Ich liebe diese Frage in allen Bereichen: Wie viel Essen ist genug? Gibt es einen Sättigungsgrad bei beruflichem Erfolg, so wie den Hunger darauf? Wann ist eine Wohnung, ein Haus genug. Wieviele Kleidungsstücke brauche ich, um mich richtig zu fühlen? Wie viele Autos, Uhren, Handtaschen, Reisen? Wieviel Vermögen oder sogar Reichtum? Oder: Sind Sie zufrieden mit Ihrem Leben und dem, was Sie haben? Wenn ja, ist Ihnen bewusst, worin dieses „Genug“ liegt?
Falsche Frage, meinen Sie? Besser ist, groß Denken und sich hohe – auch finanzielle – Ziele zu stecken, und dann einfach zu sehen. Das sind auf jeden Fall motivierende Energiebooster, große Ziele! Für mich stellt sich dann immer noch die Frage nach dem „persönlichen Genug“.
Gibt es ein Einkommen, das genug ist?
Und freilich mein Lieblingsthema: Wieviel Rente ist genug? Darüber denken doch – mal ehrlich – die Wenigsten von uns spontan oder ganz bewusst beim Spazierengehen oder Zusammensitzen mit Freunden und Kolleg:innen nach.
Für manche ist es ein Luxusproblem. Für die Masse existentiell. Für alle relevant. Ob großes oder kleines Vermögen, alle brauchen eine Antwort darauf: Wann habe ich genug Vermögen aufgebaut für die Rente, für die nächste Generation? Befreundete Honorarberater erzählen dazu manch muntere Geschichte von Menschen, die fleißig gespart und investiert haben und sich nicht dazu durchringen können, diese Früchte zu ernten und das Vermögen nach und nach aufzulösen, weil sie immer noch denken, es reiche nicht.
Minimalisten haben das geklärt
Spontan fallen mir zwei Gruppen ein, die die Genug-Frage für sich geklärt haben: Frugalisten und Minimalisten. Ihre Werte basieren auf der totalen Reflexion materieller Dinge und der Entscheidung: Das ist genug. Mehr brauche ich in der Gegenwart nicht. Was über ist von meinem Einkommen, investiere ich – für später, damit ich auch dann genug habe.
Menschen mit knappen, finanziellen Ressourcen haben sicher ebenfalls schnell eine Antwort parat. Beispielsweise die, die auf die Tafeln angewiesen sind, weil ihre Rente für Lebensmittel aus dem Supermarkt nicht mehr reicht. Sie wissen, was genug wäre. Oder alleinerziehende Mütter, die von den Vätern keinen Unterhalt für die Kinder erhalten und die nur mit dem eigenen Erwerbseinkommen, meist erzielt in Teilzeit, haushalten müssen. Sie sind Meisterinnen im Umgang mit der knappen Ressource Geld, agieren ständig auf dem schmalen Grad zwischen Abwägen jeder einzelnen Ausgabe, dem Wunsch, ihren Kindern eine unbeschwerte Teilhabe zu ermöglichen, und der geringen finanziellen Sicherheit. Ein Balanceakt voller Stress!
Konsumgesellschaft überdeckt grundlegende Bedürfnisse
Menschen, die dagegen im Überfluss leben, kennen die Antwort auf die Frage sehr wahrscheinlich nicht. Sie sind an das „Viel“ gewöhnt, sodass ihnen die Frage, was genug sei, wohl wie ein Stolpern im System vorkommen könnte. Sie konsumieren weit mehr als das, was sie benötigen. Überfluss aber kann sich ändern.
Natürlich kann Luxus oder ungezügelter Konsum elektrisieren. Manch einer ist auch fasziniert von obszönem Reichtum wie Megajachten, prunkvollen Villen, Privatjets oder maßgefertigten Luxusautos. Über ein gutes Leben aber sagt das nichts aus. Für ein gutes Leben brauchen wir ein Minimum finanzieller Mittel.
Und zwar nicht nur, um grundlegende Bedürfnisse wie Wohnen, Ernährung, Kleidung, Gesundheitsvorsorge, Bildung und kulturelle Teilhabe abzudecken, sondern auch, um eine gewisse Sicherheit zu verspüren. Das schafft Raum für Lebensqualität und persönliche Entfaltung.
Wer bestimmt, was zählt im Leben?
Deshalb ist es klug für sich selbst zu definieren: Wann habe ich für mein Leben und das meiner Familie genügend finanzielle Mittel? Jetzt und später! Damit landen wir automatisch bei der nächsten Frage: Was ist ein gutes Leben? Ein Wissenschaftlerteam vom Wuppertal Institut hat sich zu Ehren von Manfred Linz diese Frage ebenfalls gestellt. Ein Ergebnis war: „Uns fällt zuerst ein, was uns die Werbung, die Erlebnisschilderungen oder die Pläne von Menschen unserer Umgebung als gutes Leben suggerieren, und nicht das, was uns … wichtig ist.“
Also los!
Was ist ein gutes Leben?
Stift und Zettel nehmen und aufschreiben, was für Sie ein „gutes Leben“ ausmacht, heute und in Zukunft. Davon lässt sich ableiten, wieviel Geld Sie benötigen. Daran anschließend können Sie überlegen, woher dieses Geld kommt. Woher Sie wiederum wissen, wieviel Geld Sie brauchen? Aus Ihren Notizen der monatlichen Ein- und Ausgaben. Diese Bestandserfassung ist das Grundgerüst für die eigene, nachhaltige Finanzplanung, die unser Leben stützt. Heute und später, wenn wir in Rente gehen.
Finanziell genug zu haben kann als eine Balance zwischen Eigenverantwortung und Lebensfreude verstanden werden und zwischen Sicherheit und Risiko. Also, wie ist das bei Ihnen: Wieviel ist für Sie genug? Wann haben Sie ein gutes Leben?
Dass wir diese individuellen Gedanken freilich auch erweitern können auf die gesellschaftliche und globale Ebene, ist ein neues Thema. Wann haben wir als Nation genug – und könnten anderen abgeben?