Stimmung auf den japanischen Inseln, deren Zentralbank die Welt ja ohnehin seit Monaten mit ihrer innovativen Geldpolitik in Atem hält. Zuweilen wirkt es, als würde der alte Ausruf von Ernst Reuter noch einmal in abgewandelter Form wiederbelebt: „Notenbanker der Welt, schaut auf dieses Land!“ Am Donnerstag kam es dann zu einem Kurssturz an der Tokioter Börse, wie ihn das Land seit der Katastrophe von Fukushima nicht mehr erlebt hat. Vordergründig hatte der Crash mit der Inflationsstrategie der japanischen Führung nichts zu tun, aber es zeigt, dass man nervös ist dort drüben. Aber das Leben in Japan galt ja noch nie als sonderlich entspannt.

Wirklich urlaubsreif wirkt mittlerweile übrigens US-Präsident Barack Obama, dessen zweite Amtszeit sich von einem Skandal zum anderen schleppt. Die Affäre um besonders scharfe Kontrollen der Steuerbehörden bei konservativen Gruppen in den USA ist nach wie vor nicht ausgestanden. Offenbar war das Weiße Haus früher über derlei Praktiken informiert als die Regierung bisher zugegeben hatte.

Vielleicht würde es auch schon reichen, wenn sich Obama einfach mit der in dieser Woche präsentierten neuen X-Box von Microsoft zurückzöge, dem Nachfolger des mittlerweile schon acht Jahre alten vorherigen Geräts. Die neue Spielkonsole lässt sich an Fernseher anschließen, hat einen Blue-Ray-Player und man kann sogar mit ihr skypen – was die Frage aufkommen lässt, warum der Besitzer überhaupt noch das Haus verlassen sollte. Doch es gilt ja nach wie vor der alte Satz des englischen Philosophen John Donne: „Kein Mensch ist eine Insel.“

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