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Bundesetat 2024 Zähes Ringen um den Haushalt: Das hat die Politik beschlossen

Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne, r.)
Lange Nacht: Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne, r.) verhandelten bei der Haushaltsausschuss-Sitzung bis in den Morgen
© Kay Nietfeld / Picture Alliance
In einer Nachtsitzung des Haushaltsausschusses hat sich die Ampel-Koalition auf die Ausgaben für 2024 geeinigt. Die Etats der Ministerien stehen. Doch final über den Bundeshaushalt entschieden wird erst kommende Woche

Das zähe Ringen um den Bundeshaushalt 2024 geht auch nach der Nachtsitzung im Bundestag weiter. Von Donnerstagmittag bis zum frühen Freitagmorgen um etwa 4.20 Uhr dauerten die Verhandlungen. Fest steht: Der Haushaltsausschuss hat zahlreiche Änderungen am Etatentwurf von Finanzminister Christian Lindner (FDP) beschlossen. Ein finaler Beschluss im Ausschuss steht jedoch noch aus. Weil nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts viele Fragen offen sind, sollen am Dienstag zunächst noch Sachverständige gehört werden. Am kommenden Donnerstag soll die Bereinigungssitzung dann formal beendet werden.

Erst dann werden auch Informationen darüber vorliegen, wie stark sich der Bund im kommenden Jahr neu verschuldet und wie viel Geld insgesamt ausgegeben wird. Der Bundestag soll den Haushaltsentwurf in der Sitzungswoche vom 27. November bis 1. Dezember dann endgültig verabschieden. 

Noch ist völlig unklar, wie viel am Etatentwurf bis dahin noch angepasst werden muss. Denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte noch viel weitreichendere Folgen haben als auf den ersten Blick ersichtlich. Das höchste deutsche Gericht hatte am Mittwoch eine Umwidmung von 60 Mrd. Euro im Haushalt von 2021 für nichtig erklärt. Diese Kredite waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, wurden dann aber in ein Sondervermögen für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft verschoben. Nun stehen die Milliarden nicht zur Verfügung.

Die Bundesregierung prüft derzeit, ob das Urteil noch weitreichendere Folgen auch für andere schuldenfinanzierte Sondervermögen hat. Die Haushälter wollen daher vorsichtshalber auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds sperren, aus dem unter anderem die Energiepreisbremsen gezahlt werden. Die oppositionelle Union hält es nicht für seriös, unter diesen Umständen überhaupt schon einen Haushalt zu beschließen – und stellte deshalb im Ausschuss keinen einzigen inhaltlichen Änderungsantrag. Stattdessen kündigte Unions-Fraktionschef Merz an, auch das Sondervermögen für die Energiepreisbremsen auf Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen.

Die Chef-Haushälter der Ampel-Koalition kritisierten das scharf. „Die Union hat sich heute Nacht der Mitarbeit leider verweigert“, erklärten sie nach Ende der Sitzung. „Erst hat sie versucht, die Sitzung abzusagen und dann hat sie keinen einzigen Änderungsantrag zum Bundeshaushalt gestellt“, monierten Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP). Sie forderten die Union auf, „verantwortungsvoll mit dem Urteil und dessen Folgen umzugehen, statt die Arbeit im Parlament einzustellen“.

Humanitäre Hilfe und Freiwilligendienst

Die Ampel-Koalition sieht den Kernhaushalt für das kommende Jahr, also die Etats der einzelnen Ministerien, nicht von dem Urteil betroffen. Der Bundeshaushalt soll daher weiterhin am 1. Dezember beschlossen werden. Dafür nahmen die Haushälter in der Nacht zum Freitag noch eine Reihe Änderungen vor. Unter anderem wurden die Mittel für humanitäre Hilfe im Ausland aufgestockt. Verglichen mit den Plänen der Regierung soll es 700 Mio. Euro mehr geben. Nach Angaben des Linken-Abgeordneten Victor Perli steht aber immer noch deutlich weniger Geld zur Verfügung als in diesem Jahr.

Aufgestockt wurden auch die Mittel für Integrationskurse und Beratungsleistungen für Zuwanderer. Statt der ursprünglich vorgesehenen 880 Mio. Euro wurden 1,06 Mrd. Euro eingeplant. Auch für die Freiwilligendienste machten die Haushälter 80 Mio. Euro mehr locker.

Lindner hatte dem Parlament einen Spar-Etat vorgelegt, weil er die Schuldenbremse einhalten will – und sich dazu auch vom Grundgesetz verpflichtet sieht. Nach langem Ringen mit seinen Ministerkollegen, in das sich auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) einschaltete, brachte er den Entwurf verspätet ins Kabinett. Prioritäten liegen bei Verteidigung und Klimaschutz. In vielen anderen Ressorts wird im Vergleich zum Vorjahr sogar gekürzt.

Elterngeld

Das Familienministerium kündigte etwa eine heftig umstrittene Elterngeld-Kappung für Bezieher hoher Einkommen an. Diese fällt nun weniger radikal aus. Die Einkommensgrenze, bis zu der Elterngeld gezahlt wird, soll nicht plötzlich, sondern schrittweise sinken. Bis Ende März soll sich gar nichts ändern. Danach fällt die Grenze auf 200 000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen. Ab April 2025 soll eine Einkommensgrenze von 175 000 Euro gelten.

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte zunächst vorgeschlagen, das Elterngeld solle nur noch an Eltern ausgezahlt werden, die alleine oder zusammen nicht mehr als 150 000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen haben. Aktuell liegt die Grenze bei 250 000 Euro für Alleinerziehende und 300 000 bei Paaren. Geändert wird nun auch, dass Eltern nur noch einen Monat parallel Elterngeld beziehen können. Mindestens einer der Partnermonate muss allein genommen werden. Das muss zudem innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes passieren.

Ukraine-Militärhilfe

Andere Änderungen hatte Lindners Ministerium selbst noch eingepflegt: In der Vorlage für die Ausschusssitzung wurde die Militärhilfe für die Ukraine auf 8 Mrd. Euro verdoppelt. Außerdem wurden nach der Ampel-Einigung auf ein Entlastungspaket rund 1,3 Mrd. Euro mehr Zuschüsse für stromintensive Unternehmen eingeplant.

Stromsteuer

Die ebenfalls zur Entlastung beschlossene Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe wird allerdings teurer als gedacht. Für 2024 und 2025 wird in der Ampel-Koalition jeweils mit Kosten von 3,25 Mrd. Euro gerechnet. Das geht aus einem Entwurf für das Haushaltsfinanzierungsgesetz hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Bei Vorstellung des Konzepts war in Regierungskreisen von 2,75 Mrd. Euro die Rede gewesen.

Bürgergeld

Das Bürgergeld wird im kommenden Jahr wegen der ankündigten Erhöhung ebenfalls deutlich teurer als eingeplant. Hierfür bewilligte der Haushaltsausschuss 3,4 Mrd. Euro zusätzlich. Dazu kommen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur weitere 1,4 Mrd. Euro für die Übernahme der Miet- und Heizkosten. Mehrere Medien berichteten am Donnerstag über die Anpassung.

Zum Jahresanfang 2024 steigt das Bürgergeld für mehr als fünf Millionen Erwachsene und Kinder in der Grundsicherung im Schnitt um rund zwölf Prozent. Der Regelsatz wird – wie früher bei Hartz IV – jährlich an Preise und Löhne angepasst. Für Alleinstehende wird das Bürgergeld zum 1. Januar dadurch um 61 auf 563 Euro erhöht. Bereits für 2023 benötigt der Bund mehr als drei Milliarden Euro zusätzlich, weil die Zahl der Bürgergeld-Bezieher wegen der schlechten Wirtschaftslage deutlich stieg und auch die Kosten für die Unterkunft wuchsen.

Der Ausschuss nahm zudem geplante Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik der Jobcenter zurück. „Uns ist gelungen, in den Verhandlungen für den Haushalt 2024 zusätzliche 750 Millionen Euro für die Jobcenter zu beschließen“, sagte die SPD-Abgeordnete Kathrin Michel. Damit sollten Langzeitarbeitslose und Geflüchtete schneller in Arbeit vermittelt werden.

Mehrwertsteuer

Ursprünglich hatte die Bundesregierung damit geliebäugelt, die Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent zu belassen. Während der Coronapandemie war die Steuer von 19 Prozent herabgesenkt worden, um Restaurants und Cafés unter die Arme zu greifen. Wie die Bild-Zeitung berichtet, fällt diese Steuersubvention nun aber weg – die Mehrwertsteuer steigt 2024 in der Gastronomie wieder von 7 auf 19 Prozent.

Bafög

Die Bafög-Mittel für Studierende und Schüler werden um 150 Mio. Euro erhöht. „Wir stellen als Ampel-Haushälter zusätzliche 150 Millionen Euro für das Bafög zur Verfügung“, erklärte Grünen-Politiker Bruno Hönel. Damit werde Vorsorge getroffen für eine mögliche Neuberechnung des Existenzminimums von Studierenden. Zudem würden die haushalterischen Voraussetzungen geschaffen für eine dringend notwendige Bafög-Strukturreform. „Wir brauchen diese Strukturreform, um eine höhere Zahl an armutsbedrohten Studierenden ins Bafög zu holen und die finanziellen Bedingungen für BAföG-Beziehende langfristig zu verbessern“, so Hönel.

dpa/rtr/ess

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