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Schwächelndes Baufinanzierungsgeschäft Kommt endlich die Entspannung bei den Immobilienpreisen?

Ein Baugebiet mit Eigentumswohnungen
Im Speckgürtel um München entstehen auf einem neuen Baugebiet Eigentumswohnungen
© picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON
Weil die Bauzinsen steigen, sinken die Aufträge bei den Baufinanzierern. In welchen Regionen das den Wohnungsmarkt und die Immobilienpreise entspannen dürfte – und wo nicht

Die Zinserhöhung auf 1,25 Prozent der Europäischen Zentralbank als Reaktion auf die hohe Inflation wirkt sich deutlich auf die Bauzinsen und den Immobilienmarkt aus. Experten sehen erste Anzeichen dafür, dass sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt entspannt.

Im Oktober lagen die Zinsen für einen Immobilienkredit mit zehnjähriger Laufzeit bei 3,8 Prozent, mit 30-jähriger Laufzeit sogar bei 4,34 Prozent. Damit haben sich die Bauzinsen seit Jahresbeginn vervierfacht. Teurer waren Immobilienfinanzierungen zuletzt vor mehr als einem Jahrzehnt.

Diese hohen Bauzinsen treffen zunehmend auf eine sinkende Nachfrage – und drücken damit auch die Immobilienpreise, bislang allerdings nur leicht. Sparkassenpräsident Helmut Schleweis sagte kürzlich dem „Handelsblatt“, dass die Nachfrage nach Baufinanzierungen bei den deutschen Sparkassen von einem Tag auf den anderen eingebrochen sei. Projekte im Planungsstadium seien storniert worden.

Eine deutliche Zurückhaltung bei Immobilienkrediten bemerkt auch Kai Weber, Finanzberater beim Branchenspezialisten Dr. Klein: „Die Kundenanfragen sind um mindestens 50 bis 60 Prozent zurückgegangen“. Der sonst im September und Oktober übliche Aufschwung bei den Baufinanzierungs-Anfragen sei dieses Jahr faktisch ausgeblieben.

Preise in Großstädten könnten sinken

Auf lange Sicht geht Finanzberater Weber deshalb davon aus, dass vor allem „Großstädte einen echten Abschwung bei den Preisen erleben werden, da sich viele nicht mehr eine entsprechende Finanzierung leisten werden können“. In mittelgroßen Städten und Kleinstädten seien die Preise jedoch noch nicht so aufgebläht, die Korrektur werde also entsprechend weniger stark ausfallen als in den Metropolen. Sie könnten als Gewinner aus der Krise hervorgehen, prognostiziert Weber.

Dabei schien der Immobilienboom in den vergangenen Jahren ungebrochen. Vor allem in den ersten beiden Pandemiejahren 2020 und 2021 schnellte die Nachfrage nach Immobilien in die Höhe. Treiber waren niedrige Bauzinsen, aber auch Kapitalanleger, die im Betongold Renditechancen witterten.

Dieser Nachfrageschub sollte nicht folgenlos bleiben: „Die Immobilienpreise sind in den beiden Corona-Jahren so stark gestiegen wie in keinem anderen Jahr der vergangenen Dekade“, sagte Jörg Utecht, Vorstandsvorsitzender der Interhyp Gruppe, als er sich auf eine im Februar veröffentlichte Studie seines Hauses bezog. Ausgewertet wurden dafür 800.000 Baufinanzierungen im Zeitraum von 2011 bis 2021.

Das Ergebnis: In den Jahren 2020 und 2021 stiegen die Immobilienpreise um jeweils mehr als 10 Prozent an. Im gesamten Zeitraum 2011 bis 2021 lag der Anstieg der Kosten für den Bau oder Kauf einer Immobilie bei – fast schon rekordverdächtigen – 70 Prozent. Gerade in den Metropolen, ob in München, Köln, Hamburg oder Frankfurt am Main, explodieren die Preise regelrecht. Kostete in Frankfurt im Jahr 2011 eine Immobilie noch durchschnittlich 372.000 Euro, so zahlten Käufer zehn Jahre später im Schnitt 702.000 Euro.

Förderungen der Bundesregierung

Um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen, setzt die Bundesregierung inzwischen Anreize zum Bau oder Kauf von Häusern und Wohnungen. Trotz der aktuell erschwerten Bedingungen im Wohnbau hält sie an ihrem ambitionierten Ziel fest, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen in Deutschland zu bauen – und ergreift dafür diverse Maßnahmen.

So unterstützt sie ab Anfang 2023 unter anderem junge Familien mit dem sogenannten Wohneigentumsprogramm. Die in Aussicht gestellte Förderung reicht Finanzberater Weber jedoch noch nicht aus: „Wenn die Regierung ihre Ziele im Wohnungsbau erreichen will, dann muss sie auch weitere Anreize bieten“, fordert er. Denn das Hauptproblem vieler Haushalte sei nicht die Finanzierung an sich, sondern das mangelnde Eigenkapital. Förderprogramme in Form von nachrangigen Darlehen könnten dieses adäquat ersetzen und Familien wirksam unter die Arme greifen. Das würde nebenbei auch wieder mehr Bewegung in den Immobilienmarkt bringen.

Aber nicht nur die steigenden Bauzinsen und die immer noch hohen Immobilienpreise schrecken Interessenten ab. Auch die hohe Inflation, die sowohl Rücklagen als auch regelmäßige Einnahmen frisst, sowie Störungen der Lieferketten, die Bauherren oder Immobilienkäufer nicht mehr sicher kalkulieren lassen, wirken sich negativ auf die Nachfrage aus.

Viele Interessenten legen ihre Bau- oder Kaufpläne auf Eis. Konsequenzen hat das nicht nur für Bauunternehmen, sondern auch für Kreditanbieter, die noch im vergangenen Jahr deutliche Wachstumsraten bei Baufinanzierungen verzeichneten.

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