Horst Seehofer war begeistert: Der Wohngipfel im Kanzleramt sei ein „ganz starkes Signal“ gewesen, sagte der Innen- und Bauminister (CSU) nach der Veranstaltung. Sein Ministerium schrieb in einer euphorischen Pressemitteilung gar von einem „historisch einmaligen Maßnahmenpaket“, das der Wohngipfel geschnürt habe. Ende September waren Vertreter der Regierung mit den Spitzen von Verbänden, Gewerkschaften und Mieterbund zusammengekommen, um über die Wohnungsnot im Lande zu sprechen. Wohn- und Mietkosten in Deutschland sind hoch, die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen übersteigt das Angebot deutlich. In Großstädten prügeln Interessenten sich regelrecht um erschwinglichen Wohnraum, von dem es immer weniger gibt.
Um die Situation zu verbessern, beschlossen die Teilnehmer des Wohngipfels ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Unter anderem will die Regierung den Bau erschwinglicher Mietwohnungen mit Steuererleichterungen für Bauherren fördern. Konkret sollen Bauherren die Aufwendungen über eine Sonderabschreibung besser von ihrer Steuerlast absetzen können. Auch beim Ausbau von Dachgeschossen oder Gewerbeflächen zu Mietwohnungen sieht die Einigung solche Steuererleichterungen vor.
Sonderabschreibung nicht zu Ende gedacht
Die geplante Sonderabschreibung ist bereits Bestandteil des Koalitionsvertrags, also nicht brandneu. Kurz erklärt funktioniert sie so: Wenn Investoren eine neue Wohnung bauen, dürfen sie vier Jahre einen Sondersatz von je fünf Prozent der Kosten abschreiben – zusätzlich zur normalen steuerlichen Abschreibung. Dabei dürfen die Baukosten nicht mehr als 3000 Euro pro Quadratmeter betragen. Bauherren dürfen dann maximal 2000 Euro für die Sonderabschreibung ansetzen. Wer den Bonus beanspruchen will, muss außerdem schnell sein und zwischen September dieses Jahres und Ende des Jahres 2021 einen Bauantrag stellen. Ebenso müssen Investoren sich verpflichten, die neu entstehende Wohnung nach Fertigstellung mindestens zehn Jahre lang zu vermieten. Das Angebot für die Sonderabschreibung gilt bis zum Jahr 2026.
Der große Wurf ist der Regierung mit der geplanten Sonderabschreibung nicht gelungen, bemängeln Immobilienverbände. Der Plan sei nicht zu Ende gedacht, heißt es beim Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW): „Die Bundesregierung will mit der Sonderabschreibung den Mietwohnungsbau in Ballungsregionen fördern. Dabei setzt sie die maximale Obergrenze für Baukosten jedoch so niedrig an, dass sie gerade in den Ballungsgebieten kaum in Anspruch genommen werden kann“, sagt Andreas Ibel, Präsident des BFW. Die Gewerkschaften IG Bau, DGB und DMB halten die Maßnahme ebenfalls nicht für geeignet, um „der Wohnraumkrise schnell und entschlossen zu begegnen.“
Auch der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW sieht Nachbesserungsbedarf bei der geplanten Sonderabschreibung: Sie berge die Gefahr immenser Preissteigerungen in der ohnehin überhitzten Baukonjunktur. Der Immobilienverband ZIA wiederum hätte sich von dem Gipfel eine ganz andere Sonderabschreibung gewünscht, nämlich für die energetische Gebäudesanierung. „Bislang liegen die Belastungen dafür ausschließlich auf Eigentümer- und Mieterseite“, sagt Andreas Mattner, Präsident des ZIA. Der Eigentümerverband Haus & Grund haut in eine ähnliche Kerbe. „Der Dachgeschossausbau bietet vor allem in den Ballungszentren enormes Potenzial“, sagt Verbandspräsident Kai Warnecke. Allerdings gebe es für solche Vorhaben auch nach dem Gipfel keine wirksamen Pläne für Sonderabschreibungen. Es sieht nicht so aus, als wäre die Krise am Wohnungsmarkt nach dem Gipfeltreffen ausgestanden.