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Energiewirtschaft „Immobilien mit Gas- und Ölheizungen könnten an Wert verlieren“

Wintereinbruch im Siegerland
Wintereinbruch im Siegerland
© IMAGO / Rene Traut
Fachleute sind sich uneins über das Verbot der Verbrenner-Heizungen. Was spricht dafür und was dagegen? Und noch viel wichtiger: Worauf müssen sich Immobilienbesitzer im schlimmsten Fall gefasst machen? 

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat seine Pläne zum Verbot neuer Öl- und Gasheizungen in Wohngebäuden ab 2024 am Morgen bekräftigt. Doch nicht nur Wohnungswirtschaft, Handwerk, FDP und Opposition attackieren diese scharf. In den Augen von Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg, sind diese „von vorne bis hinten“ nicht durchdacht. „Das hilft uns beim Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, nicht weiter, sondern blockiert es sogar“, sagt Sebastian im Gespräch. Die Bundesregierung denkt seiner Ansicht nach zu stark ökologisch und zu wenig ökonomisch. 

Noch ist der Gesetzentwurf nicht beschlossen. Aktuell sieht er vor, dass ab nächstem Jahr alle neu verbauten Heizungsanlagen ihre Heizwärme zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien erzeugen müssen. Das ist Experten zufolge nur mit alternativen Anlagen wie etwa Wärmepumpen oder Fernwärme machbar. Ab 2045 sollen Heizungen dann komplett mit erneuerbaren Energien laufen, also nur gut 20 Jahre später. „So ein schrittweises Vorgehen funktioniert nicht bei Immobilien“, erklärt Sebastian. „Jedes Bauteil muss 30 Jahre halten, auch die Heizung.“

Das hieße in der Folge, jede Investition zum aktuellen Zeitpunkt müsste final dazu führen, dass ein Gebäude 2045 klimaneutral ist. „Eigentlich müsste man Immobilienbesitzern jetzt sagen, dass sie sehr viel Geld in die Hand nehmen müssen – damit ihre Immobilie 2045 klimaneutral ist“, sagt Sebastian. Es bringe zum Beispiel nichts, ein Gebäude aus den 1960er Jahren jetzt ein bisschen zu dämmen, damit die neue Heizung funktioniert. Damit es 2045 klimaneutral sein könnte, müsste es einmal richtig und komplett saniert werden.

„Regierung denkt zu wenig regional“

In Städten, wo die Immobilienwerte hoch sind und sich Investitionen entsprechend finanzieren ließen, sieht der Wissenschaftler kein Problem. Die Technik sei grundsätzlich ebenfalls vorhanden, hinzu komme stets eine technologische Lernkurve. Bleibe quasi „nur“ das Problem, dass auch der Strom dafür aus Erneuerbaren kommen müsste. Für die Wärmeversorgung schlägt Sebastian Quartierslösungen vor, dass also ganze Viertel per Fernwärme versorgt werden. Wo es keine bestehenden gibt, müssten allerdings Fernwärmenetze gebaut werden.

Die ländlichen Regionen hingegen vernachlässigt die Regierung nach Ansicht des Immobilienwirtschaftsexperten. „Die Bundesregierung denkt zu stark vom Bund her und zu wenig in räumlichen Verbünden.“ Auf dem Land bereiteten neue Heiztechniken und teure energetische Sanierungen – die wiederum Voraussetzung für Erstere seien – große finanzielle Probleme. Ein Immobilienbesitzer in München zum Beispiel könne diese per Kredit finanzieren, weil Wohnungen und Häuser dort entsprechend viel wert sind. In Salzgitter dagegen lohnten sich solche Investitionen nicht – sie wären teurer als die Immobilie selbst, rechnet Sebastian vor. In der Folge wäre es in vielen ländlichen Regionen finanziell sinnvoller, eine Immobilie leer stehen zu lassen, statt sie klimaneutral zu sanieren. „Wenn die Vorschriften nicht mit einer entsprechenden Förderung flankiert werden, ziehen wir die strukturschwachen Regionen leer“, warnt der Branchenexperte. 

Heiztechnik beeinflusst Immobilienwert 

Kristin Wellner, Professorin für Immobilienwirtschaft an der Technischen Universität Berlin, befürwortet Habecks Pläne hingegen. Sie rechnet zwar damit, dass Immobilien mit Gas- und Ölheizungen allein schon durch die Ankündigung des Gesetzes an Wert verlieren, wie sie im Gespräch sagt. „Aber was wäre die Alternative?“ Schlimmer wäre ihrer Meinung nach, wenn durch Starkregen oder Stürme infolge des Klimawandels Dächer abgedeckt würden und Immobilien nicht mehr bewohnbar wären. „Die große Frage dahinter ist langfristig wichtiger als momentane Preisabschläge bei Immobilien.“

Schon vor Habecks Ankündigung, spätestens seit den Preisanstiegen aufgrund der Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs, seien Immobilien wertvoller gewesen, deren Heiztechnik sich leichter von fossilen Brennstoffen auf Heizsysteme mit erneuerbaren Energien umstellen lassen, berichtet Wellner. Zum Beispiel eine Wohnung in der Stadt, die an ein Fernwärmenetz angebunden ist, dessen Kraftwerk sich umstellen ließe. „Das ist einfacher, als viele einzelne Heizungen auszutauschen.“ Eine Alternative zu einem Verbot neuer Öl- und Gasheizungen wäre Wellner zufolge eine noch stärkere staatliche Förderung alternativer Techniken gewesen. Doch das sei für den Staat sehr teuer und geht langsamer.

„Das Ende ist besiegelt“

Problematisch sei zwar, dass Gas in der Immobilienbranche bis vor Kurzem im Vergleich zu manch anderer Technologie als ökologisch vertretbare Variante galt, räumt die Forscherin ein. Doch seit den Preissprüngen dächten schon heute nur noch wenige Immobilienbesitzer und Häuslebauer über eine Gasheizung nach. „Das Ende ist ohnehin besiegelt“, meint Wellner. „Und das ist schon stückweise im Markt eingepreist.“

Das Handwerk verwies im Vorfeld der am Montag beginnenden Internationalen Sanitär- und Heizungsmesse erneut auf Lieferengpässe bei Wärmepumpen und technische Hürden bei Bestandsgebäuden. Kaum isolierte Außenhüllen und kleine Heizkörper sind schlechte Voraussetzungen für die strombetriebenen Wärmepumpen, die deutlich geringere Vorlauftemperaturen schaffen als herkömmliche Verbrenner. In engen Siedlungen gilt es zudem, konfliktfreie Standorte für die Außengeräte zu finden, die laut Bosch Geräusche zwischen 30 und 50 Dezibel verursachen können. Auch Installateur-Handwerk und Heizungsindustrie halten Habecks Pläne für unausgegoren. Im Gegensatz zu den beiden Wissenschaftlern lehnen sie ein Verbot neuer Gas- und Ölheizungen jedoch ab.

Dieser Artikel ist zuerst auf ntv.de erschienen. 

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