Aussitzen, Austeigen – oder schon Aktien Nachkaufen? Diese Frage stellt sich angesichts des von der Corona-Pandemie ausgelösten Crashs an den Aktienmärkten auch den Profi-Anlegern. Fondsmanager und Anlagestrategen der zehn beim diesjährigen Capital-Fondskompass ausgezeichneten Gesellschaften berichten, wie sie bislang auf den Kurssturz reagiert haben.
Elmar Peters, Flossbach von Storch
Elmar Peters richtet sich auf unruhige Monate ein. Der Co-Manager des beliebten Multiple Opportunities der Fondsgesellschaft Flossbach von Storch , des Gesamtsiegers des Capital-Fonds-Kompasses 2020 , sagt: „Das größte Problem ist nicht das Virus, sondern die Reaktion darauf.“
Die Kölner begannen früh mit dem Portfolioumbau und kauften im Kurssturz zu. „Wir haben selektiv nachgekauft und unsere Liquditätsquote nach dem zweiten Rücksetzer Anfang der zweiten Märzwoche gesenkt“, so Peters. „Man muss in solch einer fragilen Situation noch mehr auf Qualität achten.“ Die Cashquote im Fonds habe er beibehalten, er investiert in „Unternehmen, deren Ertrag nicht so sehr von der Konjunktur abhängig ist, die eine hohe Dividendenrendite zahlen und nicht mehr als 60 Prozent ihres Gewinns ausschütten“.
Ralf Lochmüller, Lupus alpha
Als das Coronavirus die Börsen in einen Schockzustand versetzte, erhielt Ralf Lochmüller einige Anrufe von Kunden. Die hätten aber nicht wegen fallender Kurse gemeckert, erzählt Lochmüller, sondern hätten Kaufaufträge für Nebenwertefonds aufgegeben. 15 Prozent Wertverlust können für langfristige Anleger nämlich durchaus eine lohnende Kaufgelegenheit sein.
Lupus alpha hat sich unter anderem auf die kleinen Werte unter den börsennotierten Unternehmen spezialisiert und betreut viele Mandate institutioneller Anleger. Das Problem aber für die vergleichsweise kleine Fondsgesellschaft aus Frankfurt: Verkaufen, in Cash gehen und abwarten, geht nicht. Lochmüller und seine Kollegen müssen immer voll investiert sein, so steht es in den Fondsregeln. Also hat das Team reagiert und den Fonds umgeschichtet. Verkauft wurden Aktien, die unter einem Konjunktureinbruch besonders leiden würden. Stattdessen stockte das Management teilweise bei Pharma- und Biotechwerten Positionen auf. „Wir suchen Unternehmen mit stabilen Geschäftsmodellen“, sagt Lochmüller.
Klaus Kaldemorgen, DWS Concept Kaldemorgen
Klaus Kaldemorgen hat sich von der Panik nicht erschrecken lassen. „Ich habe auf der Aktienseite selektiv aufgestockt“, sagt der Fondsmanager. Im Gegenzug schloss er im bekannten DWS Concept Kaldemorgen Positionen auf fallende Aktienkurse. Kaldemorgens Strategie: Er kaufte Aktien, die er schon länger im Blick hatte, die ihm aber bis dahin zu teuer waren. Das galt besonders für Titel „mit einer ordentlichen Dividendenrendite und Wachstumsaussichten“. Wenn es nun krache, „dann sollte man für ein paar Monate die Zähne zusammenbeißen, nicht voreilig verkaufen und Chancen nicht aus den Augen verlieren“, rät Kaldemorgen. Die Strategie wendet er auch umgekehrt an. „Man sollte keine Aktien kaufen, die vorher schon schlecht gelaufen sind, nur weil sie jetzt billig geworden sind.“
Nach Kaldemorgens Einschätzung wird das Coronavirus starke konjunkturelle Auswirkungen haben, weil Fabriken die Produktion einstellen und Lieferketten unterbrochen werden“, sagt er. „Auch Europa und die USA kommen nicht ungeschoren davon. Negative Wachstumsraten zeigen, das erste Quartal ist für die Wirtschaft sehr schlecht gelaufen.“
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Für die Eurozone erwarte Kaldemorgen in diesem Jahr nun kein Wirtschaftswachstum. Ob es zu einer Rezession kommt, hänge von der Dauer der Epidemie ab, er könne sich dies für einige Länder vorstellen. Kaldemorgen weiter: „Epidemien sind an den Märkten aber nichts Neues. Die Folgen waren stets zeitlich begrenzt. Während in Europa die Zahlen der Neuinfizierten noch steigen, sind die Ansteckungsraten in China zeitweise bereits rückläufig. Anleger sollten nicht in Panik verfallen. Es bieten sich dieser Tage auch Anlagechancen.“
Dennoch werde sich die konjunkturelle Entwicklung in die Aktienkurse übertragen. „In den kommenden Monaten werden wir sehen, wie die Gewinnschätzungen für die Unternehmen ausfallen“, sagt der Fondsmanager.
Wolfgang Fickus, Comgest
Bei der französischen Fondsboutique Comgest wählen die Portfoliomanager Unternehmen nach folgenden Kriterien aus: Hohe Markteintrittsbarrieren, Preissetzungsmarkt und die Chance auf eine Erhöhung der Marktanteile sind für die fundamental orientierten Investoren Voraussetzung. Die Attraktivität erhöht zudem, wenn die Unternehmen von Megatrends in der Digitalisierung und Automatisierung oder im Gesundheitsbereich profitieren.
Daran ändert eine exogen verursachte Kapitalmarktkrise – wie das durch die Ausbreitung von Covid-19 der Fall ist – nichts. Im Gegenteil. Bei Comgest sehen die Anlageprofis Einstiegsfenster bei bislang interessanten, aber zu hoch bewerteten Unternehmen. „Paniktage sind gut für uns“, sagt Wolfgang Fickus, Mitglied beim Investmentkomitee. Dann werfen Investoren alle Werte auf den Markt, auch wenn deren Wachstum nicht gefährdet ist.
Im Blick hat Fickus dabei besonders Branchen, bei denen Umsatzeinbußen in der Krise später nachgeholt werden können. Zum Beispiel: „Die Nachfrage in der gesamten Halbleiterindustrie lässt sich mit einer Feder vergleichen. In diesem Jahr wird sie zusammengedrückt, im nächsten Jahr springt sie wieder auf“, sagt Fickus. Einige Gesundheitsunternehmen wie etwa Fresenius Medical Care würden gar nicht tangiert. „Bei der Nachfrage nach Diabetes-Medikamenten gibt es keine Unterbrechung“, sagt Fickus. Mit dieser Strategie fährt Comgest besser als der Markt. „Der globale Aktienfonds (Comgest Growth World, ISIN: IE0033535075) hat im Blitz-Crash den MSCI World um 2,6 Prozent geschlagen“, sagt Fickus.
Stefan Keitel, Deka Investment
Eines können Anleger nach Ansicht von Stefan Keitel von den jüngsten Turbulenzen an der Börse lernen: „Ein über verschiedene Anlageklassen ausreichend diversifiziertes Portfolio konnte die Kursrückgänge deutlich abfedern“, sagt der scheidende Chef von Deka Investment , der Fondsgesellschaft der Sparkassen. „Gerade Staats- und Unternehmensanleihen guter Bonität oder auch Gold haben seit Jahresanfang an Wert gewonnen und damit Verluste auf der Aktienseite zumindest teilweise kompensiert.“
Und das gilt seiner Ansicht nach wohl auch für die kommende Zeit, schließlich werde die Ausbreitung des Virus die Weltwirtschaft „spürbar belasten“, warnt Keitel, einzelne Länder könnten durchaus Richtung Rezession abrutschen. Deka Investment rechnet erst im zweiten Halbjahr mit einer Verbesserung der Lage, dann aber könnten Anleger mit „deutlichen Aufholeffekten“ rechnen. Wichtig sei trotzdem: Diversifikation.
Stefan Amenda, Meag
Genauso wie an den Aktienmärkten regiert an den Anleihenmärkten derzeit das Chaos. Die Kurse fallen, die Rendite steigen leicht. „Die Fantasie für diese Anleihenklasse ist eher begrenzt“, sagt Stefan Amenda, der die Strategie der Multi-Asset-Produkte bei Meag , dem Vermögensverwalter der Munich Re und der Ergo Group, leitet. Dennoch hat auch die Meag ihre Positionen in den als sicherer Hafen geltenden Staatsanleihen hochgefahren. „In der Krise haben wir das Aktienrisiko reduziert“, sagt Amenda. Die Meag meidet das Risiko. Auch aus Unternehmensanleihen, vor allem aus dem US-amerikanischen Hochzinsbereich, der stark an Rohstoffpreise gekoppelt sei, sind die Anlageexperten ausgestiegen.
Dass die Notenbanken jetzt aus allen Rohren schießen ist aufgrund des Rezessionsrisikos zwar notwendig. Aber an den Kapitalmärkten verpuffen viele der Maßnahmen. Amenda erklärt, warum: „Der Markt hatte bis zu vier Zinssenkungen eingepreist“, sagt Amenda. „Mehr als das Vorziehen der vom Markt erwarteten Entwicklung der Fed-Politik war das nicht.“
Nun steuert die Meag ihre Multi-Asset-Produkte, wie etwa den Meag EuroErtrag (ISIN: DE000A141UM5) auf Tagessicht und nähert sich höheren Risikobereichen wie Aktien und Unternehmensanleihen nur in „Trippelschritten“ an. Obwohl Amenda dort mittlerweile attraktive Chancen-Risiken-Verhältnisse sieht, bleibt Vorsicht das Gebot der Stunde. Privatanlegern mit einem längeren Anlagehorizont rät er von kurzfristigen Aktionen ab. Ein Umschichten, etwa in Gold, das viele Privatanleger für einen sicheren Hafen halten, ist für Meag keine Alternative. Dazu sei der Preis für das Edelmetall seit Ende des vergangenen Jahres zu stark gestiegen, meint Amenda. Lediglich eine kleine Beimischung im Depot sei empfehlenswert.
Christian von Engelbrechten, Fidelity
Christian von Engelbrechten hat sich nach dem ersten Einbruch der Kapitalmärkte lange in Optimismus geübt. Doch irgendwann musste der Fondsmanager des Deutschland-Vehikels des US-Vermögensverwalters Fidelity seine Einschätzung revidieren, dass sich die Konjunktur später im Jahr erholen könnte. Da ist er nicht der einzige. Nahezu alle Analysten haben ihre Prognose nach unten korrigieren müssen – und tun es immer weiter. Es sei nahezu unmöglich, die Auswirkungen zuverlässig einzuschätzen, da sich die Entwicklungen derzeit fast stündlich ändere, begründet von Engelbrechten. So seien beispielsweise die Auswirkungen auf Deutschland und Italien schwerwiegender als zu Beginn der Krise absehbar.
„Die Rückkehr zum Trendwachstum wird sich deutlich nach hinten verschieben“, sagt von Engelbrechten. „In Europa ist die Wahrscheinlichkeit einer Rezession zumindest im ersten Halbjahr deutlich gestiegen.“ Ob sich die Lage tatsächlich beruhige, hänge wesentlich davon ab, wann der Höhepunkt der Virusepidemie erreicht sei. Schutzmaßnahmen haben jetzt Vorrang. Dank sprudelnder Steuereinnahmen und vergleichsweise geringerer Staatsverschuldung hat Deutschland die Möglichkeit, mit stimulierenden Programmen gegenzusteuern. „Wichtig sind jetzt Unterstützungsmaßnahmen der Zentralbanken und Regierungen, um beispielsweise die Finanzierung für notleidende Unternehmen zu stärken“, sagt von Engelbrechten.
Trotz Krisen sei es sinnvoll in Aktien investiert zu sein und Ruhe zu bewahren, meint von Engelbrechten. „Entscheidend ist der langfristige Anlagehorizont. Selbst wer vor Krisen wie Lehman investiert habe, erzielte in den Jahren gute Renditen. Es gibt immer Unternehmen, die stark wachsen und hohe Dividende ausschütten.“ Aber er rät Privatanlegern, bestimmte Branchen zu meiden. „Die Konsumenten verschieben einen Autokauf, aber eine stornierte Reise holen sie möglicherweise nicht nach“, sagt von Engelbrechten. Neben der Tourismusbranche könnte es langfristig bei Logistikern negative Auswirkungen geben, falls sich Unternehmen entscheiden, sich künftig stärker lokal zu versorgen. Vergleichsweise schwieriger kann es für Konzerne mit hohen Fixkosten und hoher Verschuldung werden.
Frank Engels, Union Investment
Union Investment setzt auf eine Erholung, aber eher im zweiten Halbjahr. Zunächst ist der Vermögensverwalter des genossenschaftlichen Sektors jedoch auf Nummer sicher gegangen. „Wir haben die Risiken in der Breite reduziert, ohne aber in Alarmismus zu verfallen“, erläutert Frank Engels, Chef des Portfolio-Managements.
Wegen der Verbreitung des Virus rechnet Engels mit „einer scharfen, aber temporären Wachstumsabschwächung im ersten Halbjahr 2020“. Was er nicht erwartet, ist eine „länger anhaltende, weltweite Corona-Rezession“.
Der Grund: „In der Vergangenheit haben Epidemien häufig zu einem harten, zeitlich begrenzten Einbruch geführt, gefolgt von einer zeitlich gestreckten Erholung.“ Länge und Tiefe der Flaute seien von der Ausbreitung des Virus und den staatlichen Gegenmaßnahmen abhängig. Erst mit dem Abflauen der Epidemie werde das „konstruktive Fundamentalbild“ wieder dominieren und die wirtschaftspolitischen Gegenmaßnahmen würden greifen. „Mit Blick auf sechs bis zwölf Monate sind die Perspektiven für Anleger daher weiter aussichtsreich.“
Uli Krämer, Kepler Fonds
Es ist halt alles eine Frage der Vorbereitung, eben der Anlagestrategie. „Jeder wusste doch vorher schon, dass die Party einmal zu Ende gehen wird“, sagt Uli Krämer, der bei Kepler Fonds in Linz das Portfolio-Management leitet. Also war er auf einen Kursrutsch vorbereitet. Die Konsequenz: „Wir haben nicht reagiert!“ Zwar sei einiges an Gewinnen zunichte gemacht worden, „aber unsere Minimum-Varianz-Strategie hat es gedämpft.“
Kepler setzt auf eine Strategie, die auf Basis von Daten aus der Vergangenheit Aktien identifiziert, die ein geringes Kursrisiko aufweisen. Solch ein Portfolio steige zwar nicht so schnell an wie der Markt, falle in Krisenphasen aber auch weniger, erklärt Krämer. Er investiert in „eher langweilige Branchen“ wie Telekommunikation, Versorger und Konsum. Wichtig sind ihm die Dividenden. Krämer hat auch deshalb an seiner Positionierung festgehalten, weil die „Chance für eine positive Gegenreaktion“ gegeben sei.
Peter de Coensel, Degroof Petercam
Covid-19 ähnelt einem neuen Grippevirus: Er hat sich schnell verbreitet, fordert Menschenleben und es gibt noch keinen Impfstoff dagegen. Das Coronavirus wirkt wie ein Katalysator auf die im späten Zyklus ohnehin grassierende Unsicherheit. „Die Risikoprämien am Finanzmarkt sind aus den Fugen geraten“, sagt Peter de Coensel, Chefanlagestratege der privaten Handelsbank Degroof Petercam aus Belgien.
Der Zins von Staatsanleihen ist nun wieder auf einem historischen Tiefstand. Die Notenbanken haben abermals die Vorherrschaft übernommen und mit ihren Maßnahmen Öl ins Feuer gegossen. Das Ergebnis: „Die Angst vor Covid-19 hat die Bewertungen von Anleihen auf ein Niveau getrieben, das einer tiefen und globalen Rezession entspricht, die bis ins Jahr 2022 reicht“, sagt de Coensel. Die Investoren stoßen hochverzinste Papiere vor allem aus der Automobil- und der Reiseindustrie massenhaft ab. Dieses Szenario reflektiere jedoch Panik und nicht die realen Wachstums- und Inflationsperspektiven, die durch bald initiierte geld- und fiskalpolitische Maßnahmen gestützt werden dürfen, meint de Coensel.
Wie positioniert sich ein Anleihenexperte in so einem Umfeld? „Ich versuche, den Sturm auszusitzen“, sagt de Coensel. Aber einige Änderungen hat Degroof Petercam dennoch in den Anleihen-Fonds vorgenommen, um die Investoreneinlagen vor weiteren Panikreaktionen zu schützen. Staatsanleihen aus Ländern mit höheren Zinsen wie USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Großbritannien haben die Fondsmanager gegenüber jenen aus Niedrigzinsregionen wie Europa und Japan übergewichtet, da dort das Erholungspotenzial größer sein dürfte. „Wenn sich die Lage Anfang Sommer beruhigt, korrigieren die Staatsanleihen“, ist de Coensel überzeugt.
Auch bei Unternehmensanleihen mahnt de Coensel zu Vorsicht, bei denen von kleinen und mittleren Unternehmen mit einer hohen Verschuldung steigt die Ausfallwahrscheinlichkeit rapide an. In Krisenzeiten sollten nur in liquide, also handelbare Anleihen investieren, die notfalls schnell verkauft werden könnten.