Kolumne Warum es ohne Abgeltungsteuer nicht besser wird

Christian Kirchner, Capital-Chefkorrespondent in Frankfurt
Christian Kirchner, Capital-Chefkorrespondent in Frankfurt
© Gene Glover
Werden Dividenden und Zinsen künftig unterschiedlich besteuert, erleben wir eine Renaissance kruder Steuersparfonds der Nuller Jahre – mit zweifelhaftem Nutzen. Christian Kirchner zieht vier Lehren aus einer möglichen Abschaffung der Abgeltungsteuer

Deutschen Anlegern steht eine Änderung der Kapitalbesteuerung bevor: Setzt eine Große Koalition aus CDU/CSU und SPD um, was in ihrem Sondierungspapier steht, wird die künftige Bundesregierung die Abgeltungsteuer auf Zinserträge abschaffen. Stattdessen werden Zinserträge dann wieder mit dem persönlichen Steuersatz belegt. Mindestens ebenso wichtig ist dabei auch, was nicht im Sondierungspapier steht: die Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Dividenden. Zinsen und Dividenden sollen folglich künftig unterschiedlich besteuert werden.

Was können Anleger daraus lernen?

Die erste Lehre aus diesen Plänen ist, dass Anleger ihre langfristige Geldanlage niemals an steuerlichen Aspekten ausrichten sollen. Nicht nur, weil steuerliche Anreize Anlegern in der Vergangenheit häufig qualitativ miserable Anlagen schmackhaft gemacht haben. Berater wissen eben zu gut, wie stark der Steuerspartrieb bei vielen Anlegern ausgeprägt ist. Der wichtigste Grund, die Steuern bei der langfristigen Geldanlage lieber außen vor zu lassen, ist schlicht, dass die Haltbarkeit der geltenden Steuerregeln für Zinsen und Dividenden ohnehin die typischen Anlagehorizonte für den Vermögensaufbau deutlich unterbieten.

Die zweite Lehre ist: Im Umfeld der aktuell extrem niedrigen Zinsen fällt die Änderung kaum ins Gewicht. Zinsen von einem Prozent sind mit Tagesgeld nicht mehr zu verdienen. Bei Festgeldangeboten müssen Anleger dafür auf exotische Adressen zurückgreifen, deren Bilanzsumme sich auf ähnlicher Höhe wie die kleinstädtischer Sparkassen befindet. Wer mit diesen Banken Zinserträge jenseits der Freibeträge generieren will, muss schon rund 80.000 Euro Sparvermögen mitbringen. Wer es sicherer mag, knackt aktuell erst mit einer Anlage von gut 150.000 Euro in zehnjährige Bundesanleihen die Freibeträge in Sachen Zinsen.

Das kann sich natürlich ändern, denn die Europäische Zentralbank hat den Pfad zumindest schon einmal schwach ausgeleuchtet, auf dem sie in den kommenden Jahren ihre Anleihenaufkäufe senken und die Zinsen wieder anheben will. Die Vermögenswerte der Topverdiener und Hochvermögenden stecken aber ohnehin vor allem in Sachvermögen (es ist sowohl im vermögendsten als auch einkommensstärksten Zehntel viermal höher als das Finanzvermögen).

Was zu Lehre Nummer drei führt. Wenn sich schon das zu erwartende Aufkommen in Grenzen hält – das DIW Berlin rechnete in einer Szenario-Analyse Ende 2017 mit „keinem nennenswerten Steuermehraufkommen“ – wird es an anderer Stelle vermutlich steigen: und zwar bei den Gebühren der Bankkunden. Denn die Finanzdienstleistungsbranche erwies sich schon in den Nuller Jahren als findig, aus der schon damals zeitweise unterschiedlichen Besteuerung von Zinsen und Kursgewinnen und der nahenden Abgeltungsteuer buchstäblich Kapital zu schlagen. Sie legte eine Reihe Produkte auf, bei denen statt steuerpflichtiger Zinserträge eben Kursgewinne anfallen. Das geht beispielsweise, wenn bei einem Anleihenfonds mehr Wert auf Kursgewinne der enthaltenen Papiere gelegt wird – etwa mit kurzen Laufzeiten oder unter ihrem Rückzahlungswert notierend - als auf Kuponzahlungen. Die Chance werden sich weder Finanzdienstleister noch Berater entgehen lassen, Kunden mit dem Verweis auf neue Regelungen eigens aufgelegte Produkte schmackhaft zu machen.

Lehre vier ist: Statt sich zu sehr mit der möglichen Besteuerung von Zinserträgen zu beschäftigen, sollten Anleger realisieren, dass auch die Niedrigzinsen verbunden mit der wieder etwas gestiegenen Inflation eine Art der Besteuerung sind. Es ist die sogenannte Finanzrepression par excellence, in der sich Gläubiger – wie beispielsweise der Bund – sanft entschulden, weil die Kaufkraft des angelegten Geldes schwindet, der Zinskupon diesen Wertverlust aber nicht ausgleicht. Zur Einordnung: 2017 zogen die Preise um durchschnittlich 1,8 Prozent an, die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen pendelte indes zwischen null und 0,6 Prozent. Sich für das Szenario zu rüsten, dass diese Finanzrepression durchaus noch einige Jahre anhalten kann – etwa mit mehr Sachwerten statt liquiden, aber zinslosen Anlagen – ist die wichtigere Übung als das Nachdenken über mögliche Konsequenzen des Wegfalls der Abgeltungsteuer auf Zinsen.

Noch sprechen wir zwar von Sondierungen und keinem Koalitionsvertrag oder gar Gesetz. Viel erwarten sollten Anleger aber von den angekündigten Maßnahmen nicht – bleibt es bei den Plänen, gibt es kaum Gewinner, vorerst kaum mehr Aufkommen, mehr Arbeit – und womöglich eine Vertriebswelle mit zweifelhaften Erfolgschancen.

Mehr von Christian Kirchner: Der schleichende Niedergang der Lasteraktien

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