Nach fast zehn Jahren Dauertief scheint die Zinswende in Europa nah. Zum Jahresende hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Kauf neuer Anleihen eingestellt. Die Währungshüter deuteten zudem an, dass sie im Herbst dieses Jahres erstmals seit der Finanzkrise die Zinsen anheben könnten. Ein solcher Schritt hätte auch für die Immobilienbranche gravierende Folgen: Entschließt sich die EZB zu einer Erhöhung des Leitzinses, werden mittelfristig auch die Darlehenszinsen anziehen. Damit würden Immobilienkredite erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt tendenziell wieder teurer. Hauseigentümer und solche, die es werden wollen, sollten dieses Szenario nicht unterschätzen. „Viele haben vergessen, wie viel Einfluss eine Zinssteigerung für diejenigen hat, die über den Kauf von Haus oder Wohnung nachdenken“, sagt Jörg Münning, Vorstandsvorsitzender der Bausparkasse LBS West.
Selbst eine Zinserhöhung um nur ein halbes Prozent kann eine Baufinanzierung spürbar verteuern. Ein Beispiel: Für ein 200.000-Euro-Darlehen werden bei einem aktuellen Zins von 1,43 Prozent und zehn Jahren Laufzeit derzeit pro Monat 238 Euro Zinsen fällig. Steigen die Zinsen auf 2,0 Prozent, erhöht sich die monatliche Belastung bereits auf 333 Euro. Bei 3,0 Prozent Zinsen hätte sie sich mit 500 Euro pro Monat mehr als verdoppelt.
In einer Umfrage des Portals Immowelt.de gab rund die Hälfte der befragten Immobilienprofis an, dass sie in diesem Jahr von einer leichten Erhöhung des Leitzinses von maximal 0,25 Prozentpunkten ausgehen. Ein Viertel Prozent der Umfrageteilnehmer rechnet mit einem Wert zwischen 0,25 und 0,5 Prozentpunkten. Von einer starken bis sehr starken Erhöhung gehen nur vier Prozent der Befragten aus. Eine Anhebung des Leitzinses von derzeit 0 auf 0,5 Prozent würde den Zinssatz für zehnjährige Baudarlehen nach Einschätzung der Immobilienexperten auf rund zwei Prozent steigen lassen. „Wer sich das Eigenheim finanzieren möchte, sollte daher erwägen, sich die noch günstigen Zinssätze möglichst bald zu sichern“, rät Marco Bargel, Chefvolkswirt der Postbank.
Eine Möglichkeit der Zinsversicherung ist ein Bausparkonto . Wer einen Bausparvertrag abschließt, sichert sich nämlich zugleich einen Anspruch auf ein günstiges Darlehen. Der Zinssatz dafür steht bereits mit Unterzeichnung des Vertrages fest, auch wenn der Bausparer das Darlehen erst in einigen Jahren abruft. Wer also davon ausgeht, dass die Bauzinsen in einigen Jahren höher liegen als heute, kann sich so die aktuellen Konditionen für die Immobilienfinanzierung sichern.
Auch Eigenheimbesitzer, deren Baudarlehen schon ein paar Jahre laufen, sollten sich Gedanken darüber machen, wie sie sich am besten gegen steigende Zinsen wappnen. Denn üblicherweise verhandelt die Bank alle zehn Jahre die Zinsen des Darlehens neu. Liegen die Bauzinsen dann höher als heute, können Hausbesitzer ihren Kredit womöglich nur noch zu schlechteren Konditionen fortführen.
Wer einer ungünstigen Verhandlungsposition vorbeugen möchte, kann sich mit dem Abschluss eines Forward-Darlehens mehr Planungssicherheit verschaffen. Damit sichern sich Hausbauer das aktuelle Zinsniveau für ihre Anschlussfinanzierung. Sie zahlen dafür zwar eine Gebühr, den sogenannten Forward-Aufschlag, müssen aber keine steigenden Zinsen mehr fürchten. Möglich ist der Abschluss ab fünf Jahre vor Ende der laufenden Zinsbindung.
Generell gilt: Je früher ein Forward-Vertrag abgeschlossen wird, desto größer ist das Zinsänderungsrisiko für die Bank – und desto höher der Forward-Aufschlag. Gleichzeitig steigt das Risiko, dass sich der Darlehensnehmer bei seiner Zinswette verspekuliert. Das ist gar nicht mal so unwahrscheinlich. Der Blick in die Historie zeigt: Ein zu früher Abschluss hat sich in der Regel nicht gelohnt. Wer etwa im März 2015 zwei Jahre vor Auslaufen seines Baukredits ein Forward-Darlehen abschloss, für den fiel ein Effektivzins von 1,68 Prozent an, wie eine Analyse der FMH-Finanzberatung zeigt. Hätte der Kunde stattdessen erst im März 2017 ein Anschlussdarlehen aufgenommen, hätte er nur 1,33 Prozent bezahlen müssen.
Ob die EZB die Leitzinsen wie erwartet im Herbst anhebt, weiß man nicht. Die Konjunkturdaten weckten zuletzt Zweifel bei Marktbeobachtern. So ist die Wirtschaft in Deutschland und Italien im dritten Quartal geschrumpft. Außerdem verharrt die Kerninflation, bei der die stark schwankenden Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert werden, seit Jahren bei rund einem Prozent. Die Kerninflation galt in der Vergangenheit als zuverlässiger Indikator dafür, wohin sich die Inflation insgesamt bewegt. All diese Faktoren könnten dazu führen, dass die Währungshüter doch auf eine Zinserhöhung verzichten – und die Konditionen für Baudarlehen weiterhin günstig bleiben.