„Wenn das Kind da ist, bleibe ich zuhause. Das ist doch richtig so, wenn ich Mutter werde!“ Vor allem der nachdrücklich ausgesprochene zweite Satz verschlug mir kurz die Sprache. Ich fühlte mich zurückkatapultiert in die 50er-Jahre, als Frauen im Westen Deutschlands wenig Wahlfreiheit hatten, wenn sie Mutter wurden. Ich unterhielt mich mit einer jungen Frau, Ende 20, die kurz vor der Entbindung stand.
Für sie stand fest: Sie gibt ihren Beruf auf und kümmert sich fortan um Kind und Hausarbeit. Auf meine Frage, wie sie die Familienfinanzen, ihre persönlichen Ausgaben und den Aufbau ihrer Altersvorsorge mit ihrem Freund geregelt habe, winkte sie ab: „Ach, das findet sich schon. Er verdient doch gut.“ Mehr sagte sie nicht dazu.
Diese junge Frau gibt also ihren gut bezahlten Job, der ihr ein eigenständiges Leben und eine Altersvorsorge sichert, zugunsten einer finanziellen Abhängigkeit von dem Vater ihres Kindes auf, ohne die Konsequenzen mit ihm besprochen und verhandelt zu haben. Und offenbar auch ohne an eine Alternative zu denken. Wie ein Roboter kam sie mir vor, programmiert mit den Denkmustern früherer Generationen, als Frauen unbezahlt den Männern und der Gesellschaft zu dienen hatten, ohne Mitsprache, ohne frei verfügbares Geld und Absicherung für das Alter.
Finanzielle Abhängigkeit ohne Ausgleich führt in die Armut
Heute aber können Frauen und Männer wählen, wie sie leben möchten. Ich sehe keinen Grund, sich als Mutter finanziell so auszuliefern, ohne die persönlichen, ökonomischen Folgen durchdacht, besprochen und für Ausgleich gesorgt zu haben. Zumal viele Paare nicht mehr heiraten und deshalb bei Trennung der ökonomische Zugewinn nicht geteilt werden muss und es keinen Versorgungsausgleich bei der Rente gibt.
Die statistischen Zahlen sprechen eine ähnliche Sprache wie die junge Frau anekdotisch im Gespräch mit mir. Die Mehrheit der Minijobber sind Frauen. Elternzeit verbunden mit Elterngeld nehmen zu 78 Prozent Frauen. Die Hälfte der erwerbstätigen Frauen arbeitet Teilzeit.
Auf die eigene, gesetzliche Rente wirkt sich das verheerend aus. Und es fehlen Finanzressourcen, um Vermögen aufzubauen, weil die Rente nicht reichen wird.
Nehmen wir die junge Frau als Beispiel*: Sie verdient in ihrem Job den aktuellen Durchschnittslohn von 43.200 Euro. Ihr wird pro Jahr deshalb ein Entgeltpunkt in der gesetzlichen Rente gutgeschrieben. Mit 30 bekommt sie ihr erstes Kind, mit 32 das zweite. Bis dahin hat sie vier Jahre Vollzeit gearbeitet. Sie nimmt sechs Jahre Elternzeit und jobbt dann neun Jahre für 450 Euro. Anschließend arbeitet sie zehn Jahre Teilzeit, mit 55 trennt sie sich vom Vater ihrer Kinder und stockt bis zur Rente auf Vollzeit auf. Ihr Einstiegsgehalt erreicht sie nicht wieder. Letztlich summieren sich durch die lange Zeit als Minijobberin und die Teilzeit ihre Entgeltpunkte auf lediglich 25. Das entspricht einer Rente von aktuell 950 Euro. Davon wird sie nicht leben können.
Haus- und Care-Arbeit verteilen und gemeinsam erledigen
Sehen wir uns eine Alternative** an: Eine junge Frau bekommt ebenfalls zwei Kinder, nimmt nur jeweils ein Jahr Elternzeit, arbeitet neun Jahre Teilzeit und ab 41 wieder Vollzeit. Auch sie startet mit dem Durchschnittslohn und arbeitet sich auf 55.000 Euro hoch. Sie hat am Ende rund 50 Entgeltpunkte und damit eine Rente von aktuell 1880 Euro. Hat sie zusätzlich ab 30 monatlich 150 Euro in einen breit gestreuten Welt-Aktien-ETF investiert, kann sie sich monatlich für mindestens 25 Jahre 550 Euro als Zusatzrente auszahlen.
Was hat die zweite Frau anders gemacht? Sie war sich mit dem Vater ihrer Kinder einig, dass sich beide um Kinder und Haushalt kümmern. Beide haben in der Rush-hour des Lebens bewusst Teilzeit gearbeitet, um Zeit für die Familie zu haben. Beide haben zusätzlich Altersvermögen aufgebaut. Sollten sie sich trennen, haben sie genug Geld für ein einigermaßen sorgenfreies Leben bis ins hohe Alter.
Sich als werdende Mutter Gedanken um die finanzielle Absicherung zu machen, ist existentiell. Das zeigt gerade wieder die aktuelle Diskussion um die erneute Senkung der Einkommensgrenzen für das Elterngeld auf 150.000 Euro. Ein Schlag in den Magen von Frauen, die Mütter werden und finanziell eigenständig bleiben wollen.
Eltern haben heute viele Möglichkeiten und Wahlfreiheiten
Mir kommt es oft so vor, als würden Frauen – und Männer – die Chancen nicht kennen, die sie haben, um auch als Mama und Papa gleichberechtigt zu leben. Etwa die Hälfte der Väter nimmt beispielsweise kein Elterngeld in Anspruch. Was heißt: Ein großer Teil verhält sich wie ein Wochenendvater und arbeitet weiter, als sei nichts geschehen. Die Mütter erhalten folglich kaum Hilfe im anstrengenden Alltag mit einem Kleinkind.
Dabei können Eltern heute ihre Elternschaft gemeinsam entdecken. Das Elterngeld und die gesetzlichen Regeln zur Teilzeit machen es möglich. Beide könnten sich gemeinsam sechs Monate um ihr Neugeborenes kümmern und dabei jeder das Basiselterngeld von maximal 1.800 Euro beziehen. Haben sie vorab noch etwas auf die hohe Kante gelegt, reicht das Geld vielleicht für weitere drei gemeinsame Monate. Oder ein Elternteil geht in Teilzeit und beantragt das ElterngeldPlus. Bis dahin ist die neue Familie zusammengewachsen, das Stillen kommt zum Ende. Wenn beide danach in Teilzeit in ihre Jobs zurückkehren an unterschiedlichen Tagen, erhalten beide ihre Chancen auf eine Karriere, gute Gehälter, soziale Integration, berufliche Entwicklung und finanzielle Eigenständigkeit.
Die Regelungen zum Basiselterngeld und ElterngeldPlus sind zwar komplex. Das ist aber kein Grund, alternativlos los zu denken: Als Mutter bleibe ich zuhause! Es gibt Elterngeld-Berater und gut erklärte Elterngeld-Rechner.
Selbst, wenn sich ein Paar entscheidet, dass einer beruflich für die Familie kürzer tritt, sind die finanziellen Folgen nicht alternativlos. Die entgehenden Rentenansprüche können durch eigene Investitionen kompensiert werden. Der Betrag dazu kommt aus der Familienkasse. Die Höhe ist Verhandlungssache und kann sich am monatlichen Betrag zur gesetzlichen Rentenversicherung bei Vollzeit oder dem Differenzbetrag zwischen Vollzeit und Teilzeit orientieren.
Miteinander reden, aushandeln, rechnen
Das aber ist nur zu erreichen, wenn wir Frauen uns erlauben, für uns einzustehen, miteinander zu reden, zu verhandeln, offen und bedürfnisorientiert Care- und Hausarbeit aufzuteilen und uns über unsere Lebensentwürfe klar zu werden.
Ein Vorbild dafür sind die Beziehungsinvestor*innen Marielle und Mike Schäfer. Sie zeigen, dass Paare, die sich die Elternzeit hälftig teilen und beide aktive Eltern sind, nicht nur finanziell oft besser dran sind. Sondern auch als Familie und Paar eng zusammenwachsen. Wer mehr über dieses neue Normal erfahren will, liest das Buch von Marielle und Mike: „Love and money“ – Elternschaft als Team mit gegenseitiger Unterstützung, ohne finanzielle Abhängigkeiten und einem Ungleichgewicht bei der unbezahlten Care- und Hausarbeit, das Lebenschancen nimmt.
*Gerechnet wurde für die zehn Jahre Teilzeit mit einem Jahresgehalt von 18.000 Euro und ab 55 mit einem Vollzeitgehalt von 35.000 Euro.
**Hier wurde mit einem Teilzeitgehalt von 33.600 Euro gerechnet und vereinfacht mit einem Vollzeitgehalt ab 41 von 55.000 Euro.